Im Alter

Misstrauen lässt Demenz-Gefahr wachsen

Eine zynische und misstrauische Lebenseinstellung im Alter tut den verbliebenen Hirnzellen offenbar nicht gut: Das Risiko, vorzeitig an einer Demenz zu erkranken, ist dann etwa dreifach erhöht, wie jetzt eine finnische Studie zeigt.

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Demenz durch zu viel Misstrauen und Zynismus?

Demenz durch zu viel Misstrauen und Zynismus?

© David Freigner/fotolia.com

KUOPIO. "Die Welt ist schlecht und die Menschen sind böse" - mit dieser Einstellung muss man damit rechnen, seine letzten Tag demenzkrank dahinzudämmern. Das zeigt eine Studie finnischer Neurologen um Dr. Elisa Neuvonen von der Universität in Kuopio.

Die Forscher haben Angaben von über 1200 älteren Personen analysiert, deren Lebenseinstellung anhand der Cynical Distrust Scale (CDS) überprüft wurde (Neurology 2014, online 28. Mai).

Diese "Zynismus-Misstrauens-Skala" wird anhand von acht Statements erfasst wie "Die meisten Menschen würden lügen, um voranzukommen", "Ich frage mich, was jemand wirklich vorhat, wenn er etwas Nettes tut", "Es ist sicherer, niemandem zu trauen", "Die meisten haben nur Freunde, weil sie sich davon einen Nutzen versprechen".

Für jede Aussage können die Befragten angeben, ob sie dem gar nicht (0 Punkte) bis vollständig (3 Punkte) zustimmen. Bei maximalem Zynismus und Misstrauen sind also 24 Punkte möglich.

Demenzrisiko erhöht, Sterberate nicht

Zum Zeitpunkt der Befragung lag das Alter der Teilnehmer im Schnitt bei 71 Jahren. Acht bis zehn Jahre später wurde geschaut, wer demenzkrank oder tot war. Insgesamt waren 361 Personen gestorben, bei 46 hatten Ärzte mittlerweile eine Demenz diagnostiziert.

Angaben zum Demenzstatus lagen allerdings nur bei 622 Personen vor. Von diesen hatten 26 Prozent zu Beginn sehr hohe Werte auf der CDS-Skala erreicht (15-24 Punkte), 40 Prozent moderate Werte (10-14 Punkte) und 34 Prozent niedrige Werte.

In der Gruppe mit hohen Zynismus-Misstrauenswerten gab es 14 Demenzkranke (8,5 Prozent), in der Gruppe mit moderaten Werten wurde 13-mal eine Demenz diagnostiziert (5,3 Prozent), und am geringsten war die Demenzrate mit 4,2 Prozent (neun Demenzkranke) bei den Teilnehmern mit dem größten Vertrauen in ihre Umgebung.

Wurden diverse Begleitfaktoren und bekannte Demenz-Risikofaktoren wie Alter, kardiovaskuläre Erkrankungen, Bewegung und Lebensstil oder sozioökonomischer Status berücksichtigt, so ließ sich bei denjenigen mit dem höchsten Misstrauen ein 3,1-fach erhöhtes Demenzrisiko berechnen. Die Sterberate war bei den Zynikern nicht erhöht, wenn dieselben Faktoren berücksichtigt wurden.

Größere Fallstudien nötig

Man könnte nun natürlich diverse Mechanismen diskutieren, über die Misstrauen und Zynismus entzündliche oder neurodegenerative Prozesse fördern.

Das psychische Wohlbefinden scheint ja auch nach Daten anderer Studien einen gewissen Einfluss auf das Demenzrisiko zu haben. Man kann solche Diskussionen aber auch beruhigt sein lassen, solange die Ergebnisse auf weniger als vier Dutzend Demenzkranken beruhen.

Die Studie müsste also mit weit größeren Fallzahlen wiederholt werden, am besten zusammen mit der "Ironic-Sarcasm-Scale" - schließlich wäre es interessant zu wissen, ob auch die beiden Geschwister des Zynismus unsere Hirnzellen vorzeitig in den Untergang treiben. (mut)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 03.06.201416:05 Uhr

"Kartoffeldruck"-Studie?!

Diese finnische Studie mit dem Titel: "Late-life cynical distrust, risk of incident dementia, and mortality in a population-based cohort" ist vermutlich im Kartoffeldruck-Verfahren (re)produziert worden. Man schnitzt sich seine Untersuchungsergebnisse mitsamt schlichtem medizinischem Weltbild eines "naiven Empirismus" in die glatte Schnittfläche einer großen Kartoffelhälfte und druckt das ganze dann in einer möglichst renommierten Fachzeitschrift aus.

Denn was hier unter Schlussfolgerungen geboten wird, spottet jeder Beschreibung: "Conclusions: Higher cynical distrust in late life was associated with higher mortality, but this association was explained by socioeconomic position, lifestyle, and health status. Association between cynical distrust and incident dementia became evident when confounders were considered. This novel finding suggests that both psychosocial and lifestyle-related risk factors may be modifiable targets for interventions...”. Höhere M o r t a l i t ä t bei zynischer und misstrauischer Lebenseinstellung im Alter hatten überhaupt nichts miteinander zu tun, sondern waren ausschließlich durch sozioökonomische Positionierung, Lebensstil und gesundheitlichen Status bestimmt.

Beim Auftreten einer D e m e n z waren diese drei letztgenannten Begleitfaktoren im Zusammenhang mit zynischer und misstrauischer Lebenseinstellung im Alter angeblich unerheblich. Doch die frisch formulierte, nur scheinbar neue Erkenntnis ["novel finding"] und Evidenz ["Association between cynical distrust and incident dementia became evident"] ruhen auf tönernen Füßen: Unter "Methods" wird faktisch für die Demenzanalyse von 622 Personen mit 46 Fällen von Demenz bzw. für die Mortalitätsanalyse von 1.146 Personen mit 361 Todesfällen berichtet ["...from 622 persons (46 dementia cases) for the dementia analyses and from 1,146 persons (361 deaths) for the mortality analyses."]

Damit lagen die Demenzhäufigkeit nur bei 7,4 Prozent, die Mortalitäts-Rate aber bei 31,5 Prozent. Und was, wenn auch noch viele Personen aus diesen beiden seltsam willkürlich ausgewählten Studienpopulationen mit zynisch- misstrauischer Lebenseinstellung vorzeitig verstorben sind, lange b e v o r sie überhaupt jemals eine Demenz entwickeln konnten?

Dann brechen diese nach einem Kartoffeldruck kunstvoll aufgeschichteten Papiere und Pseudo-Theorien wie ein Kartenhaus in sich zusammen!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dormund



Doris Wroblewski 03.06.201411:52 Uhr

Lässt Demenz Misstrauen wachsen?

Den Beitrag über die finnische Studie "Misstrauen lässt Demenz-Gefahr wachsen" habe ich mit Interesse gelesen. Seit langem beschäftige ich mich mit dem Thema Alzheimer, wie meine Artikel im Netzwerk Frauengesundheit zeigen.
http://www.netzwerk-frauengesundheit.com/moegliche-ursachen-und-schutz-vor-alzheimer-demenz/ oder auch
http://www.netzwerk-frauengesundheit.com/ketonkur-zur-verhuetung-und-behandlung-von-alzheimerdemenz/
Deswegen drängt sich mir die Frage auf: Ist nicht bereits das steigende Misstrauen, die immer einseitigere Sichtweise der Welt, der Menschheit im allgemeinen und oft der nächsten Angehörigen, der Familie, ein Frühsymptom von Demenz und Alzheimer?
Mein Spezialgebiet ist das Säure-Basen - Gleichgewicht. Ich vermute, dass wir bei Demenzkranken auch beim psychischen "Sauer-Sein" ansetzen müssen, und das kann viel früher sichtbar sein als Amyloid-Plaques oder Tau-Fibrillen. Daher meine Frage: Lässt (Früh-)Demenz Misstrauen wachsen?

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