HDL-Cholesterin

Ruf als Schutzengel in Gefahr

Das HDL-Cholesterin ist offenbar doch nicht so "gut" wie allseits vermutet. Hohe HDL-Spiegel zeigten sich in einer neuen Studie bei Patienten mit KHK alles andere als vorbeugend.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Eine schöne Vorstellung: Unermüdlich bekämpft das "gute" HDL-Cholesterin die Folgen des "bösen" Gegenspielers. Aber stimmt das überhaupt?

Eine schöne Vorstellung: Unermüdlich bekämpft das "gute" HDL-Cholesterin die Folgen des "bösen" Gegenspielers. Aber stimmt das überhaupt?

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ZÜRICH. Bis vor Kurzem schien für die Lipidtherapie die einfache Formel zu gelten: Das "böse" LDL-Cholesterin muss runter, das "gute" HDL-Cholesterin muss rauf.

Darüber, dass der erste Teil dieser Formel zutreffend ist, besteht nach wie vor Konsens. Die in vielen Studien dokumentierte Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch LDL-Senkung mit Statinen spricht für sich.

Mehr denn je ist aber fraglich, ob der zweite Teil der Formel überhaupt Gültigkeit hat. Denn die pauschal als "gut" apostrophierten High-Density-Lipoproteine sind in jüngster Zeit ihrem Ruf nicht immer gerecht geworden.

Die Wertschätzung des HDL-Cholesterins als "protektiv" verdankt sich der in epidemiologischen Studien gemachten Beobachtung, dass es für gesunde Menschen gut ist, einen hohen HDL-Cholesterinspiegel zu haben. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, im späteren Leben eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln.

Die inverse Assoziation von HDL-Konzentration und kardiovaskulärem Risiko ließ die medikamentöse HDL-Anhebung als einen vielversprechenden Ansatz zur Verbesserung der Prävention erscheinen,

Direkte Effekte auf das Endothel

Tatsächlich konnte in experimentellen Studien gezeigt werden, dass HDL vasoprotektive Eigenschaften besitzen und atherosklerotischen Ablagerungen in Gefäßen entgegenwirken.

Als mögliche Mechanismen wurden unter anderem direkte Effekte der HDL auf das Gefäßendothel ausgemacht. Danach stimulieren diese Lipoproteine die Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) in Endothelzellen, was wiederum zur Verbesserung der vasomotorischen Funktion beiträgt.

Auch regenerative Prozesse im Endothel werden günstig beeinflusst. HDL besitzen zudem antiinflammatorische Eigenschaften.

Von dieser positiven Seite zeigen sich die HDL aber anscheinend nur bei gesunden Menschen. Bei Patienten mit Diabetes oder Koronarerkrankung zeichnet die neueste Forschung dagegen ein ganz anderes Bild von der HDL-Funktionalität.

Gehen HDL-Funktionen verloren?

Hervorgetan hat sich hier insbesondere die Arbeitsgruppe um Professor Ulf Landmesser am Universitätsspital Zürich. Nach ihren Ergebnissen scheint das HDL-Cholesterin seine vasoprotektiven Eigenschaften bei Patienten mit Diabetes oder KHK ganz oder teilweise zu verlieren.

Eine mögliche Ursache sehen die Forscher in der verminderten Aktivität des Enzyms Paroxonase-1, das HDL-Cholesterin vor der Lipidoxidation schützt. Infolge der dadurch verstärkten Oxidation von HDL, so die Hypothese, verändern sich deren funktionelle Eigenschaften.

Nach dieser Hypothese wäre eine nur quantitative Anhebung der HDL-Cholesterins, bei der die gestörte Funktionalität außer Acht bleibt, als Strategie in der Sekundärprävention möglicherweise wirkungslos oder sogar kontraproduktiv.

Die Studie eines Teams von Forschern aus Italien und der Schweiz um Dr. Francesco Cosentino aus Rom, zu dem auch Landmesser gehörte, liefert dafür aktuell einige Anhaltspunkte (Eur Heart J 2013, online 22. Mai).

Daten von 1548 Patienten ausgewertet

Die Daten für diese retrospektive Studie stammen von 1548 konsekutiven KHK-Patienten, die zwischen 2004 und 2009 einer elektiven koronaren Bypass-Operation unterzogen worden sind.

Auf Basis der präoperativen HDL-Werte wurden sie zwei Gruppen mit hohen HDL-Werten (Gruppe A) oder niedrigen HDL-Werten (Gruppe B) zugeteilt.

Zur Adjustierung von Unterschieden zwischen beiden Kollektiven nutzten die Forscher ein statistisches Angleichungsverfahren (propensity matching), mit dessen Hilfe zwei weitgehend merkmalsgleiche Gruppen von je 502 Patienten gebildet wurden.

Signifikant unterschiedlich war einzig die Höhe der HDL- Spiegel. (52,6 mg/dl in Gruppe A versus 34,6 mg/dl in Gruppe B) und damit verbunden auch die der Triglyzerid-Spiegel (132 mg/dl versus 188 mg/dl)

Mehr Ereignisse bei hohen HDL

Nachbeobachtet wurde im Schnitt über 32 Monate. Höhere HDL-Spiegel erwiesen sich in dieser Zeit nicht als protektiv.

In Gruppe A waren am Ende 44 Todesfälle (8,8 Prozent) zu verzeichnen, im Vergleich zu 36 Todesfällen (7,2 Prozent) in Gruppe B - numerisch ein Vorteil zugunsten der Gruppe mit niedrigen HDL-Spiegeln.

Der Unterschied erreichte Signifikanz, als alle schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisse bei der Analyse berücksichtigt wurden. Die Ereignisrate lag in diesem Fall bei 32,9 Prozent in Gruppe A und bei 23,9 Prozent in Gruppe B.

Fazit der Autoren: Höhere HDL-Spiegel waren bei KHK-Patienten nach Bypass-Operation mit keiner Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert.

Eine mögliche Erklärung könne sein, dass die normale Funktion des HDL-Cholesterin in dieser klinischen Situation eingeschränkt ist.

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Kommentare
Rudolf Hege 13.06.201309:24 Uhr

Wen wundert es?

Es ja nicht das Cholesterin (egal ob LDL oder HDL) selbst, das "schädlich" ist, sondern seine oxidierte Variante. Verhindert man die Oxidation, dann verliert Cholesterin seine negativen Effekte.

Daher wirkt sich HDL bei Gesunden (= guter "Oxidationsstatus") positiv aus, während es bei Kranken (in der Regel mit erhöhter Oxidation) negative Effekte zeigt.

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