Gesetzentwurf

Schutz vulnerabler Gruppen bei Corona-Triage: Zwei Intensivmediziner sollen entscheiden

Die Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf vor, der Menschen mit Behinderung vor Benachteiligung in Triage-Situationen schützen soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Schritt angesichts der vierten Corona-Welle Ende 2021 angemahnt.

Veröffentlicht:
Im Fall einer pandemiebedingten Knappheit der Intensiv-Kapazitäten sollen bei einer Triage behinderte Menschen besonders geschützt sein. Dazu liegt jetzt ein Gesetzentwurf vor (Symbolbild).

Im Fall einer pandemiebedingten Knappheit der Intensiv-Kapazitäten sollen bei einer Triage behinderte Menschen besonders geschützt sein. Dazu liegt jetzt ein Gesetzentwurf vor (Symbolbild).

© Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin. Menschen mit Behinderungen, aber auch Hochbetagte sollen im Falle einer pandemiebedingten Triage künftig besonders geschützt sein. Das geht aus einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes hervor. Der Entwurf liegt der Ärzte Zeitung vor.

Wie aus der dazugehörigen Formulierungshilfe für die Ampel-Fraktionen hervorgeht, soll „bei der ärztlichen Entscheidung über die Zuteilung von pandemiebedingt nicht ausreichenden überlebenswichtigen, intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten im Krankenhaus“ niemand aus „Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden“.

Ausschlaggebend dürfe nur der Patientenwille sowie die „Dringlichkeit der intensivmedizinischen Behandlung“ und die „aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit“ sein. Komorbiditäten oder die Gebrechlichkeit sollen ärztliches Handeln dann beeinflussen, wenn durch „Schwere oder Kombination“ die „aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit“ des betreffenden Patienten „erheblich“ verringert sei.

Zwei Intensivmediziner sollen entscheiden

Die Entscheidung darüber sollen zwei „mehrjährig intensivmedizinisch erfahrene praktizierende Fachärztinnen oder Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin einvernehmlich“ herbeiführen. Beide Ärzte sollen den Patienten vorab „unabhängig voneinander“ begutachten.

Besteht kein Einvernehmen, soll eine „weitere, gleichwertig qualifizierte ärztliche Person“ hinzugezogen werden. Die Ärzte sollen dann „mehrheitlich“ entscheiden, wie zu verfahren ist.

Lesen sie auch

Zudem soll die Ausbildung von Ärzten um „behinderungsspezifische Besonderheiten“ bei pandemiebedingt knappen Behandlungskapazitäten ergänzt werden. An entsprechenden Aus- und Fortbildungsinhalten soll die Bundesärztekammer mitwirken. Ziel sei es, „das Risiko insbesondere der unbewussten Stereotypisierung nachhaltig“ zu senken und mehr Fachwissen zu behinderungsspezifischen Besonderheiten aufzubauen.

Karlsruhe verlangt „unverzügliche“ Schutzvorkehrungen

Mit ihrem Gesetzentwurf reagiert die Koalition auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe von Dezember 2021. Die Richter hatten der Regierung auferlegt, „unverzüglich“ Vorkehrungen zum Schutz behinderter Menschen bei der pandemiebedingten Triage zu treffen. Andernfalls sei zu befürchten, dass diese bei der Zuteilung intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt würden. Geklagt hatten mehrere Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen.

Lesen sie auch

Die Entscheidung in Karlsruhe fiel vor dem Hintergrund der Ende vergangenen Jahres aufbrandenden vierten Corona-Welle. Diese hatte die Intensivstationen fast bundesweit an die Belastungsgrenzen gebracht. Teils mussten Patienten in andere Bundesländer verlegt werden. Die neue Omikron-Variante hatte die Lage zusätzlich verschärft.

Intensivmediziner hatten mit Blick auf das Urteil aus Karlsruhe die Sorge geäußert, die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen könne eingeschränkt werden. Gleichzeitig hatten sie eine Gesetzesregelung angemahnt, die zu mehr Rechtssicherheit bei der Extremsituation der Triage führt. (hom/af)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kausaler Zusammenhang gesucht

Werden Jugendliche nach Hirnverletzungen öfter kriminell?

Gute Nachrichten des Jahres 2024

Positiver Jahresrückblick: Impferinnerungen via App

Aufarbeitung

Sachsen setzt Enquete-Kommission zu Corona ein

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025