Blutdruck und LDL

Langfristige Senkung, dramatische Effekte

Blutdruck und LDL-Cholesterin verstärken sich in ihrer kausalen Wirkung auf die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen. Die Kombination aus langfristig gesenkten LDL- und Blutdruckwerten gehe mit einer "dramatischen Reduktion" des LebenszeitRisikos für solche Erkrankungen einher, so die Autoren einer neuen Studie.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Langfristige Senkung, dramatische Effekte

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Ließen sich Blutdruck- und LDL-Cholesterinwerte gleichzeitig auch nur moderat über eine sehr lange Zeit verringern, könnten Herzinfarkte und Schlaganfälle so gut wie eliminiert werden. Das legen Ergebnisse einer neuen Studie nahe, die Dr. Brian Ference aus Detroit beim europäischen Kardiologenkongress in Rom vorgestellt hat.

Die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe entstammen nicht etwa einer randomisierten Interventionsstudie zu kardiovaskulären Effekten einer kombinierten Blutdruck- und Lipidsenkung. Solche Studien dauern meist nur wenige Jahre. Vielmehr gleicht die neue Analyse einer jahrzehntelangen Beobachtungsstudie mit eingebauter "natürlicher Randomisierung".

Dabei bediente man sich der immer beliebter werdenden Methode der sogenannten "Mendelschen Randomisierung" (mendelian randomization). Sie ermöglicht es, auch aus Daten nichtrandomisierter Beobachtungsstudien auf kausale Zusammenhänge zu schließen.

Forscher nutzen dazu genetische Polymorphismen, die in Zusammenhang damit stehen, ob beispielsweise Blutdruck- oder Cholesterinwerte einer Person lebenslang höher oder niedriger sind. Die Natur selbst sorgt für eine "randomisierte" Verteilung solcher Polymorphismen. Ein bestimmtes Allel zu erben, das spezifisch mit niedrigeren LDL-Cholesterinwerten assoziiert ist, wäre demnach quasi analog zu einer Randomisierung auf eine LDL-senkende Therapie in einer Langzeitstudie.

Daten von über 100.000 Studienteilnehmern

Die Gruppe um Ference wollten auf diese Weise klären, welchen kausalen Effekt eine langfristige Exposition gegenüber niedrigeren im Vergleich zu höheren Blutdruck- und LDL-Werten auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse hat. Dazu wurden genetische und kardiovaskuläre Daten von 102.000 Personen herangezogen, die an 14 Kohorten- oder Fall/Kontroll-Studien teilgenommen hatten und über einen Zeitraum von bis zu 32 Jahre nachbeobachtet worden waren.

Auf Basis erblicher Polymorphismen, die mit Blutdruck und LDL-Cholesterin assoziiert sind, wurde für jede Person ein genetischer Score gebildet.

Anhand dieser Scores wurde dann eine Einteilung in vier Gruppen vorgenommen, bestehend aus einer Referenzgruppe, einer Gruppe mit niedrigeren LDL-Spiegeln, einer Gruppe mit niedrigeren systolischen Blutdruck und einer Gruppe mit niedrigeren Werten für beide Parameter. Dann wurde das mit diesen genetischen Scores assoziierte kardiovaskuläre Risiko analysiert. Im Verlauf von mehr als drei Jahrzehnten wurden 14.368 schwerwiegende vaskuläre Erstereignisse erfasst, darunter koronar bedingte Todesfälle, Myokardinfarkte, Schlaganfälle und koronare Revaskularisationen.

Schon bei Personen, die im Vergleich zur Referenzgruppe niedrigere LDL- oder Blutdruckwerte hatten, war das relative Risiko für diese kardiovaskulären Ereignisse jeweils deutlich niedriger (um 54,2 Prozent respektive 44,7 Prozent).

In der Gruppe, in der sowohl die LDL- als auch Blutdruckwerte niedriger waren, war das Ergebnis noch beeindruckender: Langfristig um 1 mmol/l (39 mg/dl) niedrigere LDL-Werte und zugleich um 10 mmHg niedrigere systolische Blutdruckwerte gingen mit einem um 86,1 Prozent niedrigeren Risiko einher.

"LDL-Cholesterin und systolischer Blutdruck haben unabhängige, multiplikative und kumulative kausale Effekte auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse", schlussfolgerte Ference.

Deshalb habe die Kombination aus langfristig niedrigeren LDL- und Blutdruckwerten das Potenzial, das Lebenszeit-Risiko für entsprechende Ereignisse dramatisch zu senken. Dazu seien Präventionprogramme nötig mit dem Ziel, LDL-Cholesterin und Blutdruck möglichst frühzeitig im Leben zu senken. Ference denkt dabei nicht unbedingt gleich an medikamentöse Behandlungsstrategien.

Kein Gegensatz zur HOPE-3-Studie

Auf den ersten Blick scheinen die neuen Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe im Widerspruch zu jüngst vorgestellten Ergebnissen der großen HOPE-3-Studie zu stehen.

In dieser Studie konnte durch eine kombinierte medikamentöse Senkung von LDL-Cholesterin und Blutdruck bei nicht kardiovaskulär erkrankten Patienten die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse signifikant gesenkt werden. Allerdings war diese Wirkung im Wesentlichen auf die Lipidsenkung zurückzuführen, während die Blutdrucksenkung daran nur einen nicht signifikanten Anteil hatte.

Ference sieht darin jedoch keinen Gegensatz zu den Ergebnissen seiner Studie mit "Mendelscher Randomisierung". Nach seiner Ansicht war die Blutdrucksenkung in HOPE-3 wahrscheinlich nicht intensiv genug und wohl auch von zu kurzer Dauer.

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Kommentare
Rudolf Hege 02.09.201613:46 Uhr

Relatives Risiko

Man beachte auch: Es handelt sich um eine relative Senkung des Risikos in der angegebenen Höhe - nicht um absolute Zahlen.

Thomas Georg Schätzler 01.09.201608:39 Uhr

Bitte nicht vergessen,

dass die HOPE-3-Studie in krassem Gegensatz zur ursprünglichen HOPE-Studie (Heart Outcomes Prevention Evaluation-Study) ältere Menschen präventiv mit Medikamenten zur Senkung von Blutdruck und Cholesterin behandelt hatte, auch wenn Blutdruck und Cholesterinwert gar nicht erhöht waren. Das hatte zu dürftigen und weitgehend insignifikanten Studienergebnissen geführt.

Die Ergebnisse von Rosuvastatin (Dosis: 10 mg/die) sowie einer Kombination aus Candesartan (16 mg/die) und Hydrochlorothiazid (12,5 mg/die) waren desolat bis niederschmetternd:
Die Monotherapie mit dem Statin senkte den primären Studien Endpunkt von 4,8 Prozent im Placebo-Arm auf 3,7 Prozent nach der Behandlung mit Rosuvastatin, also gerade mal um 1,1 von Hundert.
Bei Kombination aus Candesartan (16 mg/die) und Hydrochlorothiazid (12,5 mg/die) sank der primäre Endpunkt von 4,4 auf 4,1 Prozent (Hazard Ratio 0,93; 0,79-1,10), also nur um 0,3 von Hundert. Der coprimäre Endpunkt sank von 5,2 auf 4,9 Prozent (Hazard Ratio 0,95; 0,81-1,11), also ebenfalls um 3 auf Tausend.

Mit Gewichtsreduktion, zielgerichtet-indizierter Therapie ("treat-to-target") und Bewegungsaktivität ist wesentlich mehr nebenwirkungsfrei zu erreichen.

Die immer beliebter werdende Methode der sogenannten "Mendelschen Randomisierung" (mendelian randomization) scheint allerdings auch erkenntnistheoretisch eher manipulativ-sekundäranalytisch zu sein?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

vgl. auch meinen kritischen Kommentar zur Polypille auf
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/58376/Herz-Kreislauf-Praevention-Kritische-Zwischenbilanz-zur-Polypille

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