Frankreich bekämpft Ärztemangel
MVZ à la française
Um den Ärztemangel zu bekämpfen, will Frankreich gegensteuern und den Arztberuf attraktiver machen. So soll die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten gefördert werden. Das angedachte Modell erinnert an Medizinische Versorgungszentren.
Veröffentlicht:PARIS. Ab September 2020 soll der französische Numerus Clausus, der den Zugang zum Medizinstudium seit fast 50 Jahren streng begrenzt, abgeschafft werden.
Viele neue Maßnahmen sollen außerdem den Arztberuf für den Nachwuchs attraktiver machen. Derzeit berät das französische Parlament über das Gesundheitsgesetz „Ma Santé 2022“ (Meine Gesundheit 2022), das die ambulante und stationäre Versorgung modernisieren soll.
Seit 1971 wird die Zahl der Abiturienten, die nach dem ersten Studienjahr Medizin weiter studieren dürfen, durch einen harten Wettbewerb begrenzt.
Derzeit schreiben sich zum Beispiel jedes Jahr knapp 60.000 Studenten im ersten Studienjahr ein. Von denen treten jedoch nur 8000 das zweite Studienjahr an, weil es anstrengende Prüfungen zu bestehen gilt.
5000 von ihnen werden ihr Studium außerdem in Pharmazie, Zahnmedizin oder Hebammenwesen fortsetzen. Von den restlichen Studenten, die die Prüfung nicht bestanden haben, dürfen nur sehr wenige und nur ausnahmsweise diese Prüfungen ein zweites Mal wiederholen.
Das System wird seit Jahren von Lehrern und Studenten als zu selektiv kritisiert. Die vermittelten Kenntnisse seien oft rein theoretisch. Ab 2020 sollen die medizinischen Fakultäten mit der regionalen Gesundheitsbehörde zusammen entscheiden, wie viele Studienanfänger pro Region nötig sind.
Nach Berechnungen der Regierung wird dieses neue Modell die Zahl der ausgebildeten Ärzte in den kommenden Jahren um etwa 20 Prozent erhöhen. Darüber hinaus wird die praktische und klinische Erfahrung der Studenten besser berücksichtigt, um den Zugang zur fachärztlichen Weiterbildung nach dem sechsten Studienjahr zu bestimmen.
Mehrere Ärzte unter einem Dach
Im ambulanten Bereich will die Regierung die Zusammenarbeit aller niedergelassenen Gesundheitsberufe fördern. Eine kleine Revolution in einem Land, wo die meisten praktische Ärzte, sowie ein Großteil der Fachärzte immer noch allein arbeiten.
In den letzten Jahren haben Ärzte einige Hunderte sogenannte „Ärztehäuser“ gegründet, in denen drei, vier oder fünf Ärzte unter demselben Dach und mit gemeinsamen Hilfspersonal arbeiten.
Jetzt will die Regierung noch weiter gehen und Arten von „Polikliniken“ eröffnen, die auch Notdienste übernehmen können, vor allem um die dramatisch überlasteten Notaufnahmestellen der Krankenhäuser zu entlasten.
Das künftige Modell erinnert sehr an die deutschen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), deren Organisation französische Gesundheitsbehörden scheinbar stark beeindruckt hat.
Dazu sollen gut ausgebildete Arzthelferinnen den Ärzten zur Seite stehen, und selbst einige medizinische Leistungen und Untersuchungen durchführen können, was derzeit nicht erlaubt ist. Auch hier ist der Einfluss anderer europäischer Länder – insbesondere der von Deutschland – zu spüren, da diese künftigen Helferinnen auch viel mit den deutschen Medizinischen Fachangestellten (MFA) gemeinsam haben sollen.
Der Wunsch nach mehr „Ärztehäusern“ sowie „MVZ à la française“ entspricht den Forderungen der jungen Ärzte, die im Gegensatz zu den früheren Ärztegenerationen nicht mehr 60 Stunden pro Woche oder mehr allein in ihren Praxen arbeiten wollen.
Weitere Maßnahmen des Gesetzes betreffen ausländische Ärzte, die nicht aus der EU stammen. Die sind zwar oft bereits seit Jahren in französischen Krankenhäuser tätig.
Sie haben aber erhebliche Schwierigkeiten, als niedergelassene Ärzte arbeiten zu dürfen, weil sie keine in der EU anerkannte Approbation besitzen. Neue Regeln sollen ihnen ermöglichen, bessere stationäre sowie ambulante Positionen erreichen zu können, statt nur als Assistenzärzte in Krankenhäuser tätig zu sein zu dürfen.
Förderung von Telematik und Telemedizin
Letztlich soll das neue Gesetz medizinische Telematik und Telemedizin fördern. Bis 2022 sollen alle Patienten eine „EDV-Aktentasche“ besitzen, in der alle Informationen über Behandlungen, Verschreibungen und Untersuchungen gespeichert sein sollen.
In der Tat werden Patientendaten schon seit Jahren elektronischen erfasst. Sie werden aber von Ärzten und Krankenhäuser nur selten benutzt, unter anderem, weil sie neben einer sehr langen Ladezeit komplizierte Leseverfahren erfordern, kritisieren die französischen Ärzte.
Für die Förderung der Telemedizin will die Regierung Videosprechstundenanlagen in Apotheken und Pflegeheime einrichten lassen , damit Patienten von dort fernbehandelt werden können.
Weitere Punkte des Gesetzes sollen unter anderen eine bessere Vernetzung der Krankenhäuser innerhalb der verschiedenen Regionen Frankreichs ermöglichen, und betreffen auch den Berufsstatus einiger Krankenhausärztegruppen.