HINTERGRUND

Selbst wenn Diätkonzepte noch so plausibel klingen, in der Praxis bringen sie Dicken alle gleich wenig

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

Haben sich Heerscharen von Ernährungswissenschaftlern vergeblich den Kopf darüber zerbrochen, welche Diät zum Abnehmen wohl die beste ist?

Die Ergebnisse einer Studie, in der der Erfolg der Atkins-, der Ornish, der Zone- und der Weight-Watchers-Diät verglichen wurde, sind zumindest sehr ernüchternd: Ob man auf wenig Fett- oder Kohlenhydrate in der Nahrung achtet, ob man Kalorien zählt, seinen Insulinspiegel im Lot hält oder Fleisch meidet - offenbar ist das beim Abnehmen kaum von Bedeutung.

In der Studie von Dr. Michael Dansinger aus Boston verloren selbst die, die sich ein Jahr lang an die Diätvorschriften hielten, kaum mehr als sieben Prozent ihres Körpergewichts, egal, mit welcher Diät sie sich quälten (JAMA 293, 2005, 43). Doch kleine Unterschiede bei den Diäten gab es durchaus, etwa bei kardiovaskulären Risikofaktoren. Allerdings waren sie nicht signifikant, nicht zuletzt, weil die Teilnehmerzahl mit 160 Personen recht gering war. Die Diäten im einzelnen:

  • Die Atkins-Diät, von dem US-Arzt Dr. Robert Atkins entwickelt, setzt auf eine niedrige Kohlenhydrat-Aufnahme. Sie sollte zu Beginn der Diät täglich 20 Gramm nicht übersteigen. Die Kohlenhydrate sollten zudem überwiegend aus Stärke-armem Gemüse stammen. Nicht eingeschränkt wird dagegen der Konsum von Fett und Fleisch. Die Idee ist, den Körper von der Verbrennung von Kohlenhydrate auf die Verbrennung von Fett umzustellen. Damit lassen sich nach der Atkins-Theorie auch die Fettpolster bei Dicken leichter abbauen. Allerdings fällt es Schwergewichtigen besonders schwer, auf Kohlenhydrate zu verzichten. In der Dansinger-Studie gab knapp die Hälfte der 40 Teilnehmer mit Atkins-Diät innerhalb eines Jahres auf. Der Rest aß im Schnitt knapp 70 statt der erwünschten 20 Gramm Kohlenhydrate täglich und wog nach einem Jahr nur knapp vier Prozent weniger als vor der Diät. Auch die Senkung des LDL war nach einem Jahr recht gering: Ein Minus von im Schnitt 13,5 mg/dl. Dagegen war der Anstieg beim HDL mit 6,4 mg/dl im Vergleich mit den anderen Diäten am höchsten. Einen positiven Einfluß auf den Nüchtern-Glukose-Spiegel hatte die Diät nur zu Beginn: In den ersten beiden Diät-Monaten fiel der Wert um 13 mg/dl, am Ende lag er aber wieder knapp über dem Basiswert von 127 mg/dl.
  • Die Ornish-Diät, benannt nach dem US-Kardiologen Professor Dean Ornish, fordert einen Verzicht von stark Fetthaltigem. Nur zehn Prozent der täglich aufgenommenen Kalorien sollten aus Fett stammen. Gemüse, Obst und Getreide darf in beliebigen Mengen konsumiert werden, fettarme Milchprodukte nur in Maßen. Fleisch, Öle, Nüsse, Samen, Zucker, Honig, Alkohol, Vollmilch sowie alles, was pro Portion mehr als zwei Gramm Fett hat - das ist tabu. Doch offenbar ist diese Diät ebenso schwer einzuhalten wie die Atkins-Diät: Die Hälfte der Teilnehmer in der Dansinger-Studie gaben innerhalb eines Jahres auf. Auch die Diät-Vorschriften konnte kaum jemand einhalten. Nach einem Monat Diät lag der Fettanteil in der Nahrung im Schnitt bereits bei 27 Prozent, nach einem Jahr bei 35 statt bei zehn Prozent. Immerhin: Der LDL-Wert ließ sich im Schnitt um 25 mg/dl senken, der HDL-Wert jedoch nicht erhöhen. Der Nüchtern-Glukose-Wert ging im Vergleich mit den anderen Diäten am stärksten zurück: minus 8,2 mg/dl. Die Gewichtsabnahme lag bei 6,6 Prozent - kein signifikanter Unterschied zu den anderen Diäten.
  • Die Zone-Diät setzt auf eine ausgeglichene Ernährung mit Kohlenhydraten, hauptsächlich aus Obst und Gemüse sowie ungesättigten Fettsäuren, etwa aus Fischen, Nüssen, Avokados oder Pflanzenölen. Tabu sind stärkehaltige Kohlenhydrate, etwa aus Nudeln, sowie gesättigte Fettsäuren. Die Nahrung sollte zu 40 Prozent aus Kohlenhydraten, zu 30 Prozent aus Fett und zu 30 Prozent aus Protein bestehen. Ein Ziel ist etwa, den Insulinspiegel in einem stabilen Bereich ("Zone") zu halten und starke Schwankungen zu vermeiden. Dies soll den Aufbau von Fettreserven bremsen. In der jetzt veröffentlichten Studie gelang damit tatsächlich eine stärkere Senkung des Insulinwerts als mit den anderen Diäten, und zwar von im Schnitt 31 auf 21,5 µU/ml, doch der durchschnittliche Gewichtsverlust war deshalb nicht höher, er lag bei knapp fünf Prozent.
  • Bei der Weight-Watchers-Diät ist die Kalorienzahl entscheidend. Gegessen und getrunken werden darf, was schmeckt, jedoch nur bis zu einem gewissen Kalorienlimit. So wird jedem Nahrungsmittel eine Punktzahl zugeordnet. Jeder Punkt entspricht grob 50 Kilokalorien. Die Teilnehmer dürfen eine gewisse Punktzahl nicht überschreiten. Beim Diäten-Vergleich hielten immerhin zwei Drittel der Teilnehmer diese Diät ein Jahr lang durch. Die Gewichtsabnahme lag mit 4,6 Prozent im Mittelfeld. Günstig war die Abnahme der Triglyzeridwerte von im Schnitt 154 auf 134 mg/dl.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Nur noch Möhrchen? Wie grauenhaft!

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Nach Bundesrats-Votum

Unterschiedliche Reaktionen auf beschlossene Klinikreform

Kommentar zur Entscheidung des Bundesrats

Klinikreform – ein Fall fürs Lehrbuch

Lesetipps