Pharma
Zentrale Biobank hilft bei Arzneimittelforschung
Die Arbeit mit Stammzellen ist wichtig bei der Entwicklung neuer Arzneien. Bisher stehen die Stammzellen jedoch nicht schnell genug sowie in ausreichender Qualität und Menge zur Verfügung. Eine zentrale Biobank soll diese Lücke jetzt schließen.
Veröffentlicht:ST. INGBERT. Mit Hilfe von menschlichen Stammzellen bewerten Wissenschaftler, wie Patienten auf neue Medikamente reagieren und untersuchen, wie Krankheiten entstehen.
Seit ein paar Jahren ist es möglich, durch Reprogammierung Stammzellen, die noch alle Zelltypen des menschlichen Körpers bilden können, aus Gewebeproben erwachsener Menschen künstlich zu erzeugen.
Davor war die Pharmaforschung auf adulte Stammzellen oder Primärzellen mit einem eingeschränkten Potenzial angewiesen. Darauf verweist das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in St. Ingbert.
Defizite bei lokalen Biobanken
Eine andere Möglichkeit wäre die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen. Neben den moralischen Bedenken stehen diese allerdings nur in begrenzter Vielfalt zur Verfügung.
Das neue Verfahren erlaubt zum Beispiel Haut- oder Blutzellen von erwachsenen Menschen biologisch so umzuprogrammieren, dass sie sich ähnlich verhalten, wie embryonale Stammzellen und sich in jeden beliebigen Zelltyp umwandeln lassen. "Man spricht von induzierten pluripotenten Stammzellen, abgekürzt iPS-Zellen", erläutert Dr. Julia Neubauer vom IBMT.
"In den letzten Jahren sind immer mehr lokale Biobanken entstanden. Keine davon erfüllt jedoch die Anforderungen von Pharmaindustrie und Forschungseinrichtungen: Diese benötigen die Stammzellen ‚Ready-to-use‘. Das bedeutet in großer Zahl, konsistent charakterisiert, in ausreichender Qualität und systematisch katalogisiert", verdeutlicht Neubauer.
Zusammen mit 26 Partnern aus Wirtschaft und Forschung hat das IBMT nach eigenen Angaben Anfang des Jahres ein Projekt zum Aufbau einer zentralen "European Bank for included pluripotent Stem Cells (EBiSC)" gestartet, einer Biobank für iPS-Zellen von Patienten mit spezifischen Krankheitsbildern. Bereits nach sechs Monaten Projektlaufzeit stünden nun erste Zellen zur Verfügung, die zur Entwicklung neuer Medikamente genutzt werden könnten.
Ziel sei es, nach drei Jahren über 1000 definierte und charakterisierte Zelllinien mit hundert Millionen Zellen anzubieten. Diese Größe sei nötig, da für ein einzelnes Wirkstoffscreening bereits mehrere Millionen Zellen getestet werden müssten. Die Biobank entsteht in der Nähe Londons, ein identisches - "gespiegeltes" - Pendant am IBMT-Standort in Sulzbach/Saar.
Zellen werden schonend eingefroren
Die Wissenschaftler am IBMT kümmern sich laut Institut um das Einfrieren der Zellen und die Automatisierung der Zellkultivierung und Biobank. Stammzellen müssen auf unter minus 130 Grad Celsius abgekühlt werden, damit sie über einen längeren Zeitraum überleben. Um den Kälteschock im gasförmigen Stickstoff zu überleben, präparierten sie die Forscher entsprechend.
Das IBMT habe beispielsweise Technologien entwickelt, die es erlauben, die Zellen schonend einzufrieren. Genau wie bei Lebensmitteln sei auch bei Stammzellen eine geschlossene Kühlkette besonders wichtig für deren Funktion und Haltbarkeit.
Ähnlich wichtig, wie das einwandfreie Einfrieren sei, dass die Prozesse automatisch ablaufen. "Das sichert die Konsistenz und macht es erst möglich, große Zellmengen in angeforderter Qualität bereitzustellen", so Neubauer.
Bei der Kühlung könnten die Wissenschaftler bereits eine fertige Technologie vorweisen: In ihrer automatischen Biobank sei jedes Zellröhrchen mit Barcodes versehen, um sie nachverfolgen zu können.
Die Proben würden auf einem Laufband zu den einzelnen Kühlbehältern transportiert. Ein Computer überwache den gesamten Einfrier- und Lagerprozess.
An der Automatisierung der Zellkultivierung, dem Vermehren der Zellen, arbeiten das IBMT gerade. Hier gäbe es grundsätzlich zwei Ansätze: mit Robotern, die jede manuelle Bewegung in maschinelle umsetzen oder in gerührten Bioreaktoren, in denen die Zellen frei beweglich optimal mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt würden.
Das IBMT habe beide Technologien im Portfolio. "Bis zum Ende des Projekts werden wir wissen, welche Methode sich am besten für unsere Zwecke eignet", sagt Neubauer. (maw)