TATORT Infarktarterie
Absaugen des Thrombus löst nicht den Fall
Wie im Krimi-Flaggschiff der ARD konnte auch in der TATORT-NSTEMI Studie der Übeltäter (der intrakoronare Thrombus) auf frischer Tat (bei Herzinfarkt) gefasst und per Thrombusabsaugung dingfest gemacht werden. Die erhoffte protektive Wirkung blieb aber aus.
Veröffentlicht:SAN FRANCISCO. Wegen der Masse der klinischen Studien ist in der kardiovaskulären Forschung heutzutage bei der Wahl der Studienakronyme außerordentliche Kreativität gefragt.
Die Phantasie einer Gruppe deutscher Kardiologen um Professor Holger Thiele von der Universität Leipzig ist dabei offenbar durch das sonntagabendliche Fernsehprogramm beflügelt worden: Nach dem Titel der Lieblingskrimireihe der Deutschen taufte sie ihre Studie kurzerhand TATORT-NSTEMI (Thrombus Aspiration in ThrOmnus containing culpRiT lesions in Non-ST-Elevation Myocardial Infarction).
Studie bei akutem Myokardinfarkt ohne ST-Streckenhebung
Tatort und Täter waren allerdings schon bekannt, bevor die "Kriminalisten" der Herzforschung ihre investigativen Nachforschungen aufnahmen.
Es ging in der TATORT-Studie nämlich um die Frage, ob das Absaugen von potenziell schädigendem Thrombusmaterial aus der Infarktarterie auch bei akutem Myokardinfarkt ohne ST-Streckenhebung im EKG (NSTEMI) von Nutzen ist.
Bisher war die klinische Forschung zum Nutzen der manuellen Thrombektomie bei Herzinfarkt auf Patienten mit ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) fokussiert.
Bei STEMI ist die primäre perkutane Koronarintervention (PCI) heute Therapie der ersten Wahl. Allerdings ist immer wieder zu beobachten, dass es nach der Revaskularisierung nur zu einer suboptimalen myokardialen Reperfusion kommt.
Gestörte Myokardperfusion trotz wiedereröffneter Arterie
Als mögliche Ursache gilt eine distale Embolisierung von Thrombusmaterial, das aus dem Infarktgefäß in die Mikrozirkulation verschleppt wird.
Folge kann eine gestörte mikrovaskuläre Myokardperfusion trotz wiedereröffneter Koronararterie sein. Je nach Ausmaß der inadäquaten Gewebeperfusion wird von einem "slow-flow" oder "no-reflow" Phänomen gesprochen.
Aus diesem Grund sind spezielle Thrombektomie-Katheter entwickelt worden. Sie pressen das intrakoronare Thrombusmaterial nicht wie herkömmliche PCI-Katheter gegen die koronare Gefäßwand, sondern "aspirieren" das Blutgerinnsel noch vor der Stentimplantation, was die distale Embolisierungen verhindern soll.
Auf Basis der vorliegenden Studiendaten wird die Thrombektomie als adjuvante Maßnahme zur PCI etwa in den europäischen ESC-Leitlinien bei STEMI-Patienten bereits empfohlen (Klasse-IIa-Empfehlung).
Relevante Thrombuslast im Bereich der Infarktläsion
Empfehlungen bezüglich NSTEMI-Patienten existieren mangels Studiendaten dagegen nicht. Dabei ist häufig auch bei diesen Patienten eine relevante Thrombuslast im Bereich der Infarktläsion nachweisbar, was eine Thrombusaspiration als erfolgversprechend erscheinen lässt.
Um dies zu testen, haben Thiele und seine Kollegen an sieben kardiologischen Zentren in Deutschland die TATORT-NSTEMI-Studie gestartet. Die Ergebnisse hat Studienleiter Thiele jetzt beim Kongress "Transcatheter Cardiovascular Therapeutics" (TCT) in San Francisco vorgestellt.
Für die Studie sind 440 Patienten mit NSTEMI und relevantem Thrombus (TIMI-Thrombusgrad 2-5) im Bereich der Infarktläsion rekrutiert worden, bei denen eine PCI vorgesehen war. Davon sind 219 der Gruppe mit zusätzlicher Thrombektomie mittels Aspirationskatheter und 221 der Kontrollgruppe mit Standard-PCI zugeteilt worden.
Wohl keine taugliche Strategie
Die Hoffnung, durch diese Zusatzmaßnahme die Myokardperfusion verbessern zu können, erfüllte sich nicht. Gemessen an der mittels kardialer MR-Bildgebung feststellbaren mikrovaskulären Obstruktion (primärer Endpunkt) bestand kein signifikanter Unterschied zwischen Interventions- und Kontrollgruppe.
Anhand von sekundären Endpunkten wie Infarktgröße waren ebenfalls keine relevanten Vorteile der Thrombusabsaugung im Vergleich zur Standard-PCI zu belegen.
Auch die Raten der klinischen Ereignisse Tod, Herzinfarkt, wiederholte Revaskularisation und neu aufgetretene Herzinsuffizienz waren mit 7,3 Prozent (Thrombektomie) und 10,1 Prozent (Standard-PCI) nicht signifikant unterschiedlich.
Fazit: Den Thrombus als vermeintlichen Bösewicht am intrakoronaren Tatort per Aspirationskatheter aus dem Verkehr zu ziehen, scheint nach diesen Ergebnissen bei NSTEMI-Patienten wohl keine taugliche Strategie zu sein, um Verbesserungen der myokardialen Perfusion herbeizuführen.