Hintergrund

Schwangere mit Hypertonie: Bei Therapie gibt's Probleme

Bluthochdruck in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Präeklampsie. Bei der Therapie ist Zurückhaltung angesagt, denn es besteht die Gefahr einer Minder- perfusion im Uterus. Für die meisten Antihypertensiva fehlen zudem Erfahrungen mit Schwangeren.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Bei Schwangeren mit Blutdruck ab 160/100 mmHg sind Arzneien zu erwägen.

Bei Schwangeren mit Blutdruck ab 160/100 mmHg sind Arzneien zu erwägen.

© Astroid / fotolia.com

Bei jeder zehnten bis zwanzigsten Schwangeren kommt es zu einer Schwangerschaftshypertonie. Weitere ein bis fünf Prozent sind bereits vor der Schwangerschaft hyperton. Bei der Therapie ist zu berücksichtigen, dass dabei zwei Menschen behandelt werden. Die medizinische Wissenschaft hilft bei der Behandlung nur bedingt. Harte Daten sind Mangelware.

Frauen, bei denen bereits vor der Schwangerschaft ein Bluthochdruck bekannt ist, sollten unbedingt engmaschig überwacht werden, um eine mögliche Präeklampsie früh zu erkennen, hat Professor Roland Schmieder vom Universitätsklinikum Erlangen beim Internistenkongress in Wiesbaden betont.

Bestehe die Hypertonie schon länger als vier Jahre, so liege das Risiko einer Präeklampsie bei immerhin einem Drittel. Frauen mit kürzerer Hypertonie-Anamnese haben immerhin noch ein 25-prozentiges Risiko - zehn Mal höher als bei normotonen Frauen.

Das Management einer Präeklampsie richte sich wesentlich nach der Schwangerschaftsdauer, so Schmieder. Bis etwa zur 34. Woche wird primär konservativ behandelt. Ab der 37. Woche ist eine Entbindung sinnvoll. Dazwischen kann über eine vorzeitige Entbindung nachgedacht werden, wenn die Präeklampsie schwer verläuft.

Bei der konservativen Hochdrucktherapie in der Schwangerschaft gelten bei Zielwerten und eingesetzten Präparaten andere Überlegungen als bei nicht schwangeren Hypertoniepatienten.

Generell bestehe bei der Blutdrucksenkung in der Schwangerschaft die Gefahr einer Minderperfusion im uterofetalen Kreislauf, so Schmieder: "Als Faustregel gilt, dass eine Absenkung des mütterlichen Mitteldrucks um 10 mmHg das Geburtsgewicht des Kindes um 145 Gramm reduziert."

Antihypertensiva bei Schwangeren

Gelingt es mit Allgemeinmaßnahmen nicht, den Blutdruck einer Schwangeren unter 170-160/110-100 mmHg zu halten, muss nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) eine medikamentöse Therapie erfolgen.

Geeignet ist danach Alpha-Methyldopa. Beschränkt geeignet: Nifedipin (nicht im 1. Trimenon!), Selektive ß-1-Rezeptorblocker (Metoprolol) und Dihydralazin.

www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-018.html

Daher ist bei der Senkung erhöhter Blutdruckwerte in der Schwangerschaft wesentlich mehr Zurückhaltung angesagt als bei Nicht-Schwangeren. Definierte Zielwerte, die auf Basis von Studien empfohlen werden könnten, gibt es nicht.

Die Hypertonietherapie bei Schwangeren ist immer individuell. Die meisten Experten behandeln erst ab einem Blutdruck von 170/110 mmHg. Bestand bereits vor der Schwangerschaft eine Hypertonie, wird die Grenze oft bei 160/100 mmHg gezogen. Das sind Erfahrungswerte.

Auch im Hinblick auf die einzusetzenden Präparate bleibt die evidenzbasierte Medizin bei Schwangeren weitgehend stumm. Alpha-Methyldopa gilt als Antihypertensivum der ersten Wahl, weil damit jahrzehntelange Erfahrungen bestehen. "Diese Empfehlung beruht letztlich auf einer einzigen Studie mit 100 Schwangeren aus dem Jahr 1968", so Schmieder.

Viel mehr gibt es dann auch nicht an kontrollierten klinischen Studien zur Hypertonietherapie bei Schwangeren. Eingeschränkt geeignet und damit Mittel der zweiten Wahl seien Beta-1-Blocker und Dihydralazin. Bei den Betablockern hält Schmieder Metoprolol für besser als Atenolol, da für Atenolol eine intrauterine Wachstumsretardierung beschrieben sei.

Dihydralazin gilt als sicher, ist aber bei Schwangeren auch nicht einfacher zu dosieren und zu handhaben als bei Nicht-Schwangeren.

Kalziumantagonisten waren teilweise embryotoxisch in Tierstudien. Die anekdotischen Erfahrungen seien aber recht gut, sodass sie gegen Ende der Schwangerschaft durchaus eine Option seien, so Schmieder. Diuretika sieht er aufgrund der damit verbundenen Verringerung des Plasmavolumens kritisch.

Was gar nicht geht, sind ACE-Hemmer. Sie sind vor allem im zweiten und dritten Trimenon teratogen und toxisch. Bei Frauen mit bekannter Hypertonie unter ACE-Hemmer-Therapie muss die Therapie deswegen zwingend umgestellt werden. "Für andere RAAS-Hemmstoffe gilt das genauso", betonte Schmieder.

Es gebe außerdem zumindest Hinweise für eine erhöhte Rate an Fehlbildungen auch bei einem Einsatz von ACE-Hemmern im ersten Trimenon: "Es macht deswegen Sinn, den ACE-Hemmer bereits bei Schwangerschaftswunsch abzusetzen, wenn das medizinisch vertretbar ist." Wie so vieles im Zusammenhang mit der Schwangerschaft ist auch das letztlich eine Einzelfallentscheidung.

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