Im Zweifel entscheidet der Gatte

Ein Gesetz, das Ärzten nicht hilft

Die Idee ist populär: Wer nicht mehr entscheidungsfähig ist, für den regelt der Ehepartner die ärztliche Behandlung. Doch Sachverständige halten die Vorschläge von Bundesrat und Bundesrat nicht für praxistauglich.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Vorsorgen für den Ernstfall: Wer nicht mehr selbst entscheiden kann, sollte eine Person aus seinem engen Umfeld bestellen.

Vorsorgen für den Ernstfall: Wer nicht mehr selbst entscheiden kann, sollte eine Person aus seinem engen Umfeld bestellen.

© Kai Remmers/dpa

BERLIN. Große Skepsis hat ein Gesetzentwurf des Bundesrats ausgelöst, mit dem die Gesundheitsfürsorge im Fall schwerer Krankheit des Partners gestärkt werden soll. Für Ärzte wird die Frage, wer in dem Fall über die Behandlung entscheidet, dadurch nicht einfacher.

3,4 Millionen

Vorsorgevollmachten sind – Stand Ende 2016 – bisher hinterlegt worden.

Das Instrument scheint an Zustimmung zu gewinnen.

Allein im vergangenen Jahr sind 400 Vollmachten neu registriert worden.

Juristische Laien gehen überwiegend davon aus, dass der Ehegatte entscheiden kann, wenn der Partner selbst nicht mehr in der Lage ist, über seine Behandlung zu entscheiden. Doch ein solches automatisches Vertretungsrecht existiert bisher nicht.

Große Vorbehalte bei Anhörung

Der Gesetzentwurf der Länderkammer ist bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags auf große Vorbehalte gestoßen. Kern der geplanten Neuregelung ist es, eine Bevollmächtigung zu schaffen, damit der Partner insbesondere unmittelbar nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung alle Angelegenheiten regeln kann, ohne dass ein gerichtliches Betreuungsverfahren nötig ist.

Dieses automatische Vertretungsrecht soll nicht gelten, wenn der Patient im Zentralen Vorsorgeregister einer Bevollmächtigung widersprochen hat oder wenn die Partner getrennt leben. Vermögensfragen sind von dem Gesetzentwurf nicht erfasst – über eine Vertretung in finanziellen Fragen muss auch künftig ein Betreuungsgericht entscheiden.

Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz eröffnet die Regelung dennoch die Gefahr des Missbrauchs. Ärzte könnten gar nicht überprüfen, ob ein Widerspruch vorliegt, da die Bundesnotarkammer, bei der das Zentrale Vorsorgeregister geführt wird, nur Gerichten Auskunft über Registereinträge erteilt. Zudem moniert die Stiftung, die Geltungsdauer der Vertretungsbefugnis sei zeitlich unbegrenzt – obwohl sie doch nur für Notfallsituationen gelten soll.

Harsch fällt das Urteil von Wolfgang Schwackenberg aus, Vorsitzender des Ausschusses Familienrecht beim Deutschen Anwaltsverein. Ärzte im Krankenhaus könnten in der Kürze der Zeit nicht überprüfen, ob es Gründe gibt, die einer Vollmacht entgegenstehen – wie etwa bei getrennt lebenden Ehepartnern. Die Neuregelung sei weder geeignet, noch notwendig, so Schwackenberg.

Der Rechtsanwalt und Notar empfahl, stattdessen die Zahl der Vorsorgevollmachten zu steigern. Ende 2016 habe es bundesweit rund 3,4 Millionen dieser Vollmachten gegeben, allein rund 400.000 Neueintragungen entfielen auf das vergangene Jahr.

Auch der Bundesverband der Berufsbetreuer warnte, durch eine automatische Vertretungsbefugnis könnte "in vielen Fällen verfrüht von der Unfähigkeit der betroffenen Person ausgegangen werden". Künftig würde die Feststellung des behandelnden Arztes, dass der Patient entscheidungsunfähig ist, ausreichen für "sensible Entscheidungen" über Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe.

Vorsorgevollmacht – alles perdu?

Aus Sicht der Bundeskonferenz der Betreuungsvereine (BUKO) greift der Gesetzentwurf des Bundesrats "in Kernbereiche des Persönlichkeitsrechts" ein. So werde in der Rechtsordnung die Entscheidung, Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, bisher zu Recht als "höchstpersönliche Angelegenheit" angesehen, heißt es in der Stellungnahme. BUKO gibt zudem zu bedenken, das Gesetz könne das Instrument der Vorsorgevollmacht schwächen. Ein gesetzliches Vertretungsrecht könne Bürger zu der irrigen Annahme verleiten, Vorsorgeregelungen seien entbehrlich.

Mitte Februar haben SPD und Union einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser soll die Regelung "einfacher und anwendungsfreundlicher" machen. Ob das gelingt, daran hatten Sachverständige bei der Anhörung Zweifel.

Die Koalitionsfraktionen wollen statt einer Vollmacht ein Notfallvertretungsrecht zwischen Ehepartnern installieren. Die Reichweite dieser Vertretung wird im Vergleich zum Vorschlag des Bundesrats begrenzt. Der Partner soll für den nicht-einwilligungsfähigen Gatten nur noch in Untersuchungen und ärztliche Eingriffe einwilligen können. Damit, so glauben die Fraktionen, kann das Missbrauchspotenzial der Regelung einschränken.

Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz macht es dieser alternative gesetzgeberische Ansatz nicht besser. "Es fehlt für Ärzte und Angehörige der klarstellende Akt der Vollmachtserteilung, sei es in Form einer schriftlichen Vorsorgevollmacht oder in Form eines amtlichen Betreuerausweises", kommentiert die Stiftung. Dieses Vertretungsrecht werde in der praktischen Anwendung "stets Unklarheiten und Graubereiche produzieren". Zudem sei die Beschränkung auf die Fragen der Gesundheitssorge nicht praxistauglich. Denn dann wäre dem Ehepartner beispielsweise bei einem privatversicherten Patienten der Abschluss von Behandlungs- oder Krankenhausverträgen untersagt.

Auch aus Sicht von Professor Volker Lipp vom Institut für Privat- und Prozessrecht der Universität Göttingen vermeidet das Konstrukt des Notvertretungsrechts nicht die Nachteile des Bundesrat-Modells. Auch hier werde dem Ehepartner "eine inhaltlich ungebundene Vertretungsmacht eingeräumt. Denn die Regelung sehe weder eine Bindung des Vertreters an den Patientenwillen, noch eine gerichtliche Kontrolle in gravierenden Konfliktfällen vor, monierte Lipp.

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