Allergische Rhinitis
Mehr Erstmanifestationen bei Älteren?
Die Zahl älterer Patienten mit allergischer Rhinitis nimmt zu. Ein Grund, sich mit den speziellen Umständen einer Allergie in höheren Lebensjahrzehnten zu beschäftigen.
Veröffentlicht:MANNHEIM. Die allergische Rhinitis ist eine Volkskrankheit - etwa jeder dritte Deutsche ist betroffen.
Die Allergie entwickelt sich meist im Kindesalter. In 80 Prozent der Fälle bricht sie vor dem 30. Lebensjahr aus, wie die Deutsche Fortbildungsgesellschaft der HNO-Ärzte mitteilt.
Doch auch in höheren Lebensaltern manifestieren sich allergische Erkrankungen. Und das mit steigender Tendenz, wie Dr. Martin Wagenmann von der Universitäts-HNO-Klinik Düsseldorf bei der 47. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärzte in Mannheim ausführte.
Seinen Angaben zufolge leiden heute bereits acht Prozent der Menschen zwischen 60 und 69 Jahren an Heuschnupfen. Bei den 70- bis 79-Jährigen sind es fünf Prozent.
In den nächsten Jahren dürfte die Zahl betagter Allergiker durch den demografischen Wandel noch deutlich steigen. Im Jahr 2060 wird ein Drittel der Deutschen Bevölkerung über 65 Jahre alt sein.
Über die Zeit der Erstmanifestation verrät die Statistik freilich nichts. So bringen einige Patienten die Erkrankung sicherlich aus frühen Lebensjahren mit. Andererseits wird die Bevölkerung immer älter. Damit müssen Erstmanifestationen im höheren Alter zwangsläufig zunehmen.
Auf jeden Fall ändert sich die Wahrnehmung älterer Patienten mit allergischer Rhinitis. So sieht Wagenmann einen Anstieg der Neuerkrankungen im höheren Lebensalter in seinem klinischen Alltag bestätigt. Eine Einschätzung, die nicht jeder Kollege im Mannheimer Auditorium teilte.
Wenn das Immunsystem altert
Dass sich das Immunsystem im Alter verändert, darüber ist man sich einig. Durch die Immunseneszenz steigt die Infektanfälligkeit, schwere Krankheitsverläufe nehmen zu und die Immunantwort wird schlechter.
Wagenmann verwies auf Untersuchungen, die zeigten, dass das Immunsystem im Alter über weniger CD4- und CD 8-positive T-Zellen verfügt. Außerdem ist die B-Zellen-Antwort reduziert. Dafür treten vermehrt Th2-Zellen auf. Ein typisches Muster, das dem von Allergikern entspricht.
Besonders schwer wiegen im Alter die krankheitsbedingten Einbußen der Lebensqualität. Gerade die kognitive Leistung leidet unter der allergischen Rhinitis - vor allem bei Langzeitaufgaben. "Das ist vergleichbar mit Autofahren bei 0,8 Promille", sagte Wagenmann.
Er nahm damit die Ergebnisse einer Studie zur Fahrtauglichkeit älterer Allergiker vorweg. Hinzu kommen Schlafstörungen und die damit einhergehende Tagesmüdigkeit, die bei schwerer allergischer Rhinitis ausgeprägt sind.
Hyposensibilisierung auch mit über 50 Jahren
Die Familienanamnese fällt bei älteren Allergikern häufig negativ aus, was auf eine schwächere genetische Disposition schließen lässt. Die Sensibilisierungsmuster unterscheiden sich hingegen nicht von denen jüngerer Patienten. Auch die immunologischen Parameter sind vergleichbar.
In der Diagnostik und Therapie existiert ebenfalls kein Unterschied. Denn anders als früher angenommen ist das Alter keine Kontraindikation für eine spezifische Immuntherapie (SIT).
Sie verhindert auch bei über 50-Jährigen weitere Sensibilisierungen und schützt vor Asthma. Außerdem bessert sie die Symptome und reduziert die Einnahme von Medikamenten.
Dies ist sowohl für die subkutane (SCIT) als auch die sublinguale (SLIT) Immunisierung belegt. Außerdem könne eine bestehende Hyposensibilisierung im Alter wiederholt werden, empfahl Wagenmann. Die Wirkung der SIT lasse nach zehn bis 15 Jahren nach.
Komorbiditäten entscheidend
Zu beachten sind altersbedingte Komorbiditäten. So sind Betablocker eine Kontraindikation für die SCIT. Für die SLIT könne sich das in Zukunft ändern, deutete Wagenmann an, ohne dabei konkret zu werden.
Auch ACE-Hemmer gelten in Deutschland als Kontraindikation für eine Immuntherapie. Im Falle eine Anaphylaxie würden diese Medikamente die Wirkung des lebensrettenden Adrenalins blockieren, wie Dr. Michael E. Deeg, HNO-Arzt und Allergologe in Freiburg, im Interview mit Springer Medizin erläutert. (siehe Video-Interview oben)
Darüber hinaus birgt ein Notfallmanagement bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen grundsätzlich große Risiken.
Nach überstandenem Tumor, bei HIV oder Autoimmunerkrankungen sei eine Hyposensibilisierung hingegen nicht generell ausgeschlossen, sagte Wagenmann. Er riet Kollegen, die Patienten gut aufzuklären und das Vorgehen sorgfältig zu dokumentieren.