Urteil
Nur begrenzter Schutz vor Schmähkritik
KARLSRUHE. Eine Anwaltskanzlei muss sich unter Umständen die Bezeichnung als "Winkeladvokatur" gefallen lassen. Das hat im Streit um einen Arzthaftungsprozess das Bundesverfassungsgericht entschieden. Und damit gezeigt, dass man sich nur bedingt gegen Schmähkritik, die den eigenen Berufsstand betrifft, wehren kann.
Der Beschwerdeführer hatte eine Patientin gegen mehrere Zahnärzte vertreten. Diese waren in einer gemeinsamen Praxis tätig; zwei davon wurden gemeinsam von einem Anwalt vertreten. Der Patientenanwalt warf dem Kollegen Interessenkonflikte vor, weil er beide Ärzte vertritt: Er könne nur einen seiner Mandanten wirksam verteidigen.
In einer E-Mail aus einem berufsständischen Verfahren an die Anwaltskammer hatte er die Kanzlei des gegnerischen Anwalts daher als fragwürdige "Winkeladvokatur" bezeichnet. Diese Mail gab er auch als Anlage zu einem Schriftsatz den Beteiligten des Arzthaftungsprozesses zur Kenntnis.
Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) Köln verurteilten den Patientenanwalt noch auf Unterlassung. Er dürfe weder seinen Kollegen als "Winkeladvokaten" noch dessen Kanzlei als "Winkeladvokatur" bezeichnen. Die Äußerung sei unangemessen und unnötig, so das OLG zur Begründung.
Nur berufliche Ehre herabgesetzt
Das Bundesverfassungsgericht sah das anders: Kritik müsse sich nicht auf das Notwendige beschränken. Vielmehr müsse umgekehrt "die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden".
Zudem setze der Vorwurf des Winkeladvokaten nicht die gesamte Person, sondern nur die berufliche Ehre herab. Eine generell unzulässige Schmähkritik liege dabei nicht vor. Denn der Patientenanwalt habe seine Meinung sachlich begründet.
Über den Streit soll danach nun das OLG Köln neu entscheiden. Es müsse dabei auch berücksichtigen, dass der Vorwurf des Winkeladvokaten nicht öffentlich, sondern zunächst nur gegenüber der Rechtsanwaltskammer erhoben und danach nur den Prozessbeteiligten zur Kenntnis gegeben wurde, betonten die Karlsruher Richter. (mwo)
Az.: 1 BvR 1751/12