Rauchbombe E-Zigarette

Arzneimittel oder nicht? E-Zigaretten sind immer öfter ein Fall für die Gerichte. Erneut hat sich ein Hersteller durchgesetzt, mit prominenter Hilfe eines Bundespolitikers. Allerdings hat das Urteil kuriose Seiten.

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Die E-Zigarette hat wieder einen Erfolg vor Gericht gelandet.

Die E-Zigarette hat wieder einen Erfolg vor Gericht gelandet.

© Marcus Brandt / dpa

KÖLN/BERLIN (nös). Wieder ein Etappensieg für die E-Zigaretten: Erneut hat ein Verwaltungsgericht zugunsten der Elektrokippen entschieden.

Im konkreten Fall urteilte das Verwaltungsgericht (VG) Köln am Montag, dass drei bestimmte Nikotinliquids der Marke SuperSmoker keine Arzneimittel und ein Inhaler derselben Marke kein Medizinprodukt sind.

Geklagt hatte der Hersteller SuperSmoker und dessen Händler Moor and More gegen die Bundesrepublik Deutschland - im Speziellen gegen das für die Zulassung von Arzneimitteln zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Rechtlichen Beistand hatten die Kläger von Dr. Gregor Gysi, seines Zeichens nicht nur Anwalt, sondern auch Fraktionschef der Linken im Bundestag.

Bezug auf einen Präzedenzfall

Bereits Anfang 2011 wurde die Klage eingereicht, "vorbeugend", wie Alexander Götz, Firmensprecher von Moor and More, sagt. "Die langfristige Existenz auf dem Markt war unsere Intention für die Klage."

Kurios an dem Urteil: Eingereicht wurde die Klage "lediglich" als Antrag auf "negative Feststellung". Die Richter sollten entscheiden, ob das BfArM weiterhin behaupten darf, E-Zigaretten seien Arzneimittel.

Die Behörde hatte in der Vergangenheit in zwei anderen Fällen auf Antrag entschieden, dass es sich bei den damals betroffenen Nikotinliquids um Arzneimittel handelt. Die Begründung damals: Das Nikotin habe eine pharmakologisch-physiologische Wirkung.

Für Produkte der Kläger im jetzigen Fall hatte das BfArM allerdings keinerlei Zulassungs- oder Prüfanträge vorliegen.

Nun haben die Richter des VG Köln allerdings gar nicht über den Antrag als solchen entschieden, sondern direkt eine Einordnung der Produkte vorgenommen.

"Im Übrigen wir festgestellt, dass die Produkte ... keine Arzneimittel sind, und dass das Produkt ... kein Medizinprodukt ist", heißt es in dem Urteil.

Zur Begründung gaben die Richter zu bedenken, dass Nikotin zwar als Arzneistoff eingesetzt werden könne, bei E-Zigaretten aber die therapeutische Zweckbestimmung fehle.

Präsentation oder Funktion?

Die Richter haben insofern die Bestimmung des Präsentationsarzneimittels aus Paragraf 2 Absatz 1 Ziffer 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) aufgegriffen. Danach ist ein Stoff dann ein Arzneimittel, wenn er "zur Heilung oder Linderung ... menschlicher ... Krankheiten bestimmt" ist.

Das ist freilich bei E-Zigaretten nicht der Fall. Allerdings kennt das AMG ebenso wie die europäische Humanarzneimittelrichtlinie noch die weitere Definition des Funktionsarzneimittels.

Das ist ein Stoff nach Ziffer 2 des gleichen Absatzes in Paragraf 1 dann, wenn er im "menschlichen Körper angewendet" werden kann, um unter anderem "die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische ... Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen".

Das hingegen würden die meisten Pharmakologen Nikotin sicherlich zusprechen. Schlicht die Juristen sind sich bei dieser Definition bislang uneins.

So wundern sich denn auch Experten über die eindeutige juristische Zuordnung des VG Köln. Die Frage, die im Raum steht: Warum haben die Richter sich so weit vorgewagt und sich nicht auf den Antrag beschränkt?

Vom BfArM heißt es derweil offiziell nur, man prüfe das Urteil noch. Der Vorsitzende des Verbandes des eZigarettenhandels, Dac Sprengel, vermutet, "dass die Richter eine generelle Aussage zu E-Zigaretten treffen wollten".

Durchsuchungen und Ermittlungsverfahren

Andere tun sich damit nicht so leicht: Die Politik versucht spätestens seit Ende vergangenen Jahres, Stellung zu den Elektrokippen zu beziehen. Richtig gelungen ist ihr das bislang nicht. Das Problem ist der Föderalismus. Zuständig für die Überwachung von Arzneimitteln sind die Länder.

Vorgeprescht war im Dezember die nordrhein-westfälische Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens von den Grünen. Öffentlich warnte sie vor den E-Zigaretten und bezeichnete sie als Arzneimittel.

In der Folge kam es bundesweit zu Durchsuchungen und Beschlagnahmungen bei Herstellern und Händlern. Wobei unklar ist, wer Henne und wer das Ei ist.

Federführend bei etlichen Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Sie ermittelt in rund 30 Fällen wegen des unerlaubten Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln.

Vorangegangen war eine Beschlagnahmung des Zolls am Frankfurter Flughafen Anfang des Jahres. Dort wurden zahlreiche Nikotinliquids sichergestellt, die an etliche Händler im Bundesgebiet ausgeliefert werden sollten.

Zuletzt kam es im niedersächsischen Wunstorf bei einem Hersteller zu einer Razzia. Dort wurden 28.000 Nikotinfläschchen für E-Zigaretten sichergestellt.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft beruft sich bei ihren Ermittlungen ebenfalls auf den Präzedenzfall des BfArM aus dem Jahr 2009. Daraufhin hatte das dortige Landgericht im Februar beschlossen, dass die E-Zigarette kein Genussmittel sei.

Dem "Dampfer" käme es schließlich auf die Wirkung des Nikotins an, hieß es zur Begründung. Die Richter verwiesen somit auf die Definition des Funktionsarzneimittels und genehmigten die Durchsuchungsaktion.

Schutzbestimmung für neue Produkte

Auch die Bundesregierung hatte jüngst zu erkennen gegeben, dass sie die Nikotinliquids als Arzneimittel einstuft. Sie berief sich bei ihrer Bewertung auf die damaligen BfArM-Einschätzungen und gab zu Bedenken, dass "diese Grundsätze auf vergleichbare Produkte nikotinhaltiger E-Zigaretten" übertragbar sind.

Die Zuordnung der Produkte unter das AMG entspreche dessen Schutzbestimmung, die auch für neuartige Produkte gelte, so das Argument.

Allerdings merkt man selbst im Gesundheitsministerium an, dass die Diskussion um die Elektrostängel noch nicht abgeschlossen sei. Ein Gutachten soll nun etwas mehr Licht ins Dunkel bringen.

In einem Brief an die E-Zigaretten-Händler räumte der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium jüngst außerdem ein, dass das BMG qua Grundgesetz gar nicht für den Gesetzesvollzug zuständig ist. Das ist Aufgabe der Länder.

Und so steigt mächtig Rauch auf in der Diskussion um die E-Zigarette. Juristen werden bemüht, Gerichte angerufen, Studien vorlegt - mal weniger, mal besser fundiert.

Bei allem stellt sich die Frage nach dem Arzneimittelbegriff. Für die Hersteller und Händler hätte die Zuordnung fatale Folgen: sie dürften ihre Produkte schlicht nicht mehr verkaufen.

Selbst, wie oft behauptet, in der Apotheke dürften sie die E-Zigaretten und deren Liquids nicht abgeben, da den Produkten schlicht die Zulassung fehlt. Jeder Handel wäre letztlich ein strafbarer Verstoß.

Schlimmer noch: Die Händler würden zudem gegen das Apothekengesetz verstoßen. Denn Arzneimittel darf nur abgeben, wer Apotheker ist und eine Apothekenerlaubnis hat. Außerdem hätten die Händler gegen die einschlägige Versandhandelsbestimmung verstoßen.

Auch gegen das Heilmittelwerbegesetz hätten die Händler verstoßen, würden ihre Produkte als Arzneimittel eingeordnet. Denn Werbung für Arzneimittel wäre allein dann schon unzulässig, wenn das Produkt keine gültige Zulassung besitzt.

Eine weitere Hürde wäre die Definition der Inhaler, also der Geräte, die die Liquids verdampfen, als Medizinprodukt. Käme es so, müssten die Hersteller zahlreiche neue Bestimmungen beachten, etwa ein CE-Siegel beantragen.

Hoffnungsschimmer EU-Kommission

Für die Elektrozigarettenindustrie wäre das eine Katastrophe. Deswegen verlangen sie eine eindeutige Klärung. "Es muss eine grundlegende Regelung her, damit die E-Zigarette auch weiterhin gehandelt werden darf", sagt VdeH-Chef Sprengel.

Und: "Es gibt ein Bedürfnis in der Bevölkerung." Zwei Millionen Bundesbürger seien bereits E-Dampfer, schätzt er.

Sprengels Hoffnung ruht unter anderem auf der EU-Kommission. Dort wird derzeit beraten, ob E-Zigaretten und deren Liquids nicht besser unter die Tabakrichtlinie der EU fallen sollten.

Sprengel räumt außerdem ein: "Nikotinliquids können natürlich gefährlich sein, deswegen brauchen wir für sie auch Obergrenzen." Frankreich ist bereits vorgeprescht. Dort gelten 20 Milligramm Nikotin je Milliliter Liquid als Obergrenze.

Die deutsche Industrie hat sich die Grenze zu eigen gemacht und sich als Selbstbeschränkung auferlegt. Sprengel: "Wir sind schließlich keine Drogenhändler."

Eine weitere Hoffnung der Hersteller sind die nächsten Instanzen im Klageprozess. Im konkreten Fall hat das VG Köln die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) zugelassen.

Beide Parteien haben bis Anfang Mai Zeit, einen entsprechenden Antrag bei Gericht einzureichen. Bis dahin ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Händler hatten noch vor Gericht eine Sprungrevision zum Europäischen Gerichtshof vorgeschlagen.

Das BfArM habe das abgelehnt, sagt Götz von Moor and More. Er erwartet allerdings, dass die Behörde die Berufung zum OVG beantragt.

Dort wird in den nächsten Wochen außerdem über einen weiteren Antrag eines E-Zigaretten-Herstellers verhandelt.

Er hatte gegen das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium geklagt, da Ministerin Barbara Steffens E-Zigaretten öffentlich als Arzneimittel bezeichnet hatte.

Vergangene Woche hatten die Richter des OVG in einem "rechtlichen Hinweis" an die Verfahrenbeteiligten durchblicken lassen, dass sie die Auffassung des Herstellers teilen, E-Zigaretten seien keine Arzneimittel.

Az.: 7 K 3169/11

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