Empathiewunder Internet
Sieht so die Zukunft des Patientengesprächs aus?
Zehntausende haben seine Videos angeschaut: "Dr. Johannes" ist erfolgreicher Youtuber. Der junge Radiologe erklärt Patienten kurz und verständlich, was Diagnosen bedeuten. Sein Credo: Patienten informieren sich online - also müssen dort kompetente Ärzte sein.
Veröffentlicht:HAMBURG. Keine ungewöhnliche Situation: Ein Patient trifft nach sechs Wochen bei einem Folgetermin auf seinen Arzt. Im ersten Moment weiß der Arzt erst einmal nicht, warum der Patient eigentlich zu ihm gekommen ist, und muss in seinem Computer nachschauen. Dem folgen ein paar Fachbegriffe, ein Präparat wird aufgeschrieben und der Patient wird wieder verabschiedet.
"Das ist für mich ein Beispiel für besonders schlechte Arzt-Patienten-Kommunikation", sagt Dr. Johannes Wimmer, der sich die verständliche Aufklärung über Medizinthemen über verschiedene Kommunikationskanäle zur Aufgabe gemacht hat.
Der Assistenzarzt am Uniklinikum Hamburg Eppendorf ist nicht nur aus seinen Filmen auf YouTube und Facebook bekannt. Er hat mittlerweile auch im NDR eine eigene Sendung, in der er Medizin für jedermann erklärt. Sein Leitsatz lautet: "Medizin ist Kommunikation".
Warum das Ausland weiter ist
Mit schlechter Kommunikation in der Medizin sei er schon früh in Berührung gekommen. "Ich habe im Studium schon immer mit den Patienten mitgefühlt, wenn diese die behandelten Ärzte aus dem Bett mit großen Augen angeschaut haben und nichts von dem verstanden haben, was ihnen da erzählt wurde", berichtet Wimmer.
In Deutschland werde technisch in der Medizin sehr sauber gearbeitet, aber die Kommunikation komme häufig zu kurz. Das sei im Ausland anders – und hier spricht Wimmer aus Erfahrung.
Er war während seines Studiums unter anderem in Südafrika. Im Township habe man nicht viele Hilfsmittel zur Hand. Die Sprache sei deshalb ein wichtiges Werkzeug bei der Behandlung.
Der YouTube-Channel von Dr. Johannes
Auf der Videoplattform YouTube betreibt der Radiologe Dr. Johannes Wimmer einen eigenen Channel mit medizinischen Aufklärungsvideos für Patienten.
Erläutert wird die ganze Bandbreite der Medizin, von der Frage "Wie funktionieren Antibiotika?", über Erklärvideos zu Organen bis hin zu Lauf- und Ernährungstipps.
Auch in seiner Zeit in den USA hat Wimmer festgestellt, dass die Arzt-Patienten-Kommunikation einen viel höheren Stellenwert hat als in Deutschland.
Wimmer sagt: "In den USA sind Patientengespräche ein standardisierter Teil der Examensprüfung: In zwölf Patientengesprächen wird überprüft wie empathisch man reagiert und wie professionell man mit der Kommunikation umgeht. Hierzulande wird dieses Thema immer noch eher belächelt."
Wimmer hat im Fach Radiologie promoviert. Während dieser Zeit ist ihm aufgefallen, dass sich Kommunikation ständig wiederholt. "Ärzte erzählen den ganzen Tag ihren Patienten das Gleiche – und das über viele Jahre. So kam ich auf die Idee mit kurzen Videos, die medizinischen Basics zu erklären, die sich Patienten immer wieder anschauen können."
Studie: Patientenfilme überzeugen
Dass das funktioniert, zeigen nicht nur die Klickzahlen seiner Videos im Internet, sondern auch erste Studien: "Wir haben Patienten iPads ins Krankenbett gelegt, die sie mit kurzen Filmen während der Behandlung begleitet haben.
Vor einem Eingriff konnten sich die Patienten informieren und danach bekamen sie Informationen mit auf den Weg, die sie beim Heilungsprozess unterstützten sollten", sagt Wimmer, der als Head of Digital Patient Communication am CVderm der Uniklinik Hamburg-Eppendorf zu digitaler Patientenkommunikation forscht.
Dabei stellte sich heraus: Der subjektive Behandlungserfolg ist bei den Patienten, die Videos angeschaut haben, größer, als bei Patienten die keine Filme zu sehen bekamen.
"Blockbuster hingelegt"
Wimmer: "Würde es sich bei diesem Forschungsergebnis um die Entdeckung eines neuen Medikamentes handeln, hätten wir einen Blockbuster hingelegt. Solche Aufklärvideos müssen in der Medizin fest verankert werden."
Neben der Form der Kommunikation müsse sich aber auch in anderen Bereichen etwas ändern: "Wir vergeben heute noch Termine wie vor 150 Jahren, als ob sich nichts geändert hat", sagt er. Zum Beispiel könnten Ärzte heute bei Patienten mit chronischen Wunden diese dann einbestellen, wenn es nötig sei und nicht einfach so zur Kontrolle.
"Wir können dem Patienten ein Smartphone an die Hand geben und dieser macht jede Woche ein Foto und schickt es seinem Arzt. Der Arzt bestellt ihn nur dann in die Praxis ein, wenn es Auffälligkeiten gibt."
Das sei die Zukunft und nicht ‚Kommen Sie alle vier Wochen vorbei‘. Die digitale Patientenkommunikation könne dem Arzt seine Arbeit in vielen Bereichen erleichtern.
Zudem scheitere gute Kommunikation oft an der Zeit, die in unserem Gesundheitssystem nicht genug Beachtung findet. "Wenn mich abends ein Freund anspricht, weil er ein gesundheitliches Problem hat, dann frage ich nach und erkläre ihm ausführlich, was es sein kann, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und schon ist eine Stunde vergangen. Diese Zeit habe ich im Alltag natürlich nicht."
Zeitproblem lässt sich lösen
Um dieses Zeitproblem in der Praxis zu entschärfen, sei es etwa sinnvoll, einem Patienten, der einen Termin in der Praxis ausmacht, gleich zu seinen Beschwerden ein passendes Video mit auf den Weg zu geben, zum Beispiel per E-Mail. Denn Studien belegen längst, dass sich Patienten ohnehin über ihre Beschwerden und mögliche Krankheit im Internet informieren.
Allerdings finden sie dort nicht immer seriöse Informationen. "Die Patienten können wir also schon früh online mit guten Angeboten informieren und auf den Arztbesuch vorbereiten", sagt Wimmer.
Ein weiterer Vorteil sei, dass man als behandelter Arzt dann weiß, mit welchem Wissen der Patient in die Praxis kommt. Denn oft seien Patienten, etwa durch Fehlinformationen aus dem Netz verunsichert oder kommen mit falschen Vorstellungen in die Praxis.
Gute Behandlung startet vor Besuch
Deshalb beginnt für Wimmer eine gelungene Arzt-Patienten-Kommunikation schon vor dem eigentlichen Praxisbesuch. Der Patient sollte gut vorbereitet zum Arzt kommen, damit er diesem so genau wie möglich beschreiben kann, welches Problem er hat, wann es auftritt, ob es so einen Fall schon einmal in der Familie gab und so weiter.
"Dieser hört zu, untersucht den Patienten und erklärt ihm, welche Diagnose er stellen würde oder vermutet. Der Patient bekommt dann dazu ein passend aufbereitetes Video gezeigt. In dieser Zeit kann der Arzt zum nächsten Patienten gehen, kommt danach zurück und fragt den Patienten, ob er alles im Video verstanden hat oder ob es noch weitere Fragen gibt", erläutert Wimmer den Ablauf. "Dann erklärt er ihm die weitere Behandlung."