Widerruf der Schweigepflicht
Kasse darf Patientendaten trotzdem nutzen
OLG: Behandlungsunterlagen sind rechtmäßig erworbene Beweise. Deshalb darf eine Kasse die Daten in Regressverfahren selbst dann nutzen, wenn der Patient eine erteilte Schweigepflichtsentbindung widerruft.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Hat ein Patient wegen des Verdachts eines Behandlungsfehlers seine behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht gegenüber der Krankenkasse entbunden, kann dies nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden.
Selbst wenn der Patient seine Entbindung von der Schweigepflicht später widerruft, darf die Krankenkasse die bis dahin erhaltenen Patientenunterlagen vor Gericht zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen verwenden, entschied das Oberlandesgericht (OLG) München in einem aktuellen Urteil.
Im konkreten Fall hatte die AOK Bayern von einem Versicherten erfahren, dass dieser offenbar fehlerhaft von seinem Arzt und in einer Klinik behandelt wurde.
Der Patient erhielt von seinem Hausarzt wegen starker Ischiasschmerzen eine paravertebrale Infiltration und intramuskulär ein Schmerzmittel. Als die Schmerzen nicht nachließen, wurde er drei Tage in einer Klinik behandelt, danach trotz auffälligen Blutbildes aber wieder entlassen.
Kurze Zeit später wurde der Patient vom Notarzt erneut in die Klinik gebracht. Dort stellte man einen Abszess im Gesäßbereich fest.
Kasse wollte Klinik in Regress nehmen
Der Patient informierte die AOK und vermutete, einen ärztlichen Behandlungsfehler. Er übersandte der Kasse eine Schweigepflichtentbindungserklärung, damit diese die Patientenunterlagen von den behandelnden Ärzten einfordern und Regressansprüche stellen konnte.
Die AOK warf den Ärzten vor, dass die Verabreichung der Schmerzmedikamente mittels Spritze nicht erforderlich war. Zudem hätte der Patient wegen des auffälligen Blutbildes nicht entlassen werden dürfen. Die AOK verlangte die später erforderlichen Behandlungskosten in Höhe von 9638 Euro nun zurück.
Kurz vor dem Prozess widerrief der Patient seine Schweigepflichtentbindung. Die Klinik und der Hausarzt meinten, dass damit die Patientenunterlagen nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen.
Das OLG stellte klar, dass die AOK die Behandlungsunterlagen rechtmäßig erhalten hatte. Der Patient habe mit seiner Erklärung zur Entbindung der Schweigepflicht ausdrücklich sein Einverständnis zur Übermittlung der Behandlungsunterlagen erteilt.
Er habe auch gewusst, dass damit die AOK Regressansprüche durchsetzen will. Grundsätzlich seien "rechtmäßig erlangte Informationen und Beweismittel im Prozess einführbar und verwertbar", so die Münchener Richter, selbst wenn später die Schweigepflichtentbindung widerrufen wurde.
Ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten liege nicht vor. (fl)
Az.: 1 U 4156/12