Gynäkologen-Prozess

Vaginalfotos in "Best of" und "VIP" unterteilt

Im Intimfoto-Prozess gegen einen Gynäkologen haben jetzt die Ermittler vor Gericht ausgesagt: Ihren Angaben zufolge hat der Angeklagte insgesamt 450.000 Bilder vom Genitalbereich seiner Patientinnen gespeichert - und jedes einzelne akribisch klassifiziert.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Der angeklagte Gynäkologe hat laut Angaben der Polizeibeamten die heimlich geschossenen Intimfotos seiner Patientinnen sowohl in der Praxis als auch Zuhause aufbewahrt.

Der angeklagte Gynäkologe hat laut Angaben der Polizeibeamten die heimlich geschossenen Intimfotos seiner Patientinnen sowohl in der Praxis als auch Zuhause aufbewahrt.

© Daniel Reinhardt/dpa

FRANKENTHAL. Zu einem Datenvolumen von 900 Gigabyte haben sich laut ermittelnden Polizeibeamten die Bilder angehäuft, die der 58-jährige Gynäkologe Joachim K. binnen dreier Jahre heimlich vom Vaginalbereich seiner Patientinnen in seiner Praxis in Schifferstadt angefertigt und archiviert haben soll.

Insgesamt seien bei der Praxisdurchsuchung im Sommer 2011, die nach einer Anzeige der Praxismitarbeiterinnen gerichtlich erwirkt worden war, zwischen 380.000 und 450.000 Bilder auf verschiedenen Datenträgern sichergestellt worden.

Dies haben die Ermittler am Dienstag im Zeugenstand vor dem Frankenthaler Landgericht berichtet.

Aufzeichnungen erleichterten Zuordnung der Fotos

Der überwiegende Teil seien Duplikate gewesen. Die Zahl der Originalaufnahmen gaben die Beamten mit 36.000 Aufnahmen an.

Dazu wurden akribisch angefertigte handschriftliche Aufzeichnungen auf Kalenderblättern zu den Foto-Dateien sichergestellt, die der Frauenarzt zwischen März 2008 und Juli 2011 angefertigt haben soll.

Außerdem über 60 Videosequenzenzen von Vaginaluntersuchungen. Der Arzt sei bei der Durchsuchung der Praxis sehr aufgeregt gewesen und habe auf Anraten der Polizisten einen Anwalt hinzugezogen.

Sein Kommentar sei damals gewesen: " Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe". Daraufhin habe er geschwiegen.

Seit Anfang September muss sich der Frauenarzt aus Schifferstadt, der seinen Beruf nicht mehr ausübt, wegen sexuellen Missbrauchs in zehn Fällen durch medizinisch nicht indizierte Untersuchungstechniken und "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" in 1471 Fällen verantworten.

Bilder waren in verschiedenen Verzeichnissen gesichert

Der leitende Ermittler berichtete vor Gericht von der akribischen Ermittlungsarbeit, um die ungeheuren Datenmengen den jeweiligen Patientinnen zuordnen zu können. Das Bildmaterial wurde in der Praxis und in der Privatwohnung des Gynäkologen auf den Arbeitsplatzrechnern, auf Laptops, externen Festplatten, CD und USB-Sticks gefunden.

Es war nach Aussagen der polizeilichen Ermittler chronologisch geordnet und die einzelnen Bildern mit Kürzeln versehen und in verschiedenen Verzeichnissen gesichert.

Die Dateien seien auch mit bestimmten Merkmalen wie z. B. VIPS , HL (nach Vermutung des Ermittlers könnte dies Highlights bedeuten) oder Best of gekennzeichnet gewesen, außerdem ließen sie Rückschlüsse auf die Herkunft der Patientinnen zu wie etwa die Kürzel "tü" für türkisch oder "thai" für thailändisch.

Neben dem Bildmaterial von Patientinnen , die alle denselben Inhalt hatten, nämlich die Darstellung des Vaginalbereichs beziehungsweise Szenen mit entblößten Körperteilen habe man auch aus dem Internet heruntergeladenes Bildmaterial wie Sadomaso-Darstellungen und "Bondage-Bilder" gefunden, erklärte der Zeuge.

1556 geschädigte Patientinnen stellten Strafantrag

6800 Bilder von Patientinnen seien von März bis Mai 2008 mit einem Handy-Foto gemacht worden, die Folgenden mehr als 30.000 bis Sommer 2011 mit einer Digitalkamera.

Da man davon ausgehen musste, dass die in der Praxisdatei erfassten 2500 Patientinnen alle fotografiert worden sein könnten, habe man zunächst alle dazu schriftlich befragt und die anhand des Bildmaterials und Dokumentation des Arztes infrage kommenden Geschädigten zur Identifizierung des Bildmaterials vorgeladen.

Dies geschah ausschließlich durch weibliche Beamte und unter strenger Wahrung der Intimsphäre der Zeuginnen, so der Ermittlungsbeamte.

1556 Frauen haben schließlich einen Strafantrag gestellt. 186 haben darauf verzichtet, weil "sie Angst hatten und die Sache möglichst schnell vergessen wollten", so der Beamte.

Türkische Ehemänner drohten Frauen mit Mord

Er berichtete von großer Aufregung unter den Patientinnen, die ihm die vernehmenden Beamtinnen geschildert hätten. Einige Frauen seien zusammengebrochen oder hätten Weinkrämpfe bekommen, eine andere sagte, das sei sexueller Missbrauch gewesen.

Im Gespräch mit der Ausländerbeauftragten, an die sich die muslimischen Patientinnen gewandt hatten, habe er erfahren, dass deren Ehemänner drohten, sie umzubringen oder in die Türkei zu schicken, wenn sie unter den fotografierten Patientinnen seien.

Unter den Frauen, von denen während der Vaginaluntersuchung Videosequenzen angefertigt worden waren, sei der Anteil an Ausländerinnen besonders hoch gewesen, bestätigte der Ermittler auf Nachfrage der Staatsanwältin.

Von den 60 sichergestellten Videosequenzen sind 31 zur weiteren Beurteilung an einen medizinischen Gutachter gegangen, weil sie von den ermittelnden Beamtinnen als auffällig hinsichtlich nicht üblicher Untersuchungspraktiken eingeschätzt worden waren.

Keine Hinweise, dass die Bilder ins Internet gestellt wurden

Die Frage, ob die Untersuchungstechniken lege artis waren, hat der medizinische Gutachter vor Gericht bislang nicht eindeutig beantwortet. Nun ging es um die Frage, ob die Frequenz der Aufnahmen eine zunehmende Dynamik aufgewiesen hat.

Die Praxismitarbeiterinnen hatten geschildert, dass die Sekretschublade unter dem gynäkologischen Stuhl, in der die Kamera lag, gerade in den letzten Monaten immer häufiger auf-und zugezogen worden sei.

Außerdem sei ihr Chef immer aggressiver und unkonzentrierter geworden. Nach seinem Eindruck habe sich die Frequenz ab 2009 zunächst schleichend entwickelt, im Jahre 2011 jedoch zugenommen, so der Ermittler.

Auf die Frage eines der Anwälte der Geschädigten, von denen elf als Nebenklägerinnen im Frankenthaler Prozess auftreten, ob die Bilddateien von den Patientinnen ins Netz gelangt sein könnten, sagte der Ermittler: Es gebe keine Hinweise dafür, dass die Bilder von dem Arzt bearbeitet , ins Internet gestellt oder per E-mail versandt worden sein könnten, betonte der Ermittler.

War Gynäkologe im illegalen Waffenbesitz

Auf Antrag der Verteidigung des Angeklagten wurde die Öffentlichkeit bezüglich der Sicherstellung von Gegenständen aus dem Privatbereich des Arztes, "die die Intim- und Sexualsphäre des Arztes betreffen" ausgeschlossen.

Vorher hatte der ermittelnde Beamte geschildert, dass im Schlafzimmer des Arztes zwei Revolver mit Munition, die waffenrechtlich nicht genehmigt gewesen seien, sowie ein Schlagring sichergestellt worden seien.

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Kommentare
Dr. Christoph Luyken 25.09.201322:37 Uhr

Patientinnen werden erst jetzt geschädigt!

Zweifellos handelt es sich bei dem angeklagten Gynäkologen um einen neurotischen Menschen, der Unnormales getan hat und Hilfe braucht.
Den Patientinnen, deren Körperteile photographiert worden sind, hat er aber zunächst nicht wirklich geschadet. Es ist sogar gar nicht einmal sicher, ob er gegen geltendes Recht verstoßen hat, denn er hat die Photos nicht veröffentlicht und nur das ist eindeutig strafbar. Man versucht jetzt offenbar, ihn auf der Grundlage des § 201 a StGB zu belangen, was durchaus fragwürdig ist in diesem Fall.
Den armen Frauen aber entsteht Schaden erst jetzt durch die Ermittlungen und das Gerichtsverfahren - und das in erschreckendem Maße, wie der Artikel eindrucksvoll zeigt! Scham, Verletzung der Intimsphäre durch Dritte, peinliche Fragen, bis hin zur massiven Bedrohung, wie das Schicksal der muslimischen Patientinnen zeigt, all das wäre ihnen erspart geblieben, wenn man auf die polizeilichen Ermittlungen verzichtet hätte. Die "Verletzung des höchspersönlichen Lebensbereiches" erfolgt hier durch die Beamten; denn die Untersuchung in der Arztpraxis ist ein Vorgang der einer besonderen Intimsphäre unterliegt, deshalb mit viel weniger Schamgefühl verbunden ist und darum ein besonders schützenswertes Gut ist. So etwas darf doch nicht nachträglich öffentlich gemacht werden! Tausende Frauen werden in Not gebracht, nur um für ein Strafverfahren mit ungewissem Ausgang Beweise zu sichern. Hier wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben - Justizeifer mit immensem Kollateralschaden. Hier fehlt ein Regulativ in unserer Justiz, das die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen sichert! -
Die Entscheidung der 186 Frauen, auf Strafantrag zu verzichten, war eine ganz natürliche Reaktion und vermutlich die beste Entscheidung, um mit dem Problem am schnellsten fertig zu werden. -
Meines Erachtens wäre es angemessener gewesen, den beklagten Gynäkologen unter Ausschluß der Öffentlichkeit einem Verfahren der Ärztekammer bzw. der Berufsgerichtsbarkeit zu unterziehen und ihn einer (Psycho-) Therapie zuzuführen.

Dr. Gwendolyn Gemke 25.09.201310:13 Uhr

Schlagzeilen in der Ärztezeitung auf BILD-Niveau

Gynäkologen-Prozess: Vaginalfotos in "Best of" und "VIP" unterteilt

Die Art der Berichterstattung in der Ärztezeitung - immerhin ein Fachblatt - über diesen Prozess überrascht. Schlagzeilen auf Bildniveau in einem für die betroffenen Patienten sehr belastenden und schmerzhaften Prozess. Wäre in einem an Mediziner gerichteten Fachblatt nicht ein anderer Umgang mit derartigen Entgleisungen zu erwarten?

Gemke

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