Pharma-Selbstkontrolle
Wie viel Patientenservice ist den Firmen erlaubt?
Pharmafirmen setzten immer öfter auf persönliche Chronikerhilfen durch Schwesterndienste. Das entlastet Ärzte und kann der Therapietreue dienen. Wann industriegesponserte Patienten-Services an rechtliche Grenzen stoßen, ist aber noch unklar.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Kürzel PSP steht für Patienten Support Programme – und die stehen aktuell auf der Agenda der Marketing- und Vertriebsabteilungen der Arzneimittelhersteller ganz oben. „Das Thema ist noch nicht auf dem großen Schirm der Politik gelandet“, so der CDU-Politiker und parlamentarischer Berater des Pharma-Selbstkontrollvereins AKG, Thomas Stritzl, in seinem Grußwort zur jüngsten Mitgliederversammlung des Vereins Anfang Mai in Berlin. Der AKG hat sich die Einhaltung von Compliance-Regeln in pharmazeutischen Unternehmen zur Aufgabe gemacht.
Die Arbeit des Vereins hat nach Ansicht seines Vorsitzenden Christoph Harras-Wolff, Geschäftsführender Gesellschafter des Bielefelder Arzneimittelherstellers Dr. August Wolff, „einen guten Teil dazu beigetragen“, dass Compliance nicht nur bei den Mitgliedsunternehmen, „sondern in der gesamten Gesundheitsbranche angekommen ist“. Harras-Wolff: „Compliance ist ein Pflichtthema auch für den Mittelstand“. Der Druck, Compliance-Regeln einzuführen, habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen.
Die diesjährige Mitgliederversammlung widmete sich der „Patientenzentrierung in der Unternehmenspraxis“. Einigkeit herrschte in der Beurteilung von Patienten-Unterstützungsprogrammen als einer großen Chance für pharmazeutische Unternehmen, bei allerdings zugleich unsicherem Rechtsrahmen.
Hauptzielgruppe für persönliche Patientenservices sind chronisch Kranke. In einem Fachvortrag verwies der Münchener Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger auf Paragraf 7 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der unentgeltliche Zuwendungen und zusätzliche Services („Waren oder Leistungen“) verbietet.
“Service beyond the pill“
Die Rechtsprechung dazu, so Geiger, sei uneinheitlich. So sei etwa Hilfestellung bei intravenösen Arzneimittelanwendungen durch eine Krankenschwester in der Wohnung des Patienten rechtens. Jedoch würde die Hilfestellung im Falle einer oralen Medikation als unzulässig gewertet, da keine medizinische Notwendigkeit zur Unterstützung bestünde.
Grundsätzlich seien die Vorteile des „service beyond the pill“ für den Patienten, nicht für den Arzt gedacht, so Geiger. Die Leistung werde deshalb auch „nicht als Gegenleistung für die Verordnung, sondern als Folge der Verordnung bewertet“.
Damit wäre in diesem Zusammenhang zumindest die Korruptionsproblematik (§§ 299a und 299b Strafgesetzbuch) kein Thema. Allerdings warnt der Jurist vor inflationärer Patienten-Unterstützung. Entscheidend für solche Angebote seien ein sachlich sinnvoller Grund sowie eine medizinische Perspektive.
Marius Grosser, Geschäftsführer des Deutschen Psoriasis-Bundes, betonte die Notwendigkeit zur Patienten-Unterstützung, vor allem neue Therapien seien erklärungsbedürftig und zeitintensiv – Zeit, die im Praxisalltag vieler Ärzte fehle. Deshalb befürwortet auch Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des Virchow-Bundes und Landesvorsitzender Hamburg des Berufsverbandes der HNO-Ärzte, den Patienten-Support. Damit lasse sich beispielsweise die Quote der Therapieabbrecher reduzieren.
So steht es im Gesetz
- Paragraf 7 des Heilmittelwerbegesetzes regelt, inwieweit etwa im Pharmamarketing, im Pharmazwischenhandel oder bei der Medikamentenabgabe in Apotheken Zuwendungen erlaubt sind.
- Danach ist es prinzipiell „unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen“.
- Allerdings sieht der Paragraf auch Ausnahmen vor. Erlaubt sind unter anderem geringwertige Zugaben, Bar- oder Naturalrabatte auf OTC-Produkte, Werbegaben in Form von Auskünften oder Ratschlägen sowie Kundenzeitschriften.