Werden Apps zur Kassenleistung?

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Gesundheits-Apps können die Kosten im Gesundheitswesen deutlich senken, da sind sich Experten einig. Und der Umbruch in der Klinik-, Praxis- und Kassen-IT-Landschaft stehe auch schon bevor. Doch eine Frage ist noch ungeklärt: Wer finanziert die neue mobile Technik?

Der Patient sammelt über iPad und Co Gesundheitsdaten, die dann direkt in die Praxis-EDV wandern - so die Vision.

Der Patient sammelt über iPad und Co Gesundheitsdaten, die dann direkt in die Praxis-EDV wandern - so die Vision.

© Skip ODonnell / istockphoto.com

HANNOVER (reh). "Der Trend im Gesundheitswesen wird aufgrund der Kostenstruktur dahin gehen, dass Patienten zunehmend zu Hause überwacht werden."

Das hat Sandra Hoyer, Vice President Secondary Health Care Market & Pharmaceutical Industry bei T-Systems, auf der CeBIT in Hannover gesagt.

Und damit würde auch der so genannte mHealth-Markt - also die mobilen Gesundheitslösungen wie Apps fürs Smartphone - wachsen.

Vor allem für Ärzte und Kliniken bietet das ganz neue Chancen. Das Problem ist aber nach wie vor die Finanzierung.

Wie kleine mobile Programme für Smartphone und Tablet-PC, die sogenannten Applikationen (Apps), bereits heute zum Kostensenker in der Medizin werden können, zeigen verschiedene Pilotprojekte.

So stellte David Schmoldt von der Rösch & Associates Information Engineering GmbH auf dem "Health & Vitality"-Forum die von ihm mit entwickelte "smart medication"-App vor.

Patienten-Tagebuch per App

Das Programm gibt Hämophilie-Patienten die Möglichkeit der telemedizinischen Heimselbstbehandlung. Das ist deshalb ein Vorteil, weil viele der rund 7500 Hämophilie-Patienten in Deutschland lange Wege zu ihrem spezialisierten Arzt zurückzulegen haben.

Über die App können sie ein Patienten-Tagebuch führen, in dem die Medikation aber auch Blutungen festgehalten werden können. Bei schweren Blutungen können die Patienten ein Foto mit der Kamera von Smartphone oder Tablet-PC schießen und direkt an den behandelnden Arzt senden. Dieser könne dann umgehend eine Erstdiagnose stellen, so Schmoldt.

Der Arzt hingegen hat eine Web-Applikation zur Verfügung, über die er die Patientendaten einsehen kann. Und da er sich Krankheits- und Blutungsverläufe als Grafik anzeigen lassen könne - und dies in Echtzeit-, könne er auch gegenüber den Krankenkassen gut argumentieren, wenn er für einen Patienten die teure Prophylaxe ansetze, sagte Schmoldt. Schmoldts App-Lösung wurde auf der Medica 2011 bereits mit dem R&D Talent Award ausgezeichnet.

Das IT-Unternehmen SAP hat gemeinsam mit T-Systems gleich ein ganzes Klinikum fit für mHealth-Lösungen gemacht. Unter anderem das Uniklinikum Heidelberg und die Berliner Charité würden derzeit die elektronische Patientenakte testen, die die Ärzte an jedem Krankenbett über ihren Tablet-PC einsehen und bearbeiten könnten, sagte Dr. Gero Lurz von SAP.

Dabei stellen die Apps bzw. stellt vor allem die Vielfalt der genutzten Geräte Kliniken - künftig aber auch Ärztenetze und Praxen - vor eine neues Problem: Alle Geräte, vom Smartphone bis hin zu verschiedenen Tablet-PC müssen in Einklang miteinander gebracht werden.

Nicht nur Datenaustausch sondern auch Datensicherheit

Hier gehe es nicht nur um das Thema Datenaustausch, betonte Lurz, sondern auch um die Frage der Datensicherheit und Wartung der Systeme über mehrere Jahre hinweg. "Schließlich kommt technisch ständig etwas Neues heraus", so Lurz.

Sandra Hoyer sieht das ganz ähnlich: "Im Moment denken wir noch sehr stark in Silos, das müssen wir künftig aufbröseln." Denn erst wenn die verschiedensten Systeme miteinander kommunizieren könnten, seien sie auch effektiv.

Hoyer: "Es wird in den nächsten fünf bis sieben Jahren einen Umbruch im mHealth-Markt geben." Und das bedeutet auch, dass die Daten aus den Apps künftig direkt in die Praxissoftware einlaufen sollten.

SAP bietet bereits eine Mobility-Plattform, die zwischen die einzelnen mobilen Geräte und das Multibackend (Klinikinformationssystem und -server) in den Kliniken geschaltet werden kann. Darüber lassen sich dann die einzelnen Geräte, selbst wenn der Arzt sein eigenes Smartphone mitbringt, zentral managen.

Bleibt die Frage, wer die Kosten trägt. "Wir werden nicht umhin kommen, telemedizinische Leistungen zu vergüten, weil das Gesundheitswesen und damit auch die finanziellen Töpfe der Politik davon profitieren", sagte Hoyer. Sie begrüßt daher, dass der Gesetzgeber mit dem Versorgungsstrukturgesetz der Telemedizin nun definitiv eigene Abrechnungsziffern zugestehen will.

Warten auf Fördergelder

Doch leider reicht das nicht: Die Entwicklung einer medizinischen App und all der Technik dahinter koste 100.000 Euro und mehr, berichtete Schmoldt. Die Krankenkassen würden in die Finanzierung aber meist erst dann einsteigen, wenn sich ein Projekt bereits etabliert habe.

Und die Ärzte und Patienten, die von den Apps zwar durchaus auch profitierten, würden sich in der Regel gar nicht an der Finanzierung beteiligen. Für ein einzelnes Pharma-Unternehmen sei die Finanzierung ebenfalls meist nicht zu stemmen, so Schmoldt, mit anderen Unternehmen gemeinsam wollten sich die Firmen aber oft nicht beteiligen. Bleibt also nur die Hoffnung auf andere Fördergelder.

Johannes Dehm vom Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) hätte noch eine andere Idee: "Ich habe gelesen, dass in England Ärzte schon Apps verschreiben dürfen. Dieser Weg wäre auch für Deutschland der richtige."

Hoyer, die durch das gemeinsam mit der Firma Medisana ins Leben gerufene Projekt VitaDock, bei dem Patienten per iPhone und Co. Gesundheitsdaten wie Blutzucker kontrollieren können, bereits einige Erfahrung mit den Gesundheits-Apps sammeln konnte, hatte noch ein spannendes Projekt einer anderen Firma im Gepäck: die Lifelens Malaria App.

Dieses kleine Programm mache aus dem Smartphone ein Schnelltestlabor für Malaria-Erkrankungen. Die Diagnosestellung koste so gerade einmal 50 US-Cent, sagte Hoyer. Den Nutzen könne sich da jeder selbst ausrechnen.

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