Adipositas
Experten wollen die Op im GKV-Leistungskatalog
Vorurteile sorgen dafür, dass krankhaftes Übergewicht bislang kaum leitliniengerecht behandelt wird. Experten fordern mehr spezialisierte Ärzte, gute Programme sowie Kassen, die die Kosten bei notwendigen Operationen übernehmen.
Veröffentlicht:BERLIN. Die bariatische Chirurgie ist das Verfahren, mit dem laut Studien eine Adipositas am effektivsten zu behandeln ist. Dennoch empfiehlt Professor Matthias Blüher, Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft, diese nicht als Mittel der ersten Wahl bei einer Behandlung.
Wohl aber gehört der Eingriff für den Experten zu einem gestuften, leitliniengerechten Verfahren, mit dem Adipositas-Patienten ein Leben lang zu begleiten sind. Bislang zahlen die Krankenkassen jedoch nur in Einzelfällen für die Adipositaschirurgie,
"Wir können Menschen mit Adipositas nur helfen, wenn die Behandlungsleitlinien endlich konsequenter umgesetzt werden. Dies gelingt nur, wenn Krankenkassen die Kosten für eine medizinisch begründete Therapie übernehmen", sagte Blüher am Montag bei der Vorstellung des "Weißbuch Adipositas" in Berlin.
Operative Eingriffe im Magen-Darm-Trakt führen demnach vor allem langfristig zu positiven Effekten. So haben Betroffene beispielsweise noch zehn Jahre nach der OP ein um rund 16 Prozent niedrigeres Körpergewicht als davor. Mit Verhaltenstherapie, körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung lässt sich diese Wirkung nicht erzielen.
"Multimodale konservativen Therapien wie etwa ,Mobilis‘ bewirken selbst nach vier Jahren nur einen leichten Rückgang des Gewichts und verbessern kaum Parameter wie LDL-Cholesterin, Blutzucker oder Blutdruck", sagt Hans-Holger Bleß.
Der Leiter des Bereichs Versorgungsforschung am Berliner IGES Institut hat als einer der Autoren die Daten des "Weißbuch Adipositas" recherchiert und ausgewertet. Jeder vierte Erwachsene in Deutschland ist demnach adipös. 44 Prozent der Männer und 29 Prozent der Frauen gelten als übergewichtig . Extrem fettleibig waren 2011 acht Prozent der Frauen und fünf Prozent der Männer.
Betroffene sehen sich oft mit Schuldzuweisungen konfrontiert
Bleß kritisierte, dass die Betroffenen nicht ausreichend versorgt werden. Diese liege daran, dass Adipositas nicht als Krankheit anerkannt und den Betroffenen oftmals mit Schuldzuweisungen begegnet werde. In der hausärztlichen Versorgung mangele es nicht nur am Wissen, sondern auch an den Strukturen für die zeitaufwendige und komplexe Anamnese und Therapie.
Bundesweit gebe es lediglich 74 qualifizierte Schwerpunktpraxen - zu wenig für eine flächendeckende Versorgung. Er bemängelte auch, dass die Kassen eine leitliniengerechte Therapie samt OP nicht umfassend finanzieren. Mit 8,8 Eingriffen je 100.000 Einwohner im Jahr liegt Deutschland bei den bariatrischen Eingriff deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 21,3 Eingriffen auf 100.000 Einwohner.
Im Kosten-Nutzen-Vergleich liegen die chirurgischen Eingriffe mit 37.597 Euro pro Patient auf 20 Jahre hochgerechnet etwas unter den 38.026 Euro für eine konventionelle Therapie. Der Nutzen der bariatrischen Chirurgie liegt laut Weißbuch im Schnitt bei 8,29 Jahre von hoher Lebensqualität (QALY). Die konventionelle Behandlung brachte in dieser Rechnung im Schnitt nur 5,69 Lebensjahre von hoher Lebensqualität.
CDU-Bundestagsabgeordneter Dietrich Monstadt, forderte die Akteure aus unterschiedlichen Bereichen dazu auf, eine "Nationale Adipositas Strategie" zu entwickeln. Auch müsse die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über Kampagnen die Bevölkerung besser aufklären. In der GKV seien die Anreize so zu setzen, dass sich die langfristige Behandlung eines Patienten auszahle.