Nordrhein
Sprechstundenbedarf wird zur Stolperfalle
Weil sie schwerkranken Patienten nicht erst Wundverbände rezeptierten, sondern diese aus dem Sprechstundenbedarf versorgten, haben Hausärzte in Nordrhein nun Ärger.
Veröffentlicht:KÖLN. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein wirft den Krankenkassen vor, die nordrheinischen Ärzte mit einer Welle unberechtigter Prüfanträge zu überziehen. Grundlage für die Anträge seien ausschließlich Formfehler, ein finanzieller Schaden sei den Kassen nicht entstanden.
Die Kassen haben laut einer Mitteilung der KVNo im Oktober knapp 1300 Prüfanträge für das vierte Quartal 2016 gestellt. Davon bezieht sich ein großer Teil auf die Verordnung moderner Wundversorgungsmaterialien über den Sprechstundenbedarf. Die Praxen sollten Materialien wie Alginate, Schaumverbände oder Hydrogele aus eigener Tasche bezahlen. Im Einzelfall beliefen sich die Summen auf bis zu 20.500 Euro, so die KVNo.
"Das Verbandsmaterial war und ist für die Versorgung der Patienten nötig", sagt der KVNo-Vorsitzende Dr. Frank Bergmann. Der einzige Fehler der Praxen sei gewesen, bestimmte Verbände über den Sprechstundenbedarf zu beziehen, statt sie auf einem Rezept auf den Namen des Patienten zu verordnen. Die KVNo setzt auf die Einsicht der rheinischen Krankenkassen und hofft, dass sie die Prüfanträge zurückziehen.
Auch der Vorsitzende des Hausärzteverbands Nordrhein, Dr. Dirk Mecking, kritisiert das Vorgehen der Kassen. Die Kosten seien ausschließlich durch die Behandlung Schwerkranker entstanden. "Liegegeschwüre und offene Beine müssen regelmäßig mit Wundverbandstoffen versorgt werden", erklärt er. Gerade älteren und gehbehinderten Patienten wollen die Hausärzte nicht zumuten, erst ein Rezept einzulösen und dann wieder in die Praxis zu kommen. Deshalb würden sie mit Wundverbänden aus dem vorhandenen Sprechstundenbedarf versorgt. Mecking sieht die Kassen in der Pflicht, die Sprechstundenbedarfsverordnung zu überarbeiten und zu modernisieren.
Die Kassen hätten sich rechtskonform verhalten, betont dagegen Dirk Ruiss, Leiter des Ersatzkassenverbands vdek in Nordrhein-Westfalen. Die Kritik der KVNo könne er nicht nachvollziehen. Es sei schließlich ihre Aufgabe, die niedergelassenen Ärzte richtig zu informieren. Ruiss zeigt sich aber gesprächsbereit. "Wenn es Diskussionsbedarf über eine Verbesserung der Verordnungswege gibt, verschließen wir uns dem nicht."