Geriatrie

Alle Ärzte mit im Boot

Die Zukunft vorweggenommen haben die Sieger des Preises für Gesundheitsnetzwerker 2017. Eine elektronische Patientenakte mit direktem Zugriff der Versicherten und ein geriatrisches Versorgungskonzept unter Einbezug wirklich aller Leistungserbringer wurden ausgezeichnet.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:

35 Ideen und Projekte wurden für den Preis der Gesundheitsnetzwerker eingereicht, der in diesem Jahr zum fünften Mal von Berlin Chemie gesponsert wurde und insgesamt ein Preisgeld von 20.000 Euro umfasste. "Jeder dieser Vorschläge ist eigentlich einen Preis wert", sagte die ehemalige Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Gudrun Schaich-Walch, bei der Preisverleihung anlässlich des Kongresses für Gesundheitsnetzwerker in Berlin.

Letzten Endes fiel die Entscheidung der Jury dann doch einstimmig aus. "Was ist für die Entwicklung des Systems relevant?" – das war laut Schaich-Walch der Aspekt, unter dem die Sieger gesucht und gefunden wurden. Der Preis für die beste Idee ging an das IV-Versorgungskonzept "Gesundes Kinzigtal" für die gemeinsam geführte elektronische Patientenakte "MyDoks". In der Kategorie Umsetzung einer innovativen Idee hatte der Qualitätsverbund Geriatrie Nord-West-Deutschland die Nase vorn. Zusätzlich gab es in diesem Jahr einen Sonderpreis für den Impfbus der Berliner Charité.

Die Zahl der alten Menschen wächst, damit auch der Anteil multimorbider Patienten. Die geriatrische Gesundheitsversorgung steht vor großen Herausforderungen, die der Qualitätsverbund Geriatrie im Nordwesten Deutschlands nach Ansicht der Jury schon gemeistert hat. "Beim Blick in die Short List war klar, das wird der Sieger sein", sagte Gudrun Schaich-Walch.

Verbund mit allen Versorgern

Was überzeugte: In dem Qualitätsverbund sind Hausärzte, Fachärzte, Kliniken, Reha- und Pflegeeinrichtungen, Pflegedienste sowie sogar Vereine, Kreise und Kommunen zusammengeschlossen, um bei der Verbesserung der Versorgung multimorbider Menschen zu kooperieren. In elf Regionen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie in den Grenzregionen zu den Niederlanden und Belgien gibt es diese Vernetzung.

"Der Dreh- und Angelpunkt ist: das interdisziplinäre, sektor- und berufsgruppenübergreifende Arbeiten bei der Versorgung geriatrischer Patienten", sagte Daisy Hünefeld, Vorstandsvorsitzende des Qualitätsverbunds.

Know-how-Transfer zwischen Ärzten

Regelmäßige Treffen sorgen für "Know-how-Transfer". Es gibt eine elektronische Fallakte und ein Case-Management, an der weiteren IT-Vernetzung der Beteiligten wird gearbeitet. Der Qualitätsverbund hat Screening- und Assessmentverfahren etabliert, investiert viel in Fort- und Weiterbildung, in Evaluation und Qualitätssicherung. Peer-Review-Verfahren sollen zudem für die Verbindlichkeit der vereinbarten Standards und Pfade sorgen.

Das "Gesunde Kinzigtal" überzeugte mit "MyDoks" die Jury. Der Grund: Patienten erhalten einen direkten Zugriff auf ihre praxisübergreifend geführte Gesundheitsakte und sollen dadurch zu einem besseren Selbstmanagement motiviert werden.

"Der Patient wird hier mit eingebunden und dadurch werden die Selbsthilfe und die Compliance in Zukunft verbessert", begründete Schaich-Walch die Entscheidung der Jury für "MyDoks".

Die Patientenakte im Kinzigtal basiert auf dem Open-Notes-Projekt aus den USA, das 2010 Patienten den Zugriff auf die Dokumentation nach einem Arztbesuch ermöglichte. Die Erfahrungen dort waren so gut, dass alle Ärzte Open Notes nach dem Projektende weiternutzten.

Helmut Hildebrandt, Geschäftsführer der Gesundes Kinzigtal GmbH, erinnerte bei der Preisverleihung in Berlin daran, dass Patienten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Bundesdatenschutzgesetz und der ärztlichen Berufsordnung selbstverständlich einen Anspruch auf Einsicht in ihre Akte haben. "Bei Ärzten löst es aber Irritationen aus, wenn Patienten Unterlagen haben wollen", sagte Hildebrandt.

Automatisierte Akteneinsicht

Der Prozess der Akteneinsicht müsse deshalb am besten automatisiert werden. Eine Evaluation soll deshalb nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Akzeptanz von "MyDoks" überprüfen.

Ebenfalls ein zukunftsweisendes Projekt ist nach Ansicht Jury der Impfbus der Charite, der in Berlin Flüchtlingsunterkünfte anfährt. Die Ärzte in dem Bus nutzen einen Online-Videodolmetscherdienst, der das Übersetzen in 50 verschiedene Sprachen ermöglicht. "In Zukunft werden wir wahrscheinlich immer wieder solche Projekte für Menschen aus fernen Ländern benötigen", sagte Gudrun Schaich-Walch.

Preisträger 2017

- Beste Idee: IV-Versorgungskonzept "Gesundes Kinzigtal" für die gemeinsam geführte elektronische Patientenakte "MyDoks"

- Umsetzung einer innovativen Idee: Qualitätsverbund Geriatrie Nord-West-Deutschland

- Sonderpreis: Impfbus der Berliner Charité

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Vernetzung der ambulanten Versorgung

Hochsauerlandkreis und Köln werden Gesundheitsregionen

Leitartikel zur turbulenten Gesetzesentstehung

Klinikreform: Gediehen im Gegenwind, aus Not geboren

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Infektionsrisiko

RKI meldet erneut Polioviren in Abwasserproben

EvidenzUpdate-Podcast

Hoffnung und Kollaps – wie Lecanemab uns herausfordert

Lesetipps
Ein sich auftürmender Geldstapel.

© Sascha Steinach/ZB/picture alliance

Finanzielle Lage der GKV

Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus

 Hausarzt Werner Kalbfleisch

© Südwest Presse / Verena Eisele

Ende eines jahrelangen Verfahrens vor den Prüfgremien

Hausarzt geht mit XXL-Regress in die Rente

Die Forschenden nahmen die langfristigen Auswirkungen der essenziellen Metalle Kobalt, Kupfer, Mangan und Zink, sowie der nicht-essenziellen Metalle Arsen, Cadmium, Blei, Wolfram und Uran auf die kognitiven Funktionen in den Blick.

© Naeblys / Getty Images / iStock

Umweltbelastung

Metalle im Urin sind mit kognitivem Abbau assoziiert