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Korruptionsgesetz empört Ärzteschaft

Der Entwurf für ein neues Anti-Korruptionsgesetz im Gesundheitswesen löst hitzige Diskussionen aus. Ärzten erscheint er unnötig. Sie fordern bessere Sanktionsmöglichkeiten für die ärztliche Selbstverwaltung.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Die Annahme von Zuwendungen für unlautere Bevorzugung kann Heilberufler künftig bis zu fünf Jahre Haft kosten.

Die Annahme von Zuwendungen für unlautere Bevorzugung kann Heilberufler künftig bis zu fünf Jahre Haft kosten.

© Creatas Images / Thinkstock

NEU-ISENBURG. Ein aktueller Gesetzentwurf aus dem Justizministerium sieht vor, Korruption im Gesundheitswesen unter Strafe zu stellen (wir berichteten). Der geplante neue Strafgesetzbuch-Paragraf 299a sieht für korrupte Ärzte eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft vor.

Erfasst werden sollen von der Neuregelung sämtliche Heilberufe, für die eine staatlich geregelte Ausbildung erforderlich ist - wie etwa auch Apotheker oder Physiotherapeut.

Aus den Reihen der Ärztevertreter erntet das Vorhaben der Bundesregierung scharfe Kritik: Der hessischen Ärztekammerpräsident Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach hält den angedachten Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen für realitätsfern und überzogen.

Neues Gesetz überflüssig?

Selbstverständlich sei jeder korrupte Arzt einer zu viel. Doch ein neues Gesetz findet von Knoblauch zu Hatzbach überflüssig: "Um die schwarzen Schafe unter den Kollegen aufzudecken, brauchen wir lediglich eine konsequente Anwendung der bestehenden Regulierungen."

Auch die Zahnärzte lehnen das Gesetzesvorhaben ab, das die Heilberufe zudem per se unter Generalverdacht stelle.

"Der Gesetzgeber sollte vielmehr die Möglichkeiten der Selbstverwaltungskörperschaften stärken, um die wenigen schwarzen Schafe sanktionieren zu können", kommentiert Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung.

Für Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD Bundestagsfraktion, ist das Gesetz allerdings längst überfällig, da es eine lange existierende Reglungslücke endlich schließe.

Wobei damit nicht die Intention verbunden sei, einen Berufsstand zu verunglimpfen: "Diese drakonischen Strafen sind notwendig, damit Patientinnen und Patienten sicher sein können, medizinisch richtig behandelt zu werden und nicht weil Schmiergelder fließen", betont Mattheis.

Die Opposition verweist indes darauf, dass sich Korruption im Gesundheitswesen nicht allein mit dem Strafrecht verhindern ließe.

"Notwendig sind verbindliche Regelungen für mehr Transparenz von ökonomischen Verflechtungen zwischen Herstellern und Leistungserbringern und zum Schutz von Hinweisgebern", so Maria Klein-Schmeink von den Grünen.

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Kommentare
Olaf Grenzer 17.02.201511:45 Uhr

Alles gesagt

Dem Kommentar des Kollegen Schätzler gibt es nichts hinzuzufügen!

Dr. Thomas Georg Schätzler 30.01.201515:35 Uhr

Anti-Korruptions-Strafrecht muss für A l l e gelten!

Ein Anti-Korruptionsgesetz im StGB (Strafgesetzbuch) z u s ä t z l i c h zu § 299 StGB „Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr“ und § 332 StGB „Bestechung und Bestechlichkeit im Amt“ ist zweifellos sozial- und gesellschaftspolitisch sinnvoll und erforderlich: Aber dieses darf strafrechtlich n i c h t allein nur das Gesundheitswesen und die Krankenversorgung betreffen:

1. Dieser StGB-Paragraf muss auch selbstständige Handwerksmeister erfassen, die immer bestimmte Lieferanten bevorzugt, um dafür Sonderkonditionen, Rabatte und Dienstleistungen zu kassieren, aber diese nicht an ihre Kunden weitergeben.

2. Ebenso für Architekten, die Aufträge nur verbunden mit "kick-back" Geschäften vergeben und außerhalb ihrer Gebührenordnung die Hand aufhalten bzw. durchaus bedürftigen Familien fürs Fernsehen willkürlich herausgegriffen komplette Häuser ausbauen und einrichten.

3. Für Zahnärzte, die z. B. billige ausländische Zahntechnik oder unzureichende Dienstleistungen zu den in Deutschland üblichen Sätzen abrechnen.

4. Für Rechtsanwälte, die außerhalb der BRAGO freihändig "Erfolgshonorare" aushandeln, ohne dafür zusätzliche Leistungen zu erbringen.

5. Für selbstständige Makler, "Berater" und "Strippenzieher" in Funk, Fernsehen, Medien, Internet, Sport, Wissenschaft, Forschung, Planung und Entwicklung, die Honorare und Provisionen für gar nicht erbrachte Leistungen kassieren.

6. Für Banken und Versicherungen, die Provisionen an von ihnen bevorzugte Makler oder Finanzdienstleister ohne adäquate Dienstleistungen auszahlen.

7. Für Chefärzte in Klinik, MVZ und Praxis, die Zuwendungen für Zuweiser bereithalten und deren Verordnungsverhalten beeinflussen wollen.

8. Für Abgeordnete in Land und Bund bzw. deren Lobbyisten, die für Kontaktpflege, Imagekampagnen, Festivitäten und Wahlgeschenke Finanzmittel bereitstellen.

9. Für Apotheker, die bei teuren Präparaten eher ein "aut idem" Kreuz setzen, als das billigere Generika-Präparat herauszugeben.

10. Für durchaus charmante gewerbliche Autohändlerinnen, die im Fernsehen mit windigen Gebrauchtwagen-Geschäften Privatpersonen unter fortgesetzter Umgehung der Mehrwert-Steuerpflicht zum gewünschten „Traumauto“ verhelfen.

Ein § 299a StGB, der sich nur und ausschließlich auf den Bereich „Gesundheits- und Krankheitswesen“ bezieht und alle a n d e r e n Formen der Freiberuflichkeit bzw. der selbstständigen Tätigkeit und Unternehmungsbereiche außer Acht lässt ist m. E. verfassungswidrig. Denn er schützt und privilegiert alle n i c h t im Gesundheitswesen und der Krankenversorgung freiberuflich und/oder selbstständig Tätigen weiterhin vor jeglicher strafrechtlichen Verfolgung wegen Bestechlichkeit, Bestechung und Vorteilsnahme.

Die bisherigen Gesetzentwürfe eines § 299a StGB sind gezielt diskriminierendes und stigmatisierendes "Ärzte-Bashing": Nahezu alle eher Medizin-fernen, jedoch dafür umso mehr BWL-, VWL- und Jura-affinen "Gesundheits"- und Krankheits-Politiker, "Gesundheits"-Ökonomen, „Gesundheits“-Juristen, Transparenz- und Antikorruptions-Beauftragten wie Transparency-International (TI) oder der Bundesverband der Verbraucherberatung kaprizieren sich nur und ausschließlich auf Korruption im Medizinwesen. Die vergleichbare, volkswirtschaftlich ebenso bedeutende Problematik bei Juristen, Anwälten, Architekten, in Handel, Gewerbe, Industrie, Versicherung und (Bau-)Handwerk wird dabei gerne übersehen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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