Umfrage
HIV-Praxen halten der Krise stand
Obgleich HIV-Schwerpunktpraxen für Besucherschwund eigentlich prädestiniert wären, haben sie die pandemiebedingte Fluktuation bis jetzt ganz gut gemeistert. Nur vereinzelt herrscht Krisenstimmung.
Veröffentlicht:Berlin. Als Immunsupprimierte zählen HIV-infizierte oder an Aids erkrankte Patienten zu den Risikogruppen für COVID-19. Die Erwartung, dass diese Patienten während der Pandemie nach Möglichkeit Praxisbesuche vermeiden werden, hat sich bestätigt. Das zeigt eine aktuelle Mitgliederumfrage der Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä), an der sich 60 Schwerpunktpraxen beteiligt haben. Demnach verzeichnen seit Beginn erster Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen Mitte März rund die Hälfte der Praxen entweder eine leichte Abnahme der Besuche von HIV-Patienten (40 Prozent) oder sogar einen starken Rückgang (13,3 Prozent). Von einer Zunahme berichten lediglich 8,3 Prozent der Umfrageteilnehmer.
Etwas gravierender sieht es bei der Inanspruchnahme der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) aus, die erst im September vorigen Jahres in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wurde. Auch in dieser Hinsicht berichteten 40 Prozent der Teilnehmer von „leichter“ Abnahme der Fallzahlen, fast ebensoviele jedoch (36,7 Prozent) von einem „starken“ Schwund; lediglich 3,3 Prozent gaben eine Zunahme der Patientenbesuche zu Protokoll.
In der Spitze fiel der Fallzahlrückgang auch schon mal drastischer aus: Gefragt nach der Fluktuation insbesondere gesetzlich versicherter HIV-Patienten, erwarten 28 Prozent der Umfrageteilnehmer für das laufende 2. Quartal dieses Jahres einen Fallzahlrückgang gegenüber der Vergleichsperiode 2019 um 11,0 bis 25 Prozent, weitere drei Prozent der Befragten gaben bis zu -40 Prozent an und 3,7 Prozent rechnen sogar mit mehr als -40 Prozent.
Zahlen nur zu HIV- und PrEP-Patienten
Die Zahlen spiegeln allerdings nur die Besuchsentwicklung von HIV- sowie PrEP-Patienten und damit nicht unbedingt das gesamte Leistungsaufkommen der Praxen wider. Für dagnä-Geschäftsführer Robin Rüsenberg ist deshalb die Umfrage „eine wichtige Trendmessung“; dramatische Befunde ließen sich daraus aber noch nicht ableiten. „Zu einer Verkürzung von Öffnungszeiten oder zu Kurzarbeit kam es nur selten. Die HIV-Schwerpunktversorgung hat der Pandemie standgehalten.“ Zudem seien rund 80 Prozent der befragten Praxen an SARS-CoV-2-Testungen beteiligt, darunter einige als COVID-19-Schwerpunkte.
Gleichwohl, so Rüsenberg mit Blick auf den vereinzelt hohen Besuchseinbruch, sei es nötig, „dass die KVen die Möglichkeiten des Rettungsschirms auch nutzen“, damit am Ende nicht doch noch etablierte Strukturen wanken. Nach den jüngst erfolgten Lockerungen der Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung gebe es zwar „auch in den HIV-Schwerpunktpraxen wieder Zeichen der Normalisierung des Patientenzuspruchs“. Sollten die Infektionszahlen jedoch erneut nach oben schnellen, könnte sich das Blatt auch ebenso schnell wieder wenden.
Nach einer früheren Mitgliederbefragung der dagnä wurden 2017 im Schnitt 250 HIV-Patienten pro Quartal von einem Arzt mit einer Genehmigung nach der „Qualitätssicherungsvereinbarung HIV/Aids“ persönlich betreut, wobei in den meisten Zentren üblicherweise mehrere solcher Spezialisten arbeiten. Durch die GKV-Zulassung der PrEP dürfte sich dieser Wert noch erhöht haben.
Bundesweit gab es laut KBV-Statistik Ende vorigen Jahres 316 HIV-Schwerpunktärztinnen und -ärzte, die meisten in Berlin (69), im KV-Bezirk Nordrhein (41) sowie in Baden-Württemberg (37) und Bayern (36). (cw)