Therapie mit Statinen
Von wegen erhöhte Demenz-Gefahr
Verursachen Statine womöglich Gedächtnisstörungen? Ja, glaubt die FDA - und hat eine Warnung herausgegeben. Nein, sagen jetzt US-Forscher. Ihre Studie zeigt das Gegenteil: Statine scheinen vor einer Demenz zu schützen.
Veröffentlicht:PHILADELPHIA. Erinnerungslücken, Gedächtnisstörungen, Verwirrung - in den USA haben einige Patienten nach der Einnahme von Statinen über solche Symptome berichtet.
Nach dem Absetzen der Medikamente verschwanden die Beschwerden angeblich wieder.
Auch wenn ein kausaler Zusammenhang dadurch noch lange nicht belegt ist - die US-Zulassungsbehörde nimmt die Berichte ernst und hat im Februar 2012 ihre Warnhinweise zu Statinen erweitert: Diese könnten womöglich auch die Ursache für akute Gedächtnisprobleme sein.
Bisher ging man allerdings eher davon aus, dass Statine die Gedächtnisfunktion im Alter erhalten. Darauf deuten zumindest große Kohortenstudien.
Die Frage ist nun, ob es sich bei den beobachteten kognitiven Störungen um eine sehr seltene Nebenwirkung, reinen Zufall oder doch um eine generell ungünstige Wirkung der Mittel auf die Hirnfunktion handelt.
Demenzrate mit Statinen niedriger
Zumindest Letzteres lässt sich wohl ausschließen, vermuten Forscher um Karl Richardson vom Perelman Center for Advanced Medicine in Philadelphia nach einer umfassenden Analyse der Statin-Literatur.
Insgesamt werteten sie 57 Studien zum Demenzrisiko oder zur kognitiven Leistung unter Statinen aus (Ann Intern Med 2013; 159: 688).
Dabei ergab die Analyse von zehn Kohortenstudien eine reduzierte Demenzrate unter Statinen (minus 13 Prozent). Bei der Kohortenstudie mit der höchsten Qualität war die Rate sogar um 59 Prozent niedriger.
Als noch stärker erwies sich die Risikoreduktion in den Kohortenstudien speziell für eine Alzheimerdemenz (minus 21 Prozent) oder eine leichte kognitive Störungen (minus 34 Prozent).
Auch Fall-Kontroll-Studien und Querschnittstudien deuteten eher auf ein niedrigeres Demenzrisiko unter Statinen, keinesfalls aber auf ein höheres.
Infos zu Kognitionstests analysiert
In den relativ kurz laufenden klinischen Studien zeigten sich erwartungsgemäß keine signifikanten Unterschiede bei der Demenzrate. Daher legten die Studienautoren ihr Augenmerk hier besonders auf die unterschiedlichen Kognitionstests.
Sie fanden eine klinische Statinstudie, in der auch die kognitive Leistung am Anfang und am Ende ermittelt wurde. Dabei ergaben sich keine Unterschiede zwischen Placebo und Statintherapie.
In Kohorten- und Querschnittstudien wurde gelegentlich eine signifikant bessere Hirnleistung bei Patienten unter Statinen beobachtet, nie aber eine schlechtere.
Insgesamt vier kontrollierte Studien gab es auch bei Patienten mit Alzheimerdemenz, hierbei zeigten sich auf der ADAS-cog-Skala keine Unterschiede zwischen Placebo und Statin.
In drei der Studien zeigten sich auch keine Unterschiede beim MMSE-Wert, in einer Studie war dieser bei Patienten mit Statin signifikant besser.
Kohortenstudien lieferten gemischte Ergebnisse: Vier von sieben Studien mit Alzheimerpatienten oder solchen mit leichten kognitiven Störungen (MCI) ergaben keine signifikanten Unterschiede beim ADAS-cog- und beim MMSE-Wert, bei drei schienen Statinpatienten im Vorteil.
Analysierten die Forscher um Richardson nun die einzelnen kognitiven Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis oder Verarbeitungsgeschwindigkeit, so fanden sie im Wesentlichen das gleiche Bild: In der Regel gab es keine Unterschiede, und wenn, dann zugunsten der Patienten mit Statinen.
Postmarketing-Datenbank: kein erhöhtes Risiko
Schließlich schauten sie sich auch die FDA-Postmarketing-Datenbank zu unerwünschten Wirkungen genauer an.
Kognitive Probleme wurden im Schnitt bei 1,9 pro einer Million Statin-Verschreibungen beobachtet, ähnlich viele waren es mit Losartan und Clopidogrel (1,6 und 1,9 pro Million Verschreibungen), also zwei anderen Herz-Kreislauf-Medikamenten, die sie zum Vergleich heranzogen.
Weder die bisherigen Studien noch die FDA-Datenbank liefern Hinweise, dass Statine die Kognition beeinträchtigen, folgert das Team um Richardson und nimmt die FDA-Warnung mit Verwunderung zur Kenntnis.
Zum einen scheine die Warnung nur auf einigen Einzelfallberichten zu beruhen, zum anderen seien solche Berichte unter Statinen nicht häufiger als unter anderen Herz-Kreislauf-Medikamenten, für die keine entsprechende Warnung vorliege.