Magenband und Co.

Immer mehr Fettleibige legen sich unters Messer

Viele krankhaft übergewichtige Patienten bekommen ihr Gewicht nicht mehr in den Griff - und lassen sich deswegen operieren. Die Zahl der Eingriffe mit Adipositas-Chirurgie wächst, die Kosten steigen.

Von Julia Ranniko Veröffentlicht:
Ein 260 Kilogramm schwerer Patient wird auf eine Operation vorbereitet.

Ein 260 Kilogramm schwerer Patient wird auf eine Operation vorbereitet.

© Waltraud Grubitzsch / dpa

HAMBURG. Immer mehr stark übergewichtige Patienten sehen eine Operation als letzte Hoffnung zum Abnehmen. Die Zahl der Eingriffe bei adipösen Menschen hat im vergangenen Jahr bei der DAK-Gesundheit einen neuen Höchststand erreicht.

Bundesweit wurden 2012 bei der Kasse 669 Operationen mit Magenband, Magenballon oder Magenverkleinerung abgerechnet, wie ein Sprecher in Hamburg erklärte. "Der Trend setzt sich 2013 fort."

Vor allem Frauen, die ihr Gewicht trotz Sport und Ernährungsumstellung nicht in den Griff bekommen, legen sich demnach unters Messer.

Zahl der komplexen Eingriffe nimmt zu

Von 2008 bis 2012 stieg die Zahl der Eingriffe den Angaben zufolge um 64 Prozent. Die Ausgaben pro Jahr haben sich in dieser Zeit mehr als verdoppelt - von 2 Millionen 2008 auf 4,6 Millionen Euro 2012.

Auch die durchschnittlichen Kosten für eine Op kletterten nach der Statistik deutlich: 2008 lagen die sogenannten Fallkosten je Eingriff bei knapp 5000 Euro, im ersten Halbjahr 2013 bei fast 7500 Euro.

Als Ursache sieht die DAK-Gesundheit die zunehmende Zahl komplexer Eingriffe - etwa Magenbypässe statt Magenband.

Massiv übergewichtige Menschen haben oft auch Diabetes, Bluthochdruck und andere Begleiterkrankungen. Ihre Lebenserwartung ist daher häufig verringert.

Nach einer Operation nehmen die Patienten in der Regel rapide ab, und auch die Begleiterkrankungen lassen nach. Solche Eingriffe erfordern allerdings eine lebenslange Nachsorge.

In Berlin und Hamburg lag die Quote der behandelten Fettleibigen laut DAK-Gesundheit weit über dem Bundesdurchschnitt. "2012 kamen auf 100.000 Versicherte in Berlin und Hamburg 41 beziehungsweise 33 Operationen von Adipösen, während es bundesweit nur 12 Eingriffe waren", hieß es.

Die Kasse führt dies darauf zurück, dass viele Menschen aus dem Umland in die Spezialzentren in Berlin und Hamburg kommen.

"Wenn wir so weitermachen, ersticken wir an unserem Fett"

Die Statistik zeigt auch einen klaren Geschlechtsunterschied: 81 Prozent der Krankenhausbehandlungen waren im ersten Halbjahr 2013 bei Frauen.

Eigentlich seien jedoch Männer dicker als Frauen, erklärte Oliver Mann, der chirurgische Leiter des Adipositaszentrums des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).

Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland hätten Schätzungen zufolge ein "operationswürdiges Gewicht", berichtete Mann. Die Zahl der Übergewichtigen steige derzeit zwar nicht wesentlich, der Anteil der krankhaft Übergewichtigen allerdings nehme dramatisch zu.

Der Grund sei unsere Lebensweise: Wir essen zu viel und bewegen uns zu wenig. "Wenn wir so weitermachen, ersticken wir an unserem Fett."

Mehraufwand für Krankenhäuser

Allein am UKE-Adipositaszentrum werden in diesem Jahr etwa 300 fettleibige Menschen operiert. Zum Vergleich: 1997/98 waren es noch rund zehn pro Jahr. An dem Zentrum gibt es längst auch spezielle Rollstühle, Betten und Operationsinstrumente für besonders schwere Menschen.

Grundsätzlich seien die Kliniken in Deutschland auf fettleibige Patienten vorbereitet, heißt es bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft. "Eine solche Spezialausstattung bedeutet für die Krankenhäuser natürlich einen Mehraufwand."

Bevor die Adipositas-Chirurgie infrage kommt, müssen Ernährungs-, Bewegungs- oder Verhaltenstherapien gescheitert sein.

Zudem müssen die Patienten mehr als fünf Jahre lang einen Body Mass Index (BMI) über 40 haben. Bei Begleiterkrankungen wie etwa Diabetes kommt eine Op auch bei einem BMI ab 35 in Betracht. (dpa)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Blaues Wunder Adipositas

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Kommentare
Michael Odinius 11.09.201316:14 Uhr

Barsbütteler Modell Adipositastherapie ist definierter Leistungsinhalt der Kassen nach SGB V u IX

Unter geeigneten Voraussetzungen übernehmen bereits jetzt die Kassen die im SGB V u IX zugesagte und zu gewährleistende, dem medizinischen Erkenntnisstand entsprechende Versorgung im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages,weil sie grundsätzlich in der Pflicht sind, die Kosten der Behandlung Adipöser als chronisch Kranke zu tragen, zumal es sich um eine Erkrankung im versicherungsrechtlichen Sinne handelt.“ (Urteil BSG vom 19.2.2003 BSGE 59, 119 (121).
Dies könnte allerdings schon jetzt in wesentlich größerem Umfang geleistet werden kann, als das momentan als Folge einer unzureichenden Informationspolitik und verbreiteten Unkenntnis der hierfür relevanten Gesetzesnormen und Modalitäten insbesondere des § 43 SGB V genutzt wird.


So konnte hier mit dem Barsbütteler Modell ein Versorgungskonzept etabliert werden, dass allen Adipösen den Zugang zur qualifizierten Adipositastherapie ermöglicht und von allen Kassen getragen wird und für die Basismaßnahme von 3 Monaten bis zu 100% der Kosten für Gruppen und individuelle ernähungsmedizinische Beratung (außerhalb! des Honorartopfes für die vertragärztlichen Versorgung) erstattet, was im Einzelfall auch für die Folge / Langzeitmaßnahme bis zu 1 Jahr gilt.

Besonders profitieren die o.a. Patienten, die aufgrund von Ausschlusskriterien in "gängigen" Programmen von der Krankenbehandlung ausgeschlossen werden bis eine bariatrische Op unumgänglich ist, deren vielfach höhere Kosten dann i.d.R. zu tragen sind. (Landessozialgericht Rheinland Pfalz 21. Febr. 2013 AZ: L5 KR 194/12)

Die Information durch den Hausarzt als Behandler und verantwortlicher spielt also ein große Rolle. Alleine die nach PatRg geforderte Dokumentation und Kodierung nach ICD 10 bringt die Kassen auf Anfrage/ Antrag des Patienten in die Pflicht über geeignete Therapiemöglichkeiten zu informieren.

"Verpflichtet im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 2 ist vielmehr alleine die Krankenkasse, die ihren Versicherten auch entsprechend zu informieren hat.
Mit freundlichen Grüßen

i.A. Dr. jur. Christoph Weinrich
Senior-Referent

Kassenärztliche Bundesvereinigung
- Rechtsabteilung -"

Ein Antrag des Patienten an die Kasse auf Ernährungstherapie nach 43§ und die indikationsbegründende Diagnose(n)des Haus/Facharztes als Praxisstandard wären ein Meilenstein in der Versorgung, um mit minimalem Aufwand Maximales erreichen könnte.

Allerdings ist dieser Weg den meisten Ärzten nicht bekannt oder wird infolge mangelnder Aufklärung auch falscher Vorstellungen hierüber leider nicht beschritten.

Dadurch bleiben notwendige, Maßnahmen, Aufklärungen und effektive Therapien ungenutzt zum Nachteil von Patienten, verbunden aber auch mit enormen Folgekosten für das Gesundheitssystem und neuerdings weitreichenden Folgen für die Ärzte, die sich aus dem Anforderungen nach § 630 BGB (PatRG) ergeben.

Dies ist ein Grund mehr, frühzeitig die Adipositas zu erkennen und zu dokumentieren. Denn: "Wenn Ärzte einen Befund nicht erheben oder dies nicht dokumentieren, kann dieser Fehler weitreichende Folgen haben. Nach einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe gilt dann eine weite Beweislastumkehr zugunsten der Patienten.
Diese umfasst alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Risiken, die sich schon durch das Fehlen des Befundes ergeben, heißt es in einem karlsruher Urteil vom 2. Juli 2013. Az.: VI ZR 554/12" Ärzte Zeitung online, 05.09.2013



Die Leistungsfähigkeit ambulanter Adipositastherapie wird im Allgemeinen unterschätzt, weil statt metabolisch klinischer Parameter und bestehendem Nährstoffmangel das "Erfolgs"- Kriterium Gewichtsverlust meist zu falschen und eher gesundheitsgefährdenden Strategien führt.

Im anderen Fall sind hier durchaus die von der bariatrischen Chirurgie beschrieben metabolische Effekte zu beobachten. Hierzu gehören Normalisierung von HBa1c sogar bei Werten >

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