Hormonspezialist
Gedeon Richter setzt auf deutschen Markt
Rund zehn Prozent ihres Umsatzes investiert die vor mehr als 100 Jahren gegründete Gedeon Richter plc. heute in die Forschung. Ein Augenmerk gilt biotechnologisch hergestellten Arzneien.
Veröffentlicht:Aus der Pionierleistung eines Apothekers entstand das heute weltweit agierende Arzneimittelunternehmen Gedeon Richter. Neben seinem 111-jährigen Fachwissen in der Hormonherstellung überzeugt der börsennotierte Konzern auch durch Zahlen.
Gedeon Richter plc
Sitz: Budapest/Ungarn
Geschäftszahlen: Umsatz 2011: 1,1 Milliarden Euro, Operativer Gewinn: 217,6 Millionen Euro
Mitarbeiter: 10.773 weltweit, davon 4791 in Ungarn
Wichtige Indikationsgebiete: Gynäkologie, ZNS und Herz-/Kreislauferkrankungen
Präsenz in Deutschland: Gedeon Richter Pharma GmbH, Köln
CEO: Erik Bogsch, seit 40 Jahren im Unternehmen, seit 20 Jahren CEO
Geschäftsbereiche: Gynäkologie,Reproduktionsmedizin
Die Gedeon Richter plc. mit Sitz in Budapest hat 2011 erstmals die Ein-Milliarden-Euro-Marke beim Gesamtumsatz überschritten und dabei einen operativen Gewinn von 217,6 Millionen Euro erzielt. 88 Prozent der Jahreserlöse werden durch Exporte generiert.
Der mit Abstand wichtigste Markt ist Russland mit einem Anteil von 29 Prozent. Zu den umsatzstärksten Indikationsgebieten zählen Herz-/ Kreislauferkrankungen (26 Prozent) und Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (13 Prozent).
Spitzenreiter ist die Gynäkologie, die mehr als ein Drittel der Erlöse einfährt. Seit seiner Gründung 1901 gehört Gedeon Richter zu den Pionieren in der Erforschung, Produktion und Vermarktung von oralen Kontrazeptiva und führte 1966 die erste Pille in Ungarn ein.
Diese steroid-chemische Kompetenz in Verbindung mit dem Zukauf von Markenpräparaten nutzt das Unternehmen zum Ausbau seiner Präsenz in Westeuropa.
Nach Übernahme der Grünenthal-Kontrazeptiva ist Gedeon Richter mit dem eigenen Geschäftsbereich Gynäkologie im Frühjahr 2011 in Deutschland gestartet. Mit einem 50-köpfigen Außendienst-Team von Fachreferenten werden zurzeit elf Produkte angeboten.
Neben den etablierten Anti-Baby-Pillen Belara® und Chariva® hat Gedeon Richter seit Mai 2012 als bisher einziger Anbieter auch eine komplette generische Palette von drospirenonhaltigen Mikropillen im Sortiment. Das Produktportfolio soll sukzessive ausgebaut und komplettiert werden.
Zugang zu neuen Arzneiklassen
Für das vergangene Jahr verzeichnete die deutsche Niederlassung einen Umsatz von 32 Millionen Euro. Mit der Akquisition des Schweizer Unternehmens PregLem in 2010 sicherte sich Gedeon Richter den Zugang zu neuen Arzneimittelklassen in der Reproduktionsmedizin.
Eine weitere Geschäftseinheit in Deutschland hat in diesem Jahr die PregLem-Entwicklung ESMYA® (Ulipristalacetat) zur Behandlung von symptomatischen Uterusmyomen, unmittelbar nach der europäischen Zulassung durch die EMA 2012, erfolgreich eingeführt.
Forschung wird bei Gedeon Richter großgeschrieben. Zehn Prozent des Umsatzes fließen in den F&E-Sektor zur Entwicklung von Originalpräparaten - mit Fokus auf die Bereiche ZNS und Gynäkologie - in die Entwicklung generischer Formulierungen und die Biotechnologie.
Gedeon Richter beschäftigt 1000 Mitarbeiter in der Forschung und verfügt über zahlreiche gemeinsame Programme mit universitären Einrichtungen sowie Unternehmensallianzen.
In Kooperation mit Forest Labs wurde der von Gedeon Richter identifizierte Wirkstoff Cariprazine entwickelt, der in Phase III positive Ergebnisse bei Schizophrenie und bipolarer Manie bewiesen hat, und dessen Einführung für November 2012 geplant ist. Der Einstieg in die Biotechnologie erfolgte 2007.
Zulassungsantrag mit Stada
Mit einem Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro wurden in Debrecen etwa 200 Kilometer östlich von Budapest moderne Anlagen für Forschung und Produktion errichtet.
Hier fertigt Gedeon Richter aktuell klinische Prüfpräparate - die Herstellung Säugetierzellen basierter Arzneimittel soll 2014 starten.
Mit der Stada AG (Bad Vilbel) beabsichtigt Gedeon Richter voraussichtlich 2017 bei der EU die Beantragung der Zulassung für einen Biosimilar-Krebs-Antikörper. In diese Expansionsstrategie passt auch das Joint Venture mit der Helm AG (Hamburg).
Die Richter-Helm BioLogicals im schleswig-holsteinischen Bovenau beschäftigt 200 Mitarbeiter und ist spezialisiert auf die Entwicklung und Produktion im Bereich der mikrobiellen Biotechnologie im Kundenauftrag - ein Joint Venture, das laut CEO Erik Bogsch "auf die Zukunft programmiert ist".
Drei Fragen an den CEO
Das Interview führte Ursula Jung
Ärzte Zeitung: Herr Bogsch, wie charakterisieren Sie ihr Unternehmen?
Erik Bogsch: Die Gedeon Richter plc. ist eine multinationale, innovationsbasierte Unternehmensgruppe, die mehr als 100 Arzneimittel in über 170 Darreichungsformen vertreibt.
Mit unserer eigenen Forschung und unserem Engagement in der Biotechnologie haben wir ein Alleinstellungsmerkmal als forschendes Pharmaunternehmen in Zentral-Osteuropa. Von den rund 100 Millionen Euro Forschungsinvestitionen im vergangenen Jahr wenden wir etwa 50 Prozent für die Entwicklung von Originalen auf.
Ärzte Zeitung: Wie beurteilen Sie den Markteintritt in Deutschland?
Durch die Akquisition des etablierten Grünenthal-Kontrazeptiva-Portfolios im Jahr 2010 konnten wir unsere Marktpräsenz in Westeuropa aufbauen. Deutschland ist für uns dabei der größte und wichtigste Markt.
Wir haben es hier geschafft, in kurzer Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad von GR zu erzielen und den Umsatz auszubauen. Mit einem Marktanteil von mehr als elf Prozent hält Gedeon Richter in Deutschland die Position drei im Pillenmarkt.
Das von uns kürzlich eingeführte Präparat ESMYA® zur Behandlung von Uterusmyomen stellt einen therapeutischen Durchbruch dar, ein wichtiges Produkt für Gedeon Richter, das sich erfreulich gut entwickelt.
Ärzte Zeitung: Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie mit dem Joint Venture Richter-Helm BioLogicals?
Das ist ein Baustein unserer Strategie in der Biotech-Sparte. Mit dem deutsch-ungarischen Joint Venture bringen wir Know-how für Biopharmazeutika zusammen, das unseren Wachstumskurs auch langfristig stärkt. Wir werden in fünf bis zehn Jahren in der Lage sein, Biosimilars zu produzieren.