Roboter statt Arzt?
Bioprinting und Künstliche Intelligenz treiben die Medizin
Künstliche Intelligenz wird immer stärker in den Versorgungsalltag einziehen und Arbeit von Ärzten übernehmen. Das prognostoziert ein Essener Klinikdirektor im Vorfeld eines Kongresses.
Veröffentlicht:ESSEN. Das Universitätsklinikum Essen (UKE) hat seit einiger Zeit einen Roboter als Mitarbeiter. Er soll beim Erkennen einer idiopathischen interstitiellen Pneumonie helfen und gehört zum Team von Professor Michael Forsting, medizinischer Direktor der Zentralen IT und Direktor des Institutes für Radiologie an der Klinik Essen.
Die Identifizierung dieser Lungenkrankheit auf CT-Aufnahmen gestaltet sich für Ärzte bisher schwierig. Mithilfe des selbstlernenden Computerprogrammes konnte die Diagnosegenauigkeit selbst mit einem kleinen Datensatz um fünf Prozent gesteigert werden.
Forsting ist überzeugt, dass solche Werkzeuge notwendig sind, um das bisherige medizinische Niveau halten zu können. "Durch die demografische Entwicklung werden wir in Zukunft wohl mit weniger Ärzten auskommen müssen", sagt er der "Ärzte Zeitung".
Künstliche Intelligenz (KI) könne dabei helfen, dass Patienten weiterhin eine gute medizinische Versorgung bekommen, auch wenn kein Facharzt in der Nähe ist. Zum Beispiel könnte ein älterer Patient ein Foto von seinem Hautfleck machen und an den Hautarzt schicken.
Dieser speist das Bild in eine Datenbank ein, die zeigt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass es sich um Hautkrebs und nicht um einen normalen Altersfleck handelt, erläutert Forsting.
Die globale Dimension zählt
Allerding ist die Bedeutung von KI für die globale medizinische Versorgung wichtiger als für Deutschland, meint der Arzt. Mithilfe der selbstlernenden Programme könnten bereits Vertreter von Gesundheitsfachberufen mit einer dreijährigen Ausbildung zu Physicians Assistants Teile der Versorgung in abgelegenen und unterversorgten Gebieten übernehmen.
Ein Physicians Assistant könnte die Beschwerden eines Patienten in ein Tablet eingeben, das Zugriff auf ein KI-Programm hat. "Das Programm stellt zehn weitere Fragen und kann dann sehr schnell einen Vorschlag machen, was der Patient brauchen könnte oder mit welcher Wahrscheinlichkeit er dieses oder jenes hat."
Forsting erwartet, dass für Ärzte die Nutzung solcher Programme nicht allzu schwierig sein wird. "Ärzte sind an Veränderungen gewöhnt." Außerdem arbeiteten sie seit Jahren mit Computerprogrammen, die ihnen bei der Diagnose helfen.
Arbeitsplätze nicht gefährdet
Arbeitsplätze wird die KI vorerst nicht gefährden, meint er. "Es wird immer Befunde geben, die nicht eindeutig sind. Ärzte werden dann beispielsweise den Röntgenbefund und den Laborbefund beurteilen. Und auch in allen anderen Fällen bleiben sie die letzte Instanz."
Die Veränderungen werden vor allem den Patienten zu Gute kommen, glaubt Forsting. "Der Patient wird schneller an eine richtige Diagnose kommen." Ein Computer vergesse im Gegensatz zu einem Menschen nie eine Diagnose. Das ist besonders in Bezug auf seltene Krankheiten ein entscheidender Vorteil, weiß er.
Viel verspricht er sich auch vom Bioprinting. Dabei werden künstliche Körperteile aus biologischen Stoffen durch einen 3D-Drucker hergestellt. Auf diesem Gebiet ist die Wissenschaft nach Ansicht von Forsting sehr viel weiter, als die meisten denken.
"Es ist bereits möglich, Organe aus biologischen Materialien zu drucken, die dem menschlichen Material praktisch gleichen." Beim Bioprinting gibt es zwei Methoden: Bei der einen werden abwechselnd Knorpelzellen und eine gelartige Flüssigkeit, die einen Proteincocktail enthält, auf die Oberfläche gespritzt. Bei der anderen wird ein mit Zellen angereichertes Hydrogel benutzt.
Kongress diskutert Zukunftstrends
Eine entscheidende Hürde bei der KI in der Medizin ist nach Angaben von Forsting das Beschaffen von großen, validen Datensätzen. KI gebe es eigentlich schon relativ lange. "Heute stehen die Algorithmen, die einem Computer das Lernen beibringen, frei zur Verfügung, die muss man nicht mehr entwickeln."
Damit die Programme jedoch lernen können, müssen sie mit validierten Datensätzen gefüttert werden, die Diagnose muss also bekannt und richtig sein, erklärt er. In Deutschland verhindere unter anderem der Datenschutz, dass mehr dieser Daten zur Verfügung stehen.
Solche und andere Punkte werden auf dem Kongress "Emerging Technologies in Medizin" am 10. und 11. Februar in Essen diskutiert. Wie schnell die Weiterentwicklung und die Verbreitung von KI und Bioprinting in der Medizin vonstattengehen, hänge davon ab, wie viele Leute sich dem Thema widmen, betont Forsting.