Praxisnetze sind für KBV Innovationsmotor

Praxisnetze sollen stärker in die Regelversorgung eingebunden werden, fordert die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Bisher bleibt der wirklich große Erfolg der Netze aus - warum eigentlich?

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Vernetzung: Die KBV baut darauf in der Regelversorgung.

Vernetzung: Die KBV baut darauf in der Regelversorgung.

© Stefan Rajewski / Fotolia.com

BERLIN. Nach Ansicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sollten Praxisnetze im Kollektivvertrag verankert werden. Schließlich schulterten diese Netze eine große Verantwortung für eine patientennahe Versorgung.

"Die Vernetzung sollte zum Normalfall werden, und zwar in und zwischen den Sektoren", sagte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler anlässlich der Eröffnung einer KBV-Messe in Berlin.

Um Netze stärker in die Regelversorgung einzubinden, fordert die KBV "eine gesetzliche Aufgabenzuweisung an die Bundesmantelvertragspartner" - in diesem Fall der Spitzenverband der Krankenkassen.

Dies sollte nach Möglichkeit bereits in dem von der schwarz-gelben Koalition geplanten Versorgungsgesetz verankert werden. Davon verspricht sich die KBV mehr fachübergreifende Versorgung und stärker "pfadgestützte" Behandlungsabläufe.

Auch könnten so einheitliche IT-Anforderungen besser formuliert werden. Um diese Kooperationsformen zu fördern, müssten außerdem spezielle Vergütungsregeln eingeführt werden, forderte Köhler.

Derzeit gebe es etwa 600 bis 800 Praxisnetze, in denen 20.000 Ärzte aktiv seien, sagte KBV-Vize Dr. Carl-Heinz Müller. Praxisnetze hätten "Pionierarbeit" geleistet und seien ein Innovationsmotor in der Verbindung zwischen Praxis und Klinik.

Nach 15 Jahren Erfahrung mit Praxisnetzen zeige sich eine "vielfältige Netzlandschaft", in der Ärzte untereinander und mit Kliniken kooperierten.

Der NAV Virchow-Bund machte jedoch kürzlich noch große Unterschiede zwischen den Ärztenetzen aus. Einige seien inzwischen so weit entwickelt, dass diese bereits Verträge mit einigen Kassen abgeschlossen hätten. Andere befänden sich um Zustand "loser Verbindungen oder Vereinen".

20 große Ärztenetze und Gesundheitsverbünde hatten sich Anfang April in Berlin mit dem NAV-Virchow-Bund zusammengeschlossen, um ihre Interessen und Kompetenzen in Zukunft in einer Netz-Agentur zu bündeln. Politisches Ziel der Aktivitäten sei es, für die Netze und Verbünde im geplanten Versorgungsgesetz den Status von Leistungserbringern zu erreichen.

Nach Ansicht des Nürnberger Arztes Dr. Veit Wambach von der "Genossenschaft Qualität und Effizienz" bleibt ein umfassender Erfolg einiger Ärztenetze auch aufgrund der politischen Situation aus. Diese habe in der Vergangenheit "Ärztenetze verhindert".

Andere Systeme seien von den Kassen beim Abschluss von Verträgen "bevorzugt" worden. Allerdings erforderten die Netzstrukturen einen "besonderen organisatorischen Aufwand". Deshalb sei Planungssicherheit wichtig. "Daher ist eine bessere Verknüpfung von Arztnetzen und Kollektivvertrag notwendig", betonte Wambach.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 05.05.201109:31 Uhr

Das berufspolitische Potential der Netze nutzen!

Die durch die KBV aktualisierte Diskussion um die Vorzüge der Vernetzung, 20 Jahre nachdem die Idee geboren und 15 Jahre nachdem das erste Netz in Deutschland mit erheblichem Aufwand und engagierten Mitgliedern gegründet worden ist, ist zugleich ein Symptom für versäumte berufspolitische Strategien, denn die örtlich flächendeckende Zusammenschlüsse haben - wenn gut geführt - einen besseren Zusammenhalt als Fachgruppen- und andere Verbände. Um die viel beklagte Uneinigkeit der Ärzteschaft zu überwinden und aus Konkurrenten wieder Kollegen zu machen, sind Netze die geeignete Organisationsform.

Die Frage, warum dies nicht früher erkannt wurde, deckt mehrere fatale Ursachen auf:
Vielfach verfolgten die Hausarztverbände eine eigene Strategie und wollten sich nicht oder nur zu ihrem Vorteil einbinden lassen (jüngste und wiederholte Äußerungen aus dem bayerischen Hausärzteverband bestätigen die Persistenz dieser Einstellung). Auf der anderen Seite ging es vielen Fachärzten zu gut, um sich in Netze einbinden zu lassen, zumal nicht selten der Fehler begangen wurde, alten Fachgruppenstreit auf der neuen Ebene fortzusetzen.
Zweiter Grund bisherigen Misserfolges war vielerorts die prioritär kommerzielle Ausrichtung der Netze, die dann doch eine Abhängigkeit von den Zahlmeistern ergab. Die Krankenkassenchefs haben dies viel früher erkannt, als die Ärzte selbst, so lud Ersatzkassenchef Rebscher den Netzvorstand Rendsburg zu einem Syltwochenende ein, um Erkenntnisse zur ärztlichen Mentalität zu gewinnen und für eigene Strategien zu nutzen.
Drittens waren es aber nicht zuletzt die KVen selbst, die nach anfänglicher Euphorie eine außerparlamentarische Kraft herauf ziehen sahen, die irgendwann Wahlen bestimmen und Positionen in der Selbstverwaltung beanspruchen würde. Die in Sorge wachsamen Amtsinhaber waren ja größtenteils selbst über die Stufenleiter von Verbänden und Laborgemeinschaften ins Amt gekommen und wussten, wie persönliches Ansehen und Wahlen organisiert werden müssen. Diese Entwicklung müssen die hauptamtlichen Vorstände nun weniger fürchten.

Alles in allem wurde das berufspolitische Potential der Netze, noch dazu in schwerer Zeit, sträflich vernachlässigt.

Für die Zeit nach Rösler und eine weniger den Ärzten geneigte Gesundheitspolitik gilt es aber nun dringlich, die Speere zu schärfen.
Dazu sind die Netze die ideale Organisation, wenn bestimmte Fehler vermieden werden: Es darf kein Flickerlteppich unterschiedlichster Verträge mit den Krankenversicherungen entstehen, mit denen die Netze gegeneinandere ausgespielt werden können. Die begrenzten Möglichkeiten der Vertragsfähigkeit durch das SGBV sind zu beachten. Netze ohne Inhalte sind eine leere Hülle und schlechter als gar keine.
Es sind vor allem Strukturen zu organisieren, die den Patienten
sichtbar nützen (dann lässt sich das Rad nur schwer zurück drehen). Machtpositionen dürfen weder verbal noch in praxi überzogen werden, anders ausgedrückt, man darf zwar für den äußersten Notfall an Streik denken, aber nie damit drohen.

Schließlich bedarf es einer berufspolitischen Schulung der Ehrenämtler in den Netzvorständen. Damit könnten KBV und KVen schon mal anfangen.

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