Fazit nach zehn Jahren
DRG-System mit Licht und Schatten
Das DRG-System ist besser als sein Ruf. Dieses Fazit ziehen Experten nach zehn Jahren mit den Fallpauschalen in der Krankenhaus-Vergütung. Doch es wurden auch einige Schwachstellen deutlich.
Veröffentlicht:BERLIN. Blutige Entlassungen, Qualitätseinbußen, Leistungseinschränkungen innerhalb der Pauschalen, medizinisch unbegründete Fallzahlvermehrungen: Bei der Einführung des DRG-Systems vor zehn Jahren gab es viele Warnungen vor Fehlanreizen. Als "Erfolgsveranstaltung" bezeichnet sie zehn Jahre später der DRG-Experte Professor Norbert Roeder aus Münster.
"Das DRG-System hat die Qualität nicht verschlechtert", so sein Fazit bei einer Veranstaltung der Verbände VKD und VDGH der Klinikdirektoren Deutschlands und der Diagnostica-Industrie Ende Februar in Berlin.
Roeder weiter: "Die Ziele des Gesetzgebers sind weitgehend erreicht worden. Anreize zu Effizienzsteigerungen haben gewirkt."
Viele Entwicklungen der letzten Jahre gehen Roeder zufolge nicht ursächlich auf das DRG-System zurück. Die Verkürzung der Verweildauern ist laut seinen Analysen mehr durch den medizinischen Fortschritt als durch das DRG-System getrieben und hat schon vor 2004 begonnen.
Auch auf die Entwicklung der Krankenhauslandschaft habe das DRG-System keinen wesentlichen Einfluss. Und für die Mengenentwicklung sind Roeder zufolge viele verschiedene Faktoren ausschlaggebend.
Neue Berufe haben sich entwickelt
Innerhalb der Krankenhäuser hat sich dennoch viel verändert, und das nicht immer zum Positiven. "Die administrative Belastung hat erheblich zugenommen", sagte Roeder.
Neue Berufe wie Kodierfachkräfte oder Medizincontroller sind in den Kliniken entstanden. Die Sozialgerichte seien mit Auseinandersetzungen zwischen Kostenträgern und Krankenhäusern "extrem belastet".
All das entziehe der Patientenversorgung Geld. "Aber vielleicht müssen wir dieses Geld auch entziehen, um den Kernprozess besser zu organisieren", wägte Roeder ab. Dabei muss sich das DRG-System weiter entwickeln. Lösungen vermisst der DRG-Forscher noch für Extremkostenfälle, Transplantationen und die Neonatologie.
Für die Kostenausreißer will das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) Ende dieses Jahres ein Konzept vorlegen. Das kündigte der kaufmännische Direktor des Aachener Uniklinikums Peter Asché an.
Er zieht eine gemischte Bilanz der DRG-Einführung. Wie Roeder sieht er die größten Veränderungen innerhalb der Krankenhäuser. Deutliche Verschiebungen habe es zwischen den Berufsgruppen gegeben.
Asché beobachtet eine Verstärkung des ärztlichen Dienstes und des medizinisch-technischen Dienstes zulasten der Pflege und der nichtmedizinischen Infrastruktur. Auch im Verwaltungsdienst sind nach seinen Angaben immer mehr Mitarbeiter beschäftigt.
Outsourcing ist an der Tagesordnung
Das Klinikmanagement reagiert Asché zufolge auf das DRG-System mit der Doppelstrategie der Erlösoptimierung und Kostenreduktion. Zur Erlösoptimierung setzen viele Krankenhäuser auf Case Management, Doku-Assistenten und IT-Unterstützung.
Zur Kostenreduktion treten sie Einkaufsgemeinschaften bei und gliedern Teilbereiche aus. "Es gibt kein Krankenhaus, das nicht einen Bereich outgesourct oder in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert hat", sagte Asché.
Als zentrale Herausforderung für die Zukunft des DRG-Systems betrachtet er die Mengensteuerung. Dazu wird Mitte des Jahres ein Gutachten im Auftrag der Verbände der Krankenhäuser, gesetzlicher und privater Krankenversicherung erwartet.
Problematisch ist die Mengenentwicklung unter DRG-Bedingungen aus Sicht der Krankenkassen. "Das Fallpauschalensystem setzt auch Fehlanreize. Das ist das Hamsterrad", sagte Matthias Mohrmann, Chef der AOK Rheinland-Hamburg.
Deutliche Fallzahlzuwächse beobachtet er vor allem in Leistungsbereichen, die überwiegend belegärztlich organisiert sind, wie Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und muskuloskelettale Erkrankungen. "Da sehen wir Entwicklungen, die zumindest fragwürdig sind", sagte Mohrmann.
Über einen Negativeffekt des DRG-Systems waren sich jedoch alle Experten einig: Die Kommunikation mit den Patienten leidet. Die AOK Rheinland-Hamburg belegt das mit Zahlen.
Bei der nichtrepräsentativen Auswertung von 50 Patientenbeschwerden kam das Thema Kommunikation laut Mohrmann "mit Abstand" am häufigsten vor. (ami)