E-Card

Ist die Kassen-Drohung nur ein Hilferuf?

Neuer Zoff um die E-Card: Der GKV-Spitzenverband will der Betreibergesellschaft der elektronischen Gesundheitskarte den Geldhahn zudrehen. Doch geht es dabei wirklich nur darum, Druck auf die Ärzteschaft auszuüben?

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Vorerst haben die Kassen 57 Millionen Euro für den Haushalt der E-Card gesperrt.

Vorerst haben die Kassen 57 Millionen Euro für den Haushalt der E-Card gesperrt.

© Techniker Krankenkasse

BERLIN. Während das Bundesgesundheitsministerium an einem E-Health-Gesetz schraubt, droht der GKV-Spitzenverband, der Betreibergesellschaft der Gesundheitskarte, der gematik, den Geldhahn zuzudrehen. Und damit ausgerechnet dem Kernelement der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Reiner Zufall?

Dem außenstehenden Beobachter kommen hier erhebliche Zweifel. Schon lange monieren die Krankenkassen, dass sie Millionen in das Mammutprojekt elektronische Gesundheitskarte (eGK) gesteckt haben, ohne dass die Telematikinfrastruktur tatsächlich vorankommt.

Und ohne dass es echten Mehrwert für die Kassen und ihre Versicherten gibt. Die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion deckte erst vor Kurzem auf, dass sich die Gesamtkosten bis Ende dieses Jahres auf 1,2 Milliarden Euro belaufen könnten.

Da wirken die 57 Millionen Euro, die der GKV-Spitzenverband nun gesperrt hat und die eigentlich für den Haushalt 2015 der gematik vorgesehen waren, fast wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wenig überzeugend wirken auch die Argumente, die der Spitzenverband nun vorschiebt - sind es doch alt bekannte. Wieder geht es angeblich darum, dass Teile der Leistungserbringerorganisationen die Einführung - insbesondere der Nutzen bringenden Online-Infrastruktur - blockieren.

Und darum, dass stattdessen versucht werde, ein kostenintensives Parallelnetz aufzubauen. Das zielt ganz deutlich in Richtung Ärzteschaft ab. Das KV-SafeNet mit seinen Kommunikationswegen zwischen den Leistungserbringern ist den Kassen hier wohl nur ein Dorn im Auge.

Ärzteschaft will nutzenbringende Anwendungen

Zwar zeigt sich die Ärzteschaft längst gesprächsbereit und fordert sogar selbst die Umsetzung von Online-Anwendungen. Scheinbar sind die Kassen aber des Wartens müde.

Dabei kommen die ersten Anwendungen, die im Herbst dieses Jahres in die große Online-Testphase gehen, gerade den Kassen zugute. Die erste Anwendung wird nämlich der Online-Abgleich der Versichertenstammdaten sein.

Die Ärzte haben davon reichlich wenig. Deshalb fordern sie auch, dass zügig die versorgungs-orientierten Anwendungen wie die elektronische Patientenakte folgen.

"Kritisch sehen wir, dass zum jetzigen Zeitpunkt Nutzen bringende Anwendungen für die Arztpraxis fehlen", sagte KBV-Pressesprecher Dr. Roland Stahl daher auch der "Ärzte Zeitung".

Natürlich gibt es sie, die Stimmen, die komplett gegen die Gesundheitskarte und die Telematikinfrastruktur sind. Aber innerhalb der Betreibergesellschaft gematik - in der Kassen und Ärzteschaft vertreten sind - war man sich über den Zeitplan der Tests eigentlich einig. Auch über die dafür notwendigen Haushaltsmittel, wie aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu hören ist.

Der GKV-Spitzenverband habe dem Haushalt der gematik zugestimmt, erklärte eine Sprecherin gegenüber der "Ärzte Zeitung". Deshalb sieht das Ministerium den Vorstoß des Spitzenverbandes auch mehr als gelassen. Letztlich werden sich die Kassen aus ihrer Zahlungspflicht nicht herauswinden können.

Denn, so die BMG-Sprecherin, aus den Haushaltsverhandlungen ergebe sich automatisch eine Rechtsverordnung, die dafür sorge, dass die Finanzmittel auch freigegeben werden. "Wir erwarten, dass sich der GKV-Spitzenverband rechtskonform verhält."

Die Lex Gesundheitskarte

Falls nicht, dürfte es mehr als wahrscheinlich sein, dass Gesundheitsminister Hermann Gröhe eingreifen wird. Dazu äußert sich das Ministerium derzeit zwar nicht, doch bereits im vergangenen Jahr machte Gröhe mehrfach deutlich, dass das Vorantreiben der Digitalisierung und damit der Telematikinfrastruktur eines seiner großen Ziele ist.

Noch diesen Monat soll der Entwurf für das zugehörige E-Health-Gesetz vorliegen. Ein Gesetz, dies zeigte sich noch Ende vergangenen Jahres, das vorrangig eine Lex Gesundheitskarte werden wird.

Zu den Eckpunkten des Gesetzes zählen etwa feste Fristen für die Online-Anwendungen, darunter auch die elektronischen Notfalldaten, Entlassbriefe und das Arzneimanagement. Alles Punkte, die den Forderungen der Kassen eigentlich direkt in die Arme spielen.

Es wird aber auch klare Finanzierungsvereinbarungen für die Anwendungen geben. Das ist nun reine Spekulation, aber hier werden auch die Kassen wieder in die Pflicht genommen werden.

Könnte das angedrohte Abdrehen des Geldhahns vielleicht ein Signal auch an den Gesetzgeber sein, dass die Bereitschaft, ausufernde Mittel bereitzustellen von Kassenseite erschöpft ist?

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Kommentare
Dr. Wolfgang Bensch 10.01.201511:14 Uhr

Hehre Versprechen in Koalitonsverträgen

Dürften die wahren Interessen wahrscheinlich stets bemänteln, aber die Gesundheitskarte startete so vor über 10 Jahren und es wurde als "Leuchtturmprojekt" damals gesehen.

Dr. Wolfgang P. Bayerl 09.01.201516:40 Uhr

@Dr. Wolfgang Bensch Was haben diese hehren Versprechungen

mit der zentralen Speicherung solcher sensibler Krankheitsdaten zu tun?

Dr. Wolfgang Bensch 09.01.201514:29 Uhr

Errungenschaft aus dem Koalitionsvertrag Rot-Grün 2002

Was waren damals Zielvorstellungen als die Gesundheitskarte dann 2003 in SGB V verankert wurde?
Im Koalitionsvertrag vom 16.10.2002 lesen wir auf S.55: "Patientensouveränität stärken – Transparenz erhöhen
Patientenschutz und Patientenrechte werden ausgebaut. Patientinnen und Patienten haben einen legitimen Anspruch auf unabhängige Beratung, objektive Information und auf Anhörung auch bei Fragen der Sicherstellung der medizinischen Versorgung.

Wir werden ihre Rechte durch eine Patientencharta und die Einsetzung eines Beauftragten stärken. Zur Erhöhung der Transparenz und der Sicherung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz im System führen wir auf freiwilliger Basis eine Gesundheitskarte ein. Sie soll vor unnötigen Doppeluntersuchungen schützen, unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen schneller erkennen lassen und die Datensicherheit stärken.
Sie enthält die Notfalldaten und informiert über erforderliche Vorsorgeuntersuchungen."

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