Warnung für Übertherapie
Viele Asthmapatienten sind wohl gar keine
Kanadische Ärzte warnen vor einer Übertherapie mit Asthmamedikamenten: Viele Patienten würden aufgrund von Diagnosen behandelt, die einer Überprüfung nicht standhielten.
Veröffentlicht:OTTAWA. Bei jedem dritten Patienten mit ärztlich festgestelltem Asthma lässt sich die Diagnose nicht objektiv bestätigen. Fast 90 Prozent von ihnen haben selbst ein Jahr nach Absetzen jeglicher Asthmamedikation keinerlei Hinweise auf ein Asthma.
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Das hat eine prospektive Untersuchung von erwachsenen Asthmapatienten in Kanada ergeben. Es bleibt unklar, ob das Phänomen auf Spontanremissionen oder auf Fehldiagnosen zurückgeht. Die später revidierten Diagnosen waren jedoch häufig nicht aufgrund einer Spirometrie gestellt worden (JAMA 2017; 317: 269).
Die 701 erwachsenen Studienteilnehmer waren zufällig ausgewählt worden, bei ihnen war in den letzten fünf Jahren Asthma diagnostiziert worden. Ausschlusskriterien waren Therapie mit oralen Steroiden, Schwangerschaft, Stillen, Kontraindikation gegen bronchiale Provokation und Raucherhistorie mit mehr als zehn Packungsjahren.
Daten von 613 Patienten mit allen Untersuchungen wurden in der Auswertung berücksichtigt. 87 Prozent von ihnen wendeten bei Untersuchungsbeginn noch Asthmamedikamente an, 45 Prozent nutzten täglich Controller-Medikamente (inhalierbare Kortikosteroide und/oder Leukotrienantagonisten).
Zur Überprüfung der Asthmadiagnose schlichen alle Patienten ihre Dauermedikation aus. Die Asthmadiagnose galt als gesichert, wenn sich die Einsekundenkapazität (FEV1) nach Inhalation eines Bronchodilatators um mindestens 12 Prozent verbesserte, eine Provokation mit Metacholin positiv ausfiel (FEV1-Rückgang =20 Prozent) oder der durchschnittliche exspiratorische Spitzenfluss tagesabhängig um mehr als 10 Prozent schwankte. Bei 410 Patienten wurde so die Diagnose gesichert, die übrigen 203 (33 Prozent) litten demnach aktuell nicht an Asthma.
Beim Vergleich der beiden Gruppen ergaben sich mehrere Faktoren, die die Bestätigung einer früheren Asthmadiagnose wahrscheinlicher machten. Dies waren niedrigere FEV1-Werte, täglicher Gebrauch von Asthmamedikamenten, objektive Bestätigung der Atemflusslimitation bei der Erstdiagnose und Wheezing in der Anamnese. Von den Patienten mit Ausschluss eines Asthmas hatten anfänglich nur 44 Prozent eine Spirometrie absolviert, in der Gruppe mit nachgewiesenem Asthma waren es immerhin 56 Prozent gewesen.
Von den 203 Patienten mit Asthma-Ausschluss hatten 22 im darauf folgenden Jahr einen positiven Provokationstest. Sechs von ihnen waren auch sonst symptomatisch und nahmen ihre Asthmatherapie wieder auf. Bei 181 Patienten gab es weiterhin keine Hinweise auf ein Asthma. Unter den langfristig symptomfreien Teilnehmern waren auch 68, die zuvor täglich Controllermedikamente angewendet hatten; das war jeder vierte Patient aus dieser Gruppe.
Bei widerlegter Asthmadiagnose wurden teilweise andere, zumeist harmlose Erkrankungen festgestellt, etwa eine allergische Rhinitis oder Refluxkrankheit. Bei zwölf Patienten (2 Prozent) erwies sich das vermeintliche Asthma als Fehlinterpretation schwerer kardiorespiratorischer Erkrankungen. Darunter waren viermal KHK, zweimal subglottische Stenose, zweimal Bronchiektasien und je einmal interstitielle Lungenerkrankung, Lungenhochdruck, Sarkoidose und Tracheobronchomalazie.
Bei einigen Studienteilnehmern sei zwar von einer Asthma-Remission auszugehen, so die Studienautoren. So war bei 11 Prozent der Patienten mit nicht bestätigtem Asthma die Erstdiagnose auf Basis von Lungenfunktionsuntersuchungen erfolgt.
"Die Studie spricht aber auch dafür, dass es im ambulanten Bereich zu Asthma-Fehldiagnosen kommt", so die Ärzte um Dr. Shawn D. Aaron von der University of Ottawa. Sie mahnen daher, sich bei der Erstdiagnose nicht allein auf Symptome zu verlassen, sondern möglichst immer objektive Untersuchungen zu veranlassen. Zudem sei die Leitlinienempfehlung wichtig, bei Patienten mit langfristig kontrolliertem Asthma eine Therapie-Reduktion zu versuchen.