Nach dem Skandal

Gutes Zeugnis für Göttinger Uniklinik

Mit Göttingen nahm der bundesweite Skandal um die Verteilung von Spenderorganen seinen Lauf. Neben dem Chef der Transplantationsmedizin hat die Unimedizin Göttingen auch alte Strukturen durch neue ersetzt - und erntete dafür nun Lob von einer Kommission.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Lob für die Aufarbeitung eines Skandals: die Uniklinik Göttingen.

Lob für die Aufarbeitung eines Skandals: die Uniklinik Göttingen.

© Julian Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN. Großes Lob für die Göttinger Universitätsmedizin: Das Uni-Klinikum hat nach der Aufdeckung des Transplantationsskandals schnell Konsequenzen gezogen und viele Defizite und Missstände beseitigt. Dieses Fazit zieht die dreiköpfige Untersuchungskommission, die das Göttinger Lebertransplantationsprogramm untersucht hat.

Die Gutachter bewerten sowohl den personellen Neuanfang in der Transplantationschirurgie als auch die strukturellen Änderungen ausgesprochen positiv: "Die Voraussetzungen, dass im Lebertransplantationsprogramm der Universität Göttingen in Zukunft Manipulationen unterbleiben, sind durch die getroffenen Maßnahmen in adäquatem Umfang erfüllt", heißt es in dem Expertenbericht.

Das Klinikum hatte sich nach Bekanntwerden der Manipulationen Ende 2011 von dem bisherigen Leiter der Transplantationschirurgie getrennt und die Leitungsstelle im April 2012 neu besetzt.

Der neue Leiter Professor Otto Kollmar hat nach seinem Amtsantritt umgehend alle Patienten überprüft, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan standen, und 69 der insgesamt 132 Patienten von der Liste gestrichen. Die derzeit auf der Liste stehenden Patienten entsprächen in ihrem Indikationsspektrum und den vorgenommenen Untersuchungen den Richtlinien der Bundesärztekammer, befand die Kommission.

In der Ära von Dr. O. sei dies häufig nicht der Fall gewesen. Damals sollen beispielsweise 27 Patienten eine neue Leber bekommen haben, obwohl keine entsprechende Indikation vorlag oder sogar schwerwiegende Gründe gegen eine Transplantation sprachen.

Meldung an Eurotransplant ist jetzt transparenter

Die Kommission lobt außerdem, dass das Klinikum für die Aufnahme von Patienten in die Warteliste, die Dokumentation und die Meldung an Eurotransplant jetzt klare und transparente Verfahrenswege vorgegeben hat. Auch dies war vorher anders, wie sich auch in dem derzeit laufenden Prozess gegen Dr. O. vor dem Landgericht Göttingen gezeigt hat.

Dort kamen mehrfach Fälle zur Sprache, in denen unklar war, wie und warum ein Patient auf die Warteliste gekommen war und wer diese Entscheidung getroffen hatte. Den Patientenakten war dies nicht zu entnehmen.

Inzwischen hat das Klinikum zahlreiche Vorgaben gemacht, die verhindern sollen, dass sich einzelne leitende Mediziner mit ihrem "Herrschaftswissen" abschotten können.

Alle Patienten werden in einer interdisziplinären Transplantationskonferenz besprochen, und es ist verbindlich festgelegt, wer alles daran teilnehmen muss. Alle Entscheidungen müssen nach dem 8-Augen-Prinzip getroffen und ausführlich dokumentiert werden.

Der Kommissionsbericht würdigt auch die anderen Umstrukturierungen. So ist die Transplantationschirurgie, die unter Dr. O. ein relativ isoliertes Eigenleben geführt hatte, wieder stärker in die Chirurgische Klinik eingebunden, die Transplantationskoordination wieder direkt dem Vorstand unterstellt.

All diese Maßnahmen werden nach Einschätzung der Gutachter "Manipulationen an der Warteliste deutlich erschweren und sicherstellen, dass solche Manipulationen auch kaum mehr unentdeckt bleiben können."

Stichprobe zeigt keinen Hinweis auf Manipulation

Die Kommission hat außerdem bei einer Stichprobe neun der insgesamt 16 Transplantationen untersucht, die zwischen April 2012 und Ende Januar 2013 am Göttinger Uni-Klinikum vorgenommen wurden.

In keinem Fall habe es einen Hinweis auf eine Manipulation oder eine Falschangabe gegeben, heißt es im Prüfbericht. In einem Fall habe sich nicht nachvollziehen lassen, warum für einen Patienten ein Ausnahmestatus wegen eines Leberzellkarzinoms beantragt wurde, obwohl kein radiologischer Befund einer Krebserkrankung vorlag.

Die Transplantation hatte wenige Tage nach Kollmars Dienstantritt stattgefunden, der Antrag war jedoch bereits vorher gestellt worden. Der neue Leiter habe die versehentliche Meldung nachvollziehbar mit Kommunikationsdefiziten an Schnittstellen begründen können. Diese Defizite seien inzwischen beseitigt.

Ein Problem müssen nach Ansicht der Gutachter auch andere Kliniken angehen: In Göttingen hätten eine bestimmte Arbeitskultur und ein bestimmtes Hierarchieverständnis dazu beigetragen, dass die Manipulationen überhaupt möglich waren und über einen längeren Zeitraum unentdeckt blieben - dies stelle "leider keinen Einzelfall in der Landschaft deutscher Universitätsklinika" dar.

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