Europäischer Antibiotikatag
Zahl der Antibiotika-Verordnungen bleibt konstant niedrig
Aktuelle Zahlen zeigen: In Deutschland bleibt die Antibiotika-Abgabe auf niedrigem Niveau. Dennoch warnt der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller.
Veröffentlicht:BERLIN. Erfreuliche Nachricht zum Europäischen Antibiotikatag am 18. November: Die öffentlichen Apotheken in Deutschland haben 2016 vergleichbar häufig Antibiotika abgegeben wie in den Vorjahren. Es waren rund 12,6 definierte Tagesdosen pro 1000 Versicherte und Tag (dose per 1000 inhabitants per day, DID) an oralen Antibiotika zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Das entspricht etwa dem Wert der Vorjahre: 2012 wurden rund 13,1 und 2014 rund 12,8 DID abgegeben.
Diese Zahlen liefert eine Auswertung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts e. V. (DAPI) anlässlich des Europäischen Antibiotikatags. Verordnungen auf Privatrezepten wurden nicht erfasst.
Innerhalb von Europa gibt es immense Unterschiede im Antibiotika-Gebrauch. Im Jahr 2015 wurden in den Niederlanden im ambulanten Bereich nur 10,7 DID abgegeben. Spitzenreiter war Griechenland mit 36,1 DID. Der die Bevölkerungszahlen berücksichtigende Mittelwert lag in ganz Europa bei 22,4 DID. "Diese Zahlen sind nicht eins zu eins mit den aktuellen Ergebnissen vergleichbar, zum Beispiel weil in der aktuellen Auswertung des DAPI Verordnungen von Zahnärzten nicht berücksichtigt wurden und sich die Auswertung auf oral angewendete Antibiotika beschränkte.
Aber die Tendenz ist klar: In Deutschland werden Antibiotika erfreulicherweise zurückhaltender verordnet als in den meisten anderen europäischen Ländern", sagte Dr. Andreas Kiefer, Vorstandsvorsitzender des DAPI.
Umfrage legt verbreitete Unkenntnis offen
Dennoch liefert eine aktuelle, repräsentative Umfrage des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) beunruhigende Zahlen: Fast sechs von zehn Bundesbürgern (58 Prozent) wissen demnach nicht, dass Antibiotika ausschließlich gegen bakterielle Infektionen wirken. Und mehr als jeder Vierte (28 Prozent) glaubt nicht daran, dass das frühzeitige Absetzen eines Antibiotikums dazu führen kann, dass es beim nächsten Mal nicht mehr wirkt. Zehn Prozent derer, die schon Antibiotika genommen haben, geben zu, bereits einmal oder mehrmals Antibiotika verwendet zu haben, die ihnen für diesen Fall nicht vom Arzt verschrieben worden waren. „Wir sehen daran, wie wichtig es ist, die Bevölkerung über das Thema Antibiotika besser aufzuklären. Dabei sind durchaus auch die Ärzte gefordert“, sagte Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim BAH.
Montgomery: keine Antibiotika in der Tiermast
Bundesärztekammer-Präsident Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery sagte: "Keime kennen keine Grenzen. Den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen können wir nur gewinnen, wenn wir europaweit und weltweit an einem Strang ziehen." Er forderte eine Verbot oder zumindest eine deutliche Begrenzung der Antibiotikaabgabe in der Tiermast.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Verband der Ersatzkassen (vdek) teilten gemeinsam mit, dass etwa 30 Prozent aller Antiobiotika-Verordnungen unnötig seien. Ulrike Elsner, Vorstandschefin des vdek, sagte: "Ein zielgenauer Gebrauch ist unerlässlich, auch um die Wirksamkeit dieser oft einzigen lebensrettenden Arzneimittel zu erhalten."
Gesundheitsminister Gröhe: wertvolle Antibiotika-Verbrauchs-Überwachung
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sagte: „Wenn Antibiotika nicht mehr wirken, bricht eine tragende Säule unserer Gesundheitsversorgung weg." Im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen sei entscheidend, dass Antibiotika nur dann eingesetzt würden, wenn es medizinisch erforderlich sei. Deshalb seit es wichtig, die Fortbildung für medizinisches Personal und das öffentliche Bewusstsein weiter zu stärken. Die Antibiotika-Verbrauchs-Überwachung des Robert Koch-Instituts liefere wertvolle Vergleichsdaten für Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, um den Einsatz von Antibiotika immer wieder kritisch zu hinterfragen.
RKI-Präsident Wieler: kritische Bereiche in Kliniken identifizieren
Professor Dr. Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, betonte: „Daten zum Antibiotikaverbrauch tragen dazu bei, kritische Bereiche im Krankenhaus zu identifizieren, die Wirksamkeit von Maßnahmen zu überwachen und eine gezieltere Verordnungspraxis zu erreichen“. Das Robert Koch-Institut bietet mit der Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance ab dieser Woche erstmals allen Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen die Möglichkeit, ihren Antibiotikaverbrauch mit Referenzdaten zu vergleichen. Die Daten können über eine interaktive Datenbank abgerufen werden.
Werden Antibiotika falsch eingesetzt, können sie ihre Wirksamkeit verlieren. Immer häufiger kommt es zu Infektionen durch resistente Bakterien, bei denen die klassischen Antibiotika nicht mehr wirken. Kiefer: "Apotheker beraten ihre Patienten zum richtigen Umgang mit Antibiotika. Das trägt dazu bei, dass sich weniger Resistenzen entwickeln." Unter www.abda.de ist ein Flyer mit dem Titel "7 Tipps für den richtigen Umgang mit Antibiotika" verfügbar. Dazu gehört unter anderem, dass Antibiotika nur nach ärztlicher Verordnung eingenommen werden. (eb)