Schlank, aber träge
Neuer Index klärt das tatsächliche Diabetes-Risiko
Sowohl Übergewicht als auch körperliche Trägheit erhöhen das Diabetesrisiko. Wird beides in einen Index gepackt, lässt sich gut feststellen, wie hoch die Diabetesgefahr tatsächlich ist.
Veröffentlicht:KAGOSHIMA. Oft reicht die Blickdiagnose, um festzustellen, ob ein Mensch ein hohes Diabetesrisiko trägt. Mitunter ist eine solche Diagnose aber ungenau: So gibt es den leicht Übergewichtigen, der auf dem Joggingpfad hart am Abbau seiner Fettreserven arbeitet, und den Dünnen, der sich allenfalls Fingergymnastik auf dem Handybildschirm betreibt. Wie sieht hier das Diabetesrisiko aus? Und welchen Einfluss hat jeweils das Alter?
Ärzte um Dr. Robert Sloan von der Universität in Kagoshima in Japan haben jetzt die Prognose mit einem Fit-Fett-Index berechnet (PLoS ONE 2016; 11: e0157703). Als Basis für die Untersuchung dienten knapp 10.400 Männer im Alter von 20 bis 100 Jahren, die an der Aerobics Center Longitudinal Study (ACLS) teilnahmen.
Alle hatten zu Beginn weder einen Diabetes noch kardiovaskuläre Erkrankungen. Sie unterzogen sich einem Balke-Test auf kardiorespiratorische Fitness, wobei das maximale metabolische Äquivalent (METmax) bestimmt wurde. Zudem wurden Bauchumfang und Körpergröße gemessen.
Zu Beginn waren die Männer im Mittel 43 Jahre alt, der BMI lag bei 26, das METmax bei rund 12. Binnen vier Jahren bekamen fünf Prozent einen Typ-2-Diabetes entwickelt. Betroffene waren - wenig überraschend - zu Studienbeginn deutlich älter, übergewichtiger und träger gewesen als die Männer ohne neu diagnostizierten Diabetes.
Für sämtliche Teilnehmer ermittelten die Forscher um Sloan einen Fit-Fett-Index (FFI), indem sie das METmax durch das Verhältnis von Bauchumfang zu Körpergröße teilten. Je höher der FFI, umso geringer das Diabetesrisiko, mutmaßten sie. Bei dünnen, sportlichen Teilnehmern lag der Wert über 30 Punkten, dicke und träge Männer erreichten hingegen weniger als 15 Punkte.
Auf dieser Basis überprüften sie die Prognosegenauigkeit des FFI. Diese erwies sich mit einem AUC-Wert von 0,87 als recht gut, war jedoch auch nicht besser als der BMI, das METmax oder das Bauch-/Körpergrößenverhältnis für sich genommen.
Das ist zunächst wenig überraschend, da im Schnitt die Übergewichtigen eben auch die Trägen sind, und es - auf die Population bezogen - egal ist, ob man Fett, Fitness oder beides misst.
Seine Stärken hat der Test jedoch bei Menschen, die nicht in das Schema übergewichtig/inaktiv oder dünn/sportlich passen - hier kann er deutlich besser differenzieren. So liegt das 15-Jahres-Risiko für einen Diabetes bei 20 Prozent, wenn ein 45 Jahre alter Mann eher dick (Bauchumfang zu Körpergröße = 0,60) und träge (METmax = 11) ist.
Der FFI beträgt in diesem Beispiel 18. Ist er hingegen normalgewichtig (Bauchumfang zu Körpergröße = 0,48) und träge, liegen der FFI bei 23 und das 15-Jahres-Risiko bei zehn Prozent. Ein ähnliches Risiko lässt sich für einen Mann berechnen, der eher übergewichtig, aber sportlich ist (METmax = 14). Bei Normalgewichtigen und zugleich Sportlichen (FFI = 29) liegt das Risiko nur bei fünf Prozent und ist damit vierfach geringer als bei den Übergewichtigen und zugleich Inaktiven.
Unterschiede ergeben sich auch abhängig vom Alter.
Bei 65-Jährigen steigt nach den Berechnungen das 15-Jahres-Risiko erst an, wenn der FFI unter 20 liegt, davor beträgt es konstant rund zehn Prozent. Bei den 25-Jährigen lässt sich hingegen ein linearer Anstieg des Risikos mit sinkendem FFI feststellen: Von nahe null Prozent bei einem FFI von 50 bis auf zwölf Prozent bei einem FFI von 10.
Am eindrucksvollsten ist der Einfluss bei Männern im mittleren Alter (45 Jahre): Über einem FFI-Wert von 30 tut sich kaum etwas, darunter steigt das Diabetesrisiko exponentiell an: von fünf Prozent bei einem FFI von 30 auf 25 Prozent bei einem Wert von 15. Der BMI bildet diese Entwicklung hingegen kaum ab.
Entscheidend für die Diabetesprävention scheint das Verhalten im mittleren Lebensalter zu sein. Wer sich mit 40 bis 50 Jahren nur etwas mehr bewegt oder etwas Bauchspeck los wird, kann sein Diabetesrisiko zumindest nach diesen Berechnungen deutlich senken. Vielleicht kommt diese Botschaft bei den Patienten an.