Ein neuer Konkurrent für CT und MRT
Ob stumpfes Bauchtrauma, Flankenschmerz oder Bauchaorten-Aneurysma: Ein neues Verfahren aus der Welt des Ultraschalls mischt heute überall mit - und könnte in manchen Fällen CT und MRT überflüssig machen.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Europäische Ultraschall-Gesellschaft (EFSUMB) hat eine neue Leitlinie für den Einsatz des kontrastmittelverstärkten Ultraschalls publiziert. Erstmals werden dabei Indikationen jenseits der Leber berücksichtigt.
Für die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) ist der kontrastmittelverstärkte Ultraschall (Contrast Enhanced Ultrasound, CEUS) nicht weniger als eine Revolution.
"Dank der Einführung von Kontrastmittel können wir den Ultraschall heute bei immer mehr Indikationen einsetzen, die bisher anderen Schnittbildverfahren vorenthalten waren", betonte DEGUM-Vorstandsmitglied Professor Dieter Nürnberg von den Ruppiner Kliniken in Neuruppin bei einer Veranstaltung der DEGUM in Berlin.
Dem tragen jetzt auch die neuen Leitlinien der Europäischen Ultraschall-Gesellschaft (EFSUMB) Rechnung (Ultraschall in Med 2012; 33: 33).
Ein besonders spannendes, weil ungewöhnliches Einsatzgebiet sieht, Nürnberg im Bereich der Traumadiagnostik. Zwar brauchen Patienten mit schwereren Traumata auch in Zukunft eine Ganzkörperdiagnostik per CT oder MRT.
Diagnostik des Niereninfarktes
Bei weniger schweren Unfällen kann der Kontrastmittel-Ultraschall seine Stärken dagegen voll ausspielen.
Beispiel stumpfes Bauchtrauma: "Hier können wir schnell und ohne großen Aufwand sehen, welche Bereiche geschädigter Organe noch durchblutet sind. Und anders als mit allen anderen Methoden können wir sogar in nicht eingerissenen Organen Hämatome sichtbar machen."
An der Niere kann der Ultraschall durch die Hinzunahme von Kontrastmittel Pathologien sichtbar machen, für die bisher andere Verfahren erforderlich waren.
Bei Patienten mit Flankenschmerz etwa informiert schon der konventionelle Ultraschall über Steine und traumatische Schäden.
Der Kontrastmittel-Ultraschall zeigt jetzt auch die dritte wichtige Differenzialdiagnose, den Niereninfarkt.
"Wir sehen in diesem Fall eine schwarze Region in der Niere, die nicht durchblutet ist. Das ist ein sehr eindrucksvoller Befund", betonte Dr. Hans-Peter Weskott vom Klinikum Siloah bei Hannover, ebenfalls Mitglied im DEGUM-Vorstand.
Monitoring beim Bauchaorten-Aneurysma
Interessant ist der Einsatz von kontrastmittelverstärktem Ultraschall auch in der Gefäßdiagnostik, wie Professor Thomas Fischerbetonte, der das US-Forschungslabor Radiologie und den Arbeitsbereich Ultraschalldiagnostik am Institut für Radiologie der Charité Berlin leitet.
Zum einen kann die CEUS-Technologie zum Monitoring von Patienten eingesetzt werden, die wegen eines Bauchaorten-Aneurysmas einen Stentgraft erhalten haben.
Bei diesen Patienten kommt es darauf an, Lecks früh zu entdecken. Das geht nur mit regelmäßiger Bildgebung.
Bisher erfolgen diese Kontrollen meist durch eine jährliche CT. "Der moderne Ansatz ist, das CT zu Beginn zu nutzen und die jährlichen Kontrollen dann mit Kontrastmittel-Ultraschall zu machen", so Fischer.
Wer entsprechend ausgestattet ist, kann die Ultraschallbilder sogar mit dem ursprünglichen CT-Datensatz in Echtzeit fusionieren und hat auf diese Weise eine bessere Orientierung.
Kein Extra-Honorar für CEUS
Die zweite interessante Gefäßindikation für CEUS ist für Fischer die Darstellung atherosklerotischer Plaques der Halsschlagader. Durch die hohe Auflösung des Ultraschalls können winzige Blutgefäße visualisiert werden.
Diese Plaque-Neoangiogenese gilt als Marker für Vulnerabilität. Mit anderen Worten: Der Kontrastmittel-Ultraschall kann Plaques identifizieren helfen, die rupturgefährdet sind.
Insgesamt ist das Anwendungsspektrum von CEUS damit deutlich über die reine Leber-Bildgebung hinaus gewachsen, für die das Verfahren ursprünglich entwickelt wurde. "Bei vielen Anwendungen ist Deutschland weichenstellend gewesen", so Fischer.
Trotzdem hat sich CEUS in Deutschland bisher nicht breit durchgesetzt. Das hat einerseits finanzielle Gründe: Die Kontrastmittel werden zwar erstattet. Ärzte erhalten aber nicht mehr Geld pro Untersuchung als beim konventionellen B-Bild-Ultraschall.
Nachholbedarf gibt es auch noch bei der Ausbildung der Ärzte. Hier will sich die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) jetzt stärker ins Zeug hängen.
Vibrierende Mikrobläschen
Die üblicherweise bei CEUS eingesetzten Ultraschallkontrastmittel enthalten winzige Bläschen ("Microbubbles") des Gases Schwefelhexafluorid.
Die Bläschen sind umhüllt von einer phospholipidhaltigen Membran, die - ähnlich wie bei Seifenblasen - für eine gewisse Stabilität sorgt.
Zusätzlich ist ein Lösungsmittel erforderlich, das verhindert, dass sich die Microbubbles zusammenlagern.
Injiziert werden meist ein bis vier Milliliter dieses Gas-Flüssigkeits-Gemischs. Trifft der Ultraschall auf die Bläschen, so fangen diese an zu vibrieren.
Die Vibration wird von der Ultraschallsonde registriert, was dazu führt, dass sich die Echogenität von Blut im Vergleich zu herkömmlichem Ultraschall stark erhöht. Die Schwefelhexafluorid-Bläschen zerfallen nach etwa drei bis fünf Minuten.
Das Gas wird über die Lunge abgeatmet. Der Kontrastmittel-Ultraschall ist deswegen unabhängig von der Nierenfunktion.
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