Beihilfe: Jetzt entscheidet der Einzelfall

Patienten können Beihilfe für wissenschaftlich nicht anerkannte Therapien auch dann erhalten, wenn die Wirksamkeit nur für ihren Fall bescheinigt wird.

Von Markus Finn Veröffentlicht:
Bislang stellten sich Beihilfeträger in Sachen Kostenerstattung für alternative Therapien gerne quer, ein Gerichtsbeschluss setzt neue Akzente.

Bislang stellten sich Beihilfeträger in Sachen Kostenerstattung für alternative Therapien gerne quer, ein Gerichtsbeschluss setzt neue Akzente.

© NSADCO / imago

BERLIN. Bei wissenschaftlich noch nicht anerkannten Therapien verweigern nicht nur private Krankenversicherer gerne einmal die Kostenübernahme. Auch Beihilfeträger stellen sich oft quer. Bislang konnten sie das in vielen Fällen auch.

Doch nun stellt ein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) klar, dass wissenschaftlich noch nicht anerkannte Therapien durchaus beihilfefähig sind. Damit haben verbeamtete Patienten Anspruch auf Kostenerstattung.

Bislang machte es die Gesetzeslage den Beihilfeträgern recht einfach. Denn es galt der Grundsatz: Beihilfefähig sind nur medizinisch "notwendige" Aufwendungen. Daher wurde für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Therapien grundsätzlich keine Beihilfe geleistet.

Beihilfeberechtigte mussten die Kosten also selbst tragen. Jedoch konnte und kann die Fürsorgepflicht des Dienstherrn durchaus Ausnahmen gebieten: Hat sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode bei einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet, darf ein anerkanntes Heilverfahren beim Patienten nicht angewendet werden oder wurde ein solches bereits ohne Erfolg durchgeführt, konnten auch bisher Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilbehandlungen beihilfefähig sein.

Diese Ausnahme verband das BVerwG allerdings mit einer zusätzlichen Forderung: Eine solche Behandlungsmethode müsse nach einer medizinischen Erprobungsphase noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden können. Und - nun kommt der entscheidende Teil - hierfür sei eine begründete Erwartung auf wissenschaftliche Anerkennung notwendig.

Zumindest müssten bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann (BVerwG, Urteil v. 18.06.1998, Az.: 2 C 24/97).

Unerheblich war bislang die Frage eines therapeutischen Erfolgs im Einzelfall, da dem Beihilferecht eine Erfolgsabhängigkeit fremd ist.

Von dieser zusätzlichen Forderung ist das BVerwG nun abgekommen (Beschluss vom 19.01.2011, Az.: 2 B 76/10). Für eine TCM-Heilkräutertherapie entschied das Gericht ganz klar, dass Aufwendungen auch dann beihilfefähig seien, wenn die Wirksamkeit der angewendeten Heilmethode aufgrund medizinischer Gutachten feststehe, während die zuvor angewendeten schulmedizinischen Methoden fehlgeschlagen seien.

Dabei sei eine Aussicht auf wissenschaftliche Anerkennung der Therapie nicht nötig, wenn der konkrete Wirksamkeitsnachweis erbracht sei. Für diesen Nachweis im Einzelfall gilt nach dem vorangegangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg allerdings ein strenger Prüfungsmaßstab. Der VGH maß hierbei einem amtsärztlichen Gutachten besondere Bedeutung zu.

Wichtig für Ärzte ist daher, dass sie bei der Anwendung wissenschaftlich nicht allgemein anerkannter Therapiemethoden den Patienten über mögliche Probleme bei der Kostenerstattung aufklären.

Eine Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung besteht, wenn die medizinische Notwendigkeit erkennbar zweifelhaft ist oder der Arzt weiß, dass eine Erstattung durch die Beihilfestelle (oder auch PKV) Probleme bereiten wird.

Der Arzt kann den Patienten zudem durch eine Bescheinigung über die wirksame Anwendung der - ausschließlich indizierten - wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Therapie unterstützen.

Zur Person: Dr. Markus Finn ist selbstständiger Rechtsanwalt in Berlin und im Medizinrecht tätig; www.zivilrecht-kanzlei.de

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