Klinik- und Praxisskandale: Offenheit zählt

Behandlungsfehler, Abrechnungsbetrug oder hygienische Mängel - sie stoßen auf großes Medieninteresse, wenn sie in Kliniken oder Praxen auftreten. Hier mutieren Kliniksprecher und Praxischefs zu Krisenmanagern.

Von Dr. Peter Stiefelhagen Veröffentlicht:
Sind die Mikrofone an, kann jedes Wort der Klinikkommunikateure oder eines betroffenen Praxischefs die Krise beruhigen oder weiter eskalieren lassen. Daher sind abgestimmte und rechtssichere Formulierungen wichtig.

Sind die Mikrofone an, kann jedes Wort der Klinikkommunikateure oder eines betroffenen Praxischefs die Krise beruhigen oder weiter eskalieren lassen. Daher sind abgestimmte und rechtssichere Formulierungen wichtig.

© picsfive / fotolia.com

HAMBURG. Das Spektrum von Vorfällen, die sich zu einer Krise für eine Klinik - aber auch für Praxen oder MVZ - entwickeln können, ist groß: vergessenes Op-Tuch im Bauch, Entfernung eines gesunden Organs, gehäuftes Auftreten von Infektionen, Abrechnungsbetrug oder aber die Entlassung eines Chefarztes.

"Solche Krisen tun weh wie Brandwunden", sagte Alexander Fink, CEO der K Comms GmbH in München, auf einer Veranstaltung von Linde bei der 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin.

Sie beeinflussten das Bild einer Gesundheitseinrichtung, genauer gesagt, ihre Glaubwürdigkeit nach innen und außen und somit auch ihren Erfolg.

Medien verfolgen unterschiedliche Strategien

Bei der Inszenierung eines Skandals bedienen sich die Medien unterschiedlicher Strategien. Dabei geht es ihnen auch darum, das Problem für ihr Zielpublikum verständlich zu machen. Gleichzeitig sollen meist aber auch Emotionen geweckt werden. Gelegen kommt ihnen, wenn einer der involvierten Personen einen " Promi-Faktor" genießt.

Auch der Bekanntheitsgrad einer Klinik oder der Praxis dürfte für das mediale Interesse von Bedeutung sein. Vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten in den Kliniken und Praxen garantiere immer hohe Aufmerksamkeit und werde somit zu einem medialen Faszinosum.

Im Allgemeinen erhalten vor allem Kliniken bei solchen Skandalen die Chance, gehört zu werden, ihren Standpunkt zu vertreten - und zwar mit dem Ziel, auch Akzeptanz zu finden. Aber auch Praxischefs können dies einfordern. "Dafür ist aber eine sorgfältige Vorbereitung und ein professionelles Handeln im Krisenfall entscheidend", so Fink.

Sich Krisenpotenziale bewusst machen

Aufgrund ihrer Exponiertheit sollten besonders Kliniken sich bewusst sein, wo Themen mit Krisenpotenzial schlummern. Dazu gehören mögliche Altlasten, Personalprobleme, mangelnde Qualität, technische Ungereimtheiten, mögliche wirtschaftliche Risiken oder ungenau definierte interne Prozesse.

"Solche Issues können sich im Negativfall rasch zu einem Krisenthema für die Medien ausbreiten", so Fink. Sich solcher Risiken bewusst zu sein, sei der erste wichtige Schritt zu einer erfolgreichen Krisenbewältigung.

In einem zweiten Schritt sollte die Infrastruktur für eine professionelle Krisenkommunikation aufgebaut werden. Dazu gehöre die genaue Festlegung der Aufgaben und Rollen im Krisenfall sowie ein Training der Kommunikationsverantwortlichen. Darüber hinaus sollten Sprachregelungen für unterschiedliche Krisenszenarien erarbeitet und die Arbeit und Funktionsfähigkeit des Krisenteams getestet werden.

"Handbücher, Sprachregelungen, Ablaufpläne, Richtlinien sowie Krisentools ergänzen die Vorbereitungsphase", ergänzt Fink. In Praxen erledigt dies meist der Chef in Personalunion.

Rasches Handeln erforderlich

Bei einem gravierenden Vorfall in einer Klinik melden sich die Medien meist unverzüglich nach Bekanntwerden. Dann fehle vor allem eines: Zeit. "Bedenken Sie, dass die ersten zwölf Stunden der Krisenkommunikation über den Verlauf der Berichterstattung entscheiden", so Fink.

Außer einer professionellen Vorbereitung gelte der Grundsatz: Energisch, aber besonnen handeln! Lügen und Vertuschen seien grundsätzlich tabu. Auch das "scheibchenweise" Offenlegen der Vorkommnisse ist nicht sinnvoll sondern provoziert nur eine mediale Hatz.

Nur durch Offenheit und eine angemessene Betroffenheit lasse sich die Hoheit in der öffentlichen Diskussion gewinnen. Aber wie sieht das Verhalten in einer Krise konkret aus? Fink hat einige Tipps speziell für Kliniksprecher parat, die aber auch für Arztpraxen und MVZ gelten:

Kommunizieren Sie regelmäßig nach innen und außen und berücksichtigen sie dabei die relevanten Zielgruppen. Denken Sie an das politische Umfeld, die Interessensverbände und die eigenen Mitarbeiter. Handeln Sie rasch, Anfragen sollten zügig beantwortet werden.

Kommunizieren Sie über einen zentralen Kommunikationsverantwortlichen und nutzen Sie definierte Strukturen, die im Vorfeld festgelegt sein sollten und die auch die Informationsbeschaffung, die notwendigen Abstimmungsprozesse, den laufenden Medienkontakt sowie die Rückmeldung in der Klinik umfassen.

Geben Sie keine internen Informationen weiter, auch wenn die Medien noch so sehr daran interessiert sind. Tragen Sie Sorge dafür, dass sich alle Mitarbeiter daran halten.

Kommunizieren Sie nur Fakten, spekulieren Sie nicht; denn dadurch könnte die Berichterstattung in eine unkontrollierte Richtung gelenkt werden.

Sind Sie aufrichtig und informieren Sie vollständig; denn das Vertuschen und stückweise Eingeständnis von bereits feststehenden Sachverhalten kostet Glaubwürdigkeit.

Zeigen Sie glaubwürdige Anteilnahme in den Fällen, in denen Menschen zu Schaden gekommen sind.

Geben Sie Fehler zu und zeigen Sie Lösungen auf. Es geht nicht um Rechthaberei. Doch wenn Sie Vermutungen mit Fakten widerlegen können, überzeugen Sie am meisten.

Lassen Sie Widerspruch zu; denn gerade am Höhepunkt einer Krise sind Behauptungen wie Tatsachen zu bewerten und entsprechend zu belegen oder zu entkräften.

Uniklinik Mainz: Drei tote Säuglinge und dennoch bestes Renommée

Der Fall des Skandals vor einigen Monaten um verunreinigte Infusionslösungen, an denen drei Säuglinge am Mainzer Uniklinikum starben, ist ein Beispiel für eine professionelle und somit auch gelungene Krisenkommunikation. In den Medien war die Bereitschaft der Klinikleitung jeden Tag erkennbar, den belastenden Vorfall zu kommunizieren, die aktuelle Situation zu beschreiben und die Aufklärung der Ursachen voranzutreiben. Dazu gehörte auch, dass eigenes Fehlverhalten solange nicht ausgeschlossen wurde, bis endlich Gewissheit bestand, dass die Ursache des Skandals außerhalb der Klinik lag.

"Am Ende ist es dem Mainzer Uniklinikum durch diese Kommunikationspolitik gelungen, glaubwürdig zu bleiben und sogar gestärkt aus einer Existenz bedrohenden Krise herauszutreten", so Kommunikationsberater Alexander Fink. Auch wenn eine professionelle Kommunikation eine Krise nicht verhindern könne, so helfe sie aber der Klinik, die eigene Professionalität im Umgang mit der Krise zu zeigen und den guten Ruf des Hauses zu schützen.

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