Reform der Notfallversorgung
Klinikärzte wenden sich an Spahn
Marburger Bund und fünf medizinische Fachgesellschaften kritisieren in einem Brief an Spahn, dass die Leitung der INZ an die KVen übertragen werden sollen.
Veröffentlicht:Berlin. Der Entwurf einer Reform der Notfallversorgung bleibt weiter heiß diskutiert. Dass die Kassenärztlichen Vereinigungen die fachliche Leitung über die an den Krankenhäusern geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) ausüben sollen, kommt auf der Klinikseite nicht gut an.
Jetzt haben der Marburger Bund und sechs medizinische Fachgesellschaften ihren Unmut direkt an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) adressiert.
Dem KV-System werde in dem Referentenentwurf eine Führungsrolle in den INZ zugesprochen, die es weder personell noch inhaltlich und schon gar nicht im Sinne einer Verfügbarkeit an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr leisten könne, heißt es in dem in dieser Woche zugestellten Schreiben, das der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.
Zusatzweiterbildung für INZ-Leitung
„Die medizinisch fachliche Leitung des INZ muss zusammen mit dem Krankenhaus bevorzugt durch qualifizierte Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin übernommen werden“, lautet die daraus abgeleitete Forderung.
Zum Hintergrund: Die Verbände der Notfallmediziner bestreiten die Prämisse der Notfallreform, die Mehrheit der Patienten in den Notaufnahmen sei nicht kritisch erkrankt oder verletzt.
Tatsächlich verzeichneten die Notaufnahmen einen sehr großen Anteil an Patienten mit akuten, sehr komplexen medizinischen Problemen. Der Anteil an stationären Aufnahmen liege zwischen 40 und 60 Prozent. Zahlreiche Patienten seien intensivtherapiepflichtig, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der DIVI.
Woher bitte das Personal nehmen?
Zweifel äußern der Marburger Bund und die Fachgesellschaften auch an den Fähigkeiten der KVen, den mit den INZ entstehenden Bedarf an Ärzten und Helfern decken zu können.
Wie das zu lösen sei, dazu gebe es im Referentenentwurf keine Hinweise. „Eine zusätzliche Belastung des Krankenhauspersonals muss im Sinne der ursprünglichen Intention des Referentenentwurfs zwingend vermieden werden“, heißt es in dem Brief.
Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wird dies lockerer gesehen. Zu Zeiten, in denen nur ein Patient pro Stunde ins INZ komme, liege es nahe, dass ein Krankenhausarzt einen Pieper bekomme und bei Bedarf vorbeischaue, hatte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister erst im Januar gesagt.
So werde es in vielen Bundesländern auch heute schon praktiziert. Bereits im Juni vergangenen Jahres hatten KBV und Marburger Bund ein Konzept zur Zusammenarbeit bei der Versorgung von Patienten im Krankenhaus entwickelt.
Fünf Fachgesellschaften mit im Boot
Die Fachgesellschaften - im Einzelnen die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN), die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI),die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) bieten an, den Gemeinsamen Bundesausschuss bei der „Entwicklung von bundeseinheitlichen und objektivierbaren Definitionen und Vorgaben zu den INZ“ zu unterstützen.
Die Unterzeichner des Schreibens an Spahn fordern zudem, bereits vorhandene regionale Konzepte zur gemeinsamen Notfallversorgung bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen.
Für die Auswahl der INZ-Standorte sollten die erweiterten Landesausschüsse von KVen, Landesverbänden der Kranken- und Ersatzkassen sowie der Landeskrankenhausgesellschaften um die „für die Notfallversorgung zuständigen Landesärztekammern“ ergänzt werden.
Hintergrund dieses Anliegens ist die Sorge, dass über die Allokation der INZ Strukturpolitik durch die kalte Küche betrieben werden könnte. GBA-Chef Professor Josef Hecken hat bereits angekündigt, bei der Planung der INZ-Standorte auch auf die Erkenntnisse aus dem gestuften Notfallkonzept von 2018 zurückzugreifen. Damit wurden mehr als 600 Krankenhäuser identifiziert, die keine Zuschläge mehr für die Teilnahme an der Notfallversorgung erhalten sollen.