Samenspende die Zweite
Nach BGH-Urteil ist Gesetz überfällig
Schon ein minderjähriges Kind hat grundsätzlich einen Anspruch zu erfahren, wer sein Vater ist. Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs zur Samenspende kommt nicht überraschend, führt aber zu einer nicht haltbaren rechtlichen Lage.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. Manche Männer wollten nur einen schnellen Euro verdienen, anderebewusst kinderlosen Paaren helfen.
Doch auch wenn Männer vor Jahrzehnten eher arglos ihre Samenspende abgegeben haben: vor zwei Jahren führte ihnen das Oberlandesgericht Hamm vor Augen, dass die Sache zurückkehren kann wie ein Bumerang.
Schon 1989 hatte das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Kenntnis der eigenen genetischen Herkunft hervorgehoben. Damals ging es um nichteheliche Kinder. Die weit darüber hinausgehende Tragweite wurde verkannt.
Und so gab es einen medialen Donnerhall, als im Februar 2013 das OLG Hamm das Recht auf Kenntnis der eignen genetischen Herkunft auch nach einer Samenspende als "fundamentale Rechtsposition" der Kinder umschrieb.
An Verträgen, die Anonymität zusichern, so das Kernargument, war das Kind nicht beteiligt. Leider ist es beim medialen Echo geblieben. Eine gesellschaftliche Debatte hat es nicht gegeben. Und auch der Gesetzgeber hat mehr als eine Arbeitsgruppe nicht zuwege gebracht.
Dass nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe den per Samenspende gezeugten Kindern ein Auskunftsrecht zugesprochen hat, kommt wenig überraschend.
Doch angesichts der nunmehr 26-jährigen Untätigkeit des Gesetzgebers führt das höchstrichterliche Urteil zu einer untragbaren rechtlichen Lage: Der biologische Vater kann zum rechtlichen Vater werden - wenn es das Kind nur will.
Zum Kinderwunschzentrum kommt so das Papawunschzentrum. Dabei kann das Kind entscheiden, ob es nach der Nase oder nach Einkommen und potenzieller Erbschaft wählt.
Oder ob es als pubertärer Rebell seinem bisherigen "rechtlichen" und auch sozialen Vater einfach nur mal kräftig eins auswischen will.
Ungemütliche Lage für beteiligte Männer
In dem Karlsruher Fall hatte ein Ehepaar aus Niedersachsen zwei Töchter durch Befruchtung der Frau mit Spendersamen bekommen. In einer notariellen Erklärung gegenüber der Klinik hatten die Eheleute auf Auskunft über die Identität der Samenspender verzichtet.
2013 verlangten sie diese Auskunft dann doch - als rechtliche Vertreter der damals 15- und elfjährigen Töchter. Die Klinik weigerte sich. Nach dem BGH-Urteil sind zwar die Interessen aller Beteiligten abzuwägen.
So müsse die Auskunft für den Samenspender "zumutbar" sein. Auf seine wirtschaftlichen Interessen komme es dabei allerdings nicht an.
Mehr als ein Notanker für absolute Extrem- und Einzelfälle ist dies nicht.
Denn der BGH hat bereits erklärt, wie diese Abwägung auszugehen hat: In der Regel werde eine Auskunftspflicht der Klinik bestehen, weil das Interesse des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung größeres Gewicht hat - auch gegenüber der ärztlichen Schweigepflicht.
Adoptionskinder haben ab 16 Jahren einen Anspruch auf Auskunft über ihre biologischen Eltern. Bei den Samenspenden gibt es laut BGH aber keine Altersgrenze. Als Konsequenz können auch die Mutter und deren Partner jederzeit ihre Neugier befriedigen, ohne sich an frühere Unterschriften zu halten. Sie müssen nur glaubhaft behaupten, dass sie die Auskunft über den Spender zur Information des Kindes begehren.
Das Ergebnis ist für beide beteiligten Männer untragbar. Samenspender, die vielleicht längst eine eigene Familie haben, müssen befürchten, dass bis zu einem Dutzend biologischer aber eigentlich fremder Kinder Unterhalt und einen Erbteil verlangen.
Jedenfalls vor 2007, als die 30-jährige Aufbewahrungspflicht der Spenderdaten beschlossen wurde, konnten sie nicht im Traum mit solchen Folgen rechnen.
Für unfruchtbare Männer kann die Sache zur menschlichen Tragödie werden. Die Befruchtung ihrer Frau mit Spendersamen mit zu tragen, war für sie sicherlich nicht immer eine leichte Entscheidung.
Ihre Toleranz und ihr Engagement für das doch als gemeinsamer Nachwuchs gedachte Kind kann sich in Nichts auflösen, wenn das Kind - etwa in einem pubertären Konflikt - dies möchte.
Dabei stehen die Ärzte zwischen den Fronten. Als moralischer Ausweg bleibt ihnen nur die Offenheit bezüglich der derzeitigen rechtlichen Lage.
Eindeutige gesetzliche Regelung notwendig
Ein klares Gesetz ist nun überfällig. Auch für den Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands (BRZ) ist die Situation "ärgerlich". Dabei will BRZ-Vorsitzender Ulrich Hilland weniger den BGH kritisieren.
Dem Gesetzgeber stehe es frei, andere Regelungen zu schaffen. Konkret fordert Hilland Sicherheit für die Samenspender, dass die Kinder von ihren biologischen Vätern nicht auch die rechtliche Vaterschaft einklagen können.
Dann könne es auch ein Auskunftsrecht für Minderjährige geben, etwa ab 16 Jahren. Nach Überzeugung des Arztes lohnt auch ein Blick in die Nachbarländer. So fordert auch der Verband "Spenderkinder" eine Samenspender-Datenbank.
In den Niederlanden wird sie von einer unabhängigen Stiftung verwaltet.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 2015, Az.: XII ZR 201/13
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 31. Januar 1989, Az.: 1 BvL 17/87
OLG Hamm, Urteil vom 6. Februar 2013, Az.: I-14 U 7/12