Digitale Dermatologie
Wie arbeiten die Hautärzte der Zukunft?
Ziemlich digital: Diesen Eindruck vermittelte das Startup-Café des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen. Videosprechstunde ist längst nicht das einzige Thema.
Veröffentlicht:Berlin. Die Dermatologie mit ihren langen Wartezeiten, ihrer stark visuellen Ausrichtung und ihrem hohen Anteil an chronischen Erkrankungen gilt als eine der Fachrichtungen, bei denen die Patienten am meisten von digitalen Strukturen profitieren können. Das sieht auch der dermatologische Berufsverband BVDD so. Der Verband hat nicht nur einen eigenen Telemedizin-Service auf die Beine gestellt. Er hat jetzt in Berlin auch einen Startup-Café-Nachmittag ausgerichtet, der einen guten Einblick in das Spektrum digitaler Anwendungen für die Dermatologie bot.
Den Hauptpreis, eine Wildcard für die Teilnahme an einer Finanzierungsrunde des Startup-Inkubators Vision Health Pioneers, ergatterte sich das junge Unternehmen LeaseLife, das die Phototherapie bei Psoriasis auf neue Füße stellen will. Dieses gut evidenzbasierte Therapieverfahren ist als Heimanwendung im Bereich der Kopfhaut etabliert.
Auch für großflächige Anwendungen an den Extremitäten gibt es Geräte, die für eine Heimanwendung zugelassen sind. Sie werden aber nicht finanziert und entsprechend kaum genutzt. Auch in Arztpraxen findet das Verfahren nur punktuell Anwendung, da es mit typischerweise 35 Praxisbesuchen für alle Beteiligten sehr aufwändig ist.
Digitale Patienten-App im Fokus
Hier setzt LeaseLife an: Ziel ist es, die großflächige Fototherapie „fit“ für die Heimanwendung zu machen. In Kooperation mit Geräteherstellern soll eine digitale Patienten-App entwickelt werden, bei der der behandelnde Hautarzt einen Behandlungsplan inklusive Dosisplanung erstellt und die applizierte Dosis des UV-Lichts sowie die Patienten-Compliance bei Heimanwendung sensorgestützt überwachen kann. So soll sichergestellt werden, dass die UV-Therapie auch dann sachgerecht durchgeführt wird, wenn sie nicht in den Praxisräumen stattfindet.
Ebenfalls einen Preis, nämlich eine Beratung durch das Beratungsunternehmen fbeta im Hinblick auf die Zulassung als digitale Gesundheitsanwendung beim BfArM, erhielt das noch ganz junge Startup DermaDigital. Es entwickelt für Patienten mit Allergien oder atopischen Hauterkrankungen gerade eine App, mit der Hautpflegeprodukte in der Drogerie oder der Apotheke eingescannt werden können. So können sich Patienten vor Ort über die Inhaltsstoffe und die individuelle Hautverträglichkeit informieren, ohne die Listen von Inhaltsstoffen im Detail durchgehen zu müssen. Am Ende soll so die Basistherapie bei chronischen Hauterkrankungen effektiver werden.
Neurodermitis-App soll Therapieempfehlungen geben
Auf Patienten mit atopischen Erkrankungen zielt auch das schon etwas größere und dank einer DAK-Kooperation deutlich bekanntere Unternehmen Nia Health. Es bietet die nach eigenen Angaben bisher einzige Neurodermitis-App an, die ein zugelassenes Medizinprodukt ist.
Zu deren Komponenten gehört zum einen ein umfangreiches Patientenschulungsprogramm, zum anderen eine detaillierte Erkrankungsdokumentation, die grafisch aufbereitet dem Arzt zugänglich gemacht werden kann. Auf Dauer sollen Maschinenlernalgorithmen auch individuelle Präventions- und Therapieempfehlungen geben. Derzeit sind diese Algorithmen aber noch in Ausbildung.
Neben weiteren Anbietern war schließlich auch OnlineDoctor in Berlin vor Ort. Dieser mit dem BVDD kooperierende Dienstleister erlaubt es Dermatologen, eine „teledermatologische Ersteinschätzung“ auf Selbstzahlerbasis anzubieten. Dies geschieht nicht als Videosprechstunde, sondern „asynchron“ auf Basis eingesandter Bilder und einer digitalen Anamnese.
Telemedizinische Erfolgsgeschichte
An deutschen Telemedizinstandards gemessen ist das eine Erfolgsgeschichte: Seit dem Launch vor einem Dreivierteljahr haben sich über 500 niedergelassene Dermatologen registriert und über 15000 Patientenfälle abgewickelt. Die Patienten werden entweder direkt mit einer Empfehlung beziehungsweise einem Rezept versorgt, oder ihnen wird geraten, persönlich zu erscheinen.
Der Service sei ein gutes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, durch enge Einbindung der praktizierenden Ärzte und durch einen klaren Fokus auf Qualität die digitale Transformation sinnvoll voranzubringen, sagte BVDD-Präsident Dr. Klaus Strömer: „Wir kennen unsere Pappenheimer, und wir kennen unsere Patienten.“