Im All: Blutdruck runter - Katecholamine rauf
China hat Ende September das erste Modul für eine eigene Weltraumstation ins All geschickt. Bei den sogenannten Taikonauten wird genauso wie bei den Astronauten im All der Blutdruck sinken.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG (RK). Bei Astronauten kommt es im All zu einer Blutdrucksenkung, die nach der Rückkehr zur Erde wieder verschwindet. Experten sind verblüfft: Denn im All verringert sich der Gefäßwiderstand, und trotzdem schießen die Katecholamine in die Höhe, die unter Erdbedingungen für einen hohen Blutdruck sorgen.
Nach drei bis sechs Monaten Aufenthalt in der Schwerelosigkeit sinkt der Blutdruck um durchschnittlich 10 mmHg. Doch sind beim Daueraufenthalt im Weltraum scheinbar auch gegenläufige Mechanismen am Werk.
Wie Forscher vom NASA Johnson Space Center in Houston bei der Tagung der Amerikanischen Hypertonie-Gesellschaft (ASH) in New York berichtet haben, können sie sich nicht auf alles einen Reim machen.
Dehnungsreiz führt zu weiterer Relaxation
Bei Personen, die sich auf der ISS in mehr als 350 Kilometern über der Erde aufhalten, steigt das Herzminutenvolumen um etwa 33 Prozent an, und der systemische sowie der periphere Gefäßwiderstand nehmen ab. Dass die Katecholaminspiegel der Raumfahrer unverhältnismäßig hoch sind, sei primär nicht verständlich, meinte Professor Peter Norsk aus Houston/Texas.
Eine denkbare Hypothese: Der Blutdruckabfall im All wäre noch viel stärker, wenn das vegetative Nervensystem nicht gegenregulieren würde. Während des Raumflugs kommt es auch zu einer chronischen Dilatation des Herzens.
Dieser Dehnungsreiz wiederum führt zu einer Freisetzung natriuretischer Peptide, die wiederum eine Relaxation induzieren. Norsks Fazit: die Aktivität des sympathischen Nervensystem hat auf der Erde nur eine nachgeordnete Bedeutung bei der Entstehung hohen Blutdrucks.
Und die Erdanziehung beeinflusst den Blutdruck stärker als bisher vermutet. Der Lebensstil mit aufrechtem Sitzen während langer Arbeitsstunden sei ein Kofaktor für die Entstehung hohen Blutdrucks, meinte der Experte.
Anpassung an die Schwerelosigkeit
Erläutert wurden die US-Daten inzwischen von Luis Beck, Weltraumphysiologe am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. Wie er zur "Ärzte Zeitung" sagte, verändere sich vieles in der Schwerelosigkeit, weil die Rezeptorenfelder, bedingt durch Verformungen von anatomischen Strukturen - der Thorax wird breiter, das Herz 'runder‘ - und Verschiebungen von Flüssigkeit wie etwa Verlagerung von Blut und interstitieller Flüssigkeit kopfwärts stimuliert werden.
Die Forschung bemühe sich, das Verhalten von Kreislaufparametern zu beobachten. Anhand vorhandener, teilweise noch unvollständiger physiologischer Kenntnisse versuche man, einigermaßen plausible Erklärungen zu geben.
Die Anpassung an die Schwerelosigkeit sei adäquat, nicht aber für das tägliche Leben auf der Erde geeignet: "Nach der Rückkehr zur Erde müssen alle Astronauten erneut einen Adaptationsprozess durchlaufen."