Bei Operationen
Höheres Demenzrisiko nach Anästhesie
Wer sich operieren und dafür anästhesieren lassen muss, hat danach ein etwa doppelt so hohes Risiko, an Demenz zu erkranken. Das wollen Forscher aus Taiwan herausgefunden haben. Erklären können sie den Zusammenhang allerdings nicht.
Veröffentlicht:TAIPEH. Anästhesie plus anschließender Operationen erhöhen offenbar das Risiko, an Demenz zu erkranken. Das zeigt eine Studie aus Taiwan.
Die Arbeitsgruppe um Pin-Liang Chen von der National Taiwan University in Taipeh hatte sich die Krankengeschichten von knapp 25.000 Patienten im Alter ab 50 Jahren angesehen, die nach 1995 erstmals einer Anästhesie unterzogen worden waren.
Rund 111.000 Personen gleichen Alters und Geschlechts dienten als Kontrollgruppe (Br J Psychiatry 2013; online 25. Juli).
Das Risiko, an Demenz zu erkranken, war für die Anästhesiepatienten insgesamt 1,99-mal größer als für die Kontrollpersonen. Den Zeitpunkt des Eingriffs als Stichtermin genommen, erhielten die Patienten nach einer Anästhesie zudem früher eine Demenzdiagnose.
Als Demenzen im Sinne der Studie zählten die präsenile und senile Demenz sowie die Alzheimerkrankheit, nicht aber atherosklerotisch bedingte Demenzen.
Während einer drei bis sieben Jahre währenden Nachbeobachtungsphase erkrankten in der Anästhesiegruppe 2,65% und in der Kontrollgruppe 1,39% der untersuchten Personen.
Interessanterweise war es vor allem die Regionalanästhesie, die das Demenzrisiko steigerte, nämlich um 80%. I.v. oder i.m. verabreichte Betäubung schlug hingegen mit Risikoerhöhungen um 60% und Allgemeinanästhesie nur mit 46% zu Buche. Statistisch erwiesen sich alle Steigerungen als signifikant.
Fünf Arten von Eingriffen sind riskant
Freilich wurde im Zuge der Studie niemand anästhesiert, ohne dass er zugleich eine Operation über sich hätte ergehen lassen müssen.
Tatsächlich waren auch fünf Arten von Eingriffen mit einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert, nämliche dermatologische, muskuloskeletale, urogenitale, gastrointestinale und Operationen an den Augen.
Auch können die taiwanischen Wissenschaftler nicht ausschließen, dass es im Vorfeld einer Demenzdiagnose eine erhöhte Anfälligkeit für Erkrankungen gibt, die chirurgische Maßnahmen - und demzufolge eine Anästhesie - erforderlich machen.
Wie ihre Befunde in ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis zu setzen sind, können Chen und seine Kollegen nicht endgültig erklären. Sie verweisen aber auf Studienergebnisse, in denen anästhesierenden Substanzen ein Potenzial für neurodegenerative Komplikationen bescheinigt wurde.
Zudem sind kurzfristige kognitive Einbußen nach Operationen ein bekanntes klinisches Phänomen. Meist erholt sich die geistige Leistungsfähigkeit binnen Tagen.
Doch manchmal hält der Verlust auch länger an. Dabei ist nicht klar, ob es sich hierbei um die Demaskierung einer frühen oder die Vorhersage einer späteren Demenz handelt. (rb)