Krebs
Erste onkologische Praxis wird 40
Vor 40 Jahren gab es das Konzept der umfassenden ambulanten Betreuung von Krebspatienten in Deutschland noch nicht. Ein Hamburger Arzt leistete Pionierarbeit.
Veröffentlicht:HAMBURG. Für jeden Patienten die bestmögliche Behandlung – das funktioniert für onkologische Patienten auch ambulant. Als vor 40 Jahren in Hamburg-Altona die erste deutsche hämato-onkologische Praxis gegründet wurde, schien dieser Anspruch vielen Experten noch vermessen. Heute gibt es viele Nachahmer.
Das Modell der umfassenden ambulanten Betreuung hatte Prof. Ulrich Kleeberg in den 1970-er Jahren in den USA kennengelernt. In Deutschland gab es das Modell mit Experten unterschiedlicher Fachrichtungen damals noch nicht. Kleeberg gründete eine solche Praxis in der Nähe des Altonaer Bahnhofs.
Stabilität durch das gewohnte Umfeld
Das Konzept mit mehreren Praxen und einer Praxisgemeinschaft unter einem Dach ermöglichte vielen Patienten eine Krebstherapie im gewohnten Umfeld, statt im Krankenhaus. Für die Betroffenen wurde das Leben mit der Erkrankung damit erträglicher. Sie erhielten innere Stabilität im Kampf gegen den Krebs, ohne qualitative Abstriche in der Versorgung machen zu müssen.
Die Einrichtung existiert heute unter dem Namen Hämatologisch-Onkologische Praxis-Altona (HOPA) und ist längst eine der wichtigsten Adressen für Krebspatienten in der Hansestadt – auch wenn sie vor zehn Jahren aus Platzgründen ihren Standort innerhalb Altonas in das Ärztezentrum Struensee-Haus verlagert hat.
Dort arbeitet Kleeberg noch immer, insgesamt sind es inzwischen zwölf Ärzte auf 7,5 Kassenarztsitzen, die zur HOPA gehören. Es sind Hämatologen und Onkologen, gynäkologische Onkologen, Gynäkologen, Labormediziner, Transfusionsmediziner und Internisten. Sie werden unterstützt von anderen Berufsgruppen wie Ökotrophologen, MFA mit onkologischer Zusatzqualifikation und Pflegewissenschaftlern. Komplettiert wird das Angebot im Struensee-Haus durch die anderen selbstständigen Mieter, darunter sind Strahlentherapeuten, Nephrologen, Pneumologen, Rheumatologen, Radiologen.
Interdisziplinäre Fallkonferenzen
Das Haus gehört inzwischen allen Mietern gemeinsam. Die HOPA selbst ist heute eine MVZ GmbH, deren sechs Gesellschafter als Ärzte in der Einrichtung tätig sind. Für das Management zeichnet Hämatologe und Onkologe Dr. Erik Engel verantwortlich, der schon als Medizinstudent in den 1980-er Jahren erste Kontakte zu Kleeberg hatte und 1989 als Weiterbildungsassistent in die Einrichtung kam. Anschließend arbeitete er zunächst im Krankenhaus, bevor Kleeberg ihn 2001 zurückholte.
"Ich kam damals in eine seit 25 Jahren bestehende Praxis und dachte, jetzt geht alles seinen Gang", erinnert sich Engel im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Doch es kam anders.
Die Therapie erforderte immer mehr interdisziplinäre Kooperation und zunehmend aufwendigere Diagnostik mit CT, MRT und Strahlenbeschleuniger. Um den Patienten all das unter einem Dach bieten zu können, waren ein Umzug und ein organisatorischer Zusammenschluss der in Einzelpraxen gestarteten Kooperationspartner erforderlich. Der Umbruch vor zehn Jahren war alles andere als ein Selbstgänger. "Wir wussten nicht, ob das Konzept aufgehen würde", sagt Engel rückblickend.
Es funktionierte, sowohl für die HOPA als auch für die anderen Mieter im Struensee-Haus. Rund 12.300 Patienten kommen jedes Quartal in die Einrichtungen des Ärztezentrums, in dem inzwischen 167 Mitarbeiter arbeiten – davon allein 95 in der HOPA.
Jeden Montag gibt es dort interdisziplinäre Fallkonferenzen, in denen über den weiteren Verlauf der Therapien beraten wird. Auch eine Tagesklinik gehört inzwischen zum Konzept, im Jahr 2009 wurde außerdem die spezialisierte ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV) etabliert.
Kliniken als Konkurrenz
Auch mit Kliniken wird kooperiert, da zehn bis 15 Prozent der Patienten stationäre Aufenthalte benötigen. Die hohe Klinikdichte in der Hansestadt bietet eine Auswahl an unterschiedlichen Schwerpunkten. "Wenn eine stationäre Aufnahme erforderlich ist, wählen wir das Krankenhaus ausschließlich nach fachlichen Gesichtspunkten für den jeweils erforderlichen Eingriff aus", sagt Engel.
Doch Kliniken sind zugleich auch Konkurrenten, da sie längst auch ambulante Konzepte anbieten. Für die Zukunft wünscht sich Engel, der sich berufspolitisch im Berufsverband seiner Fachgruppe engagiert, gleiche Wettbewerbsbedingungen – unabhängig davon, ob ein niedergelassener Arzt oder ein Klinikkonzern Träger der jeweiligen Einrichtung ist.