Bei Herzstillstand

Erste Hilfe verdoppelt Überlebenschance

Wiederbelebungsversuche durch Ersthelfer sind äußerst wirksam: Die Herzdruckmassage vor dem Eintreffen der Rettungskräfte verdoppelt die Chancen, einen Herzstillstand zu überleben. Eine neue App könnte noch mehr bewirken.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Erste Hilfe vor Eintreffen des Rettungswagens steigert die Überlebenschance nach Herzstillstand erheblich.

Erste Hilfe vor Eintreffen des Rettungswagens steigert die Überlebenschance nach Herzstillstand erheblich.

© Dron / Fotolia.com

STOCKHOLM. In Europa erleiden schätzungsweise 275.000 Menschen pro Jahr einen Herzstillstand außerhalb einer Klinik.

Neben der frühen Alarmierung von Rettungskräften scheint die Herzdruckmassage durch Ersthelfer eines der wirkungsvollsten Mittel zu sein, die Überlebenschancen zu erhöhen, wohl am ehesten, indem dadurch das Zeitfenster für eine Defibrillation durch Fachkräfte verlängert wird, mutmaßen Notfallmediziner um Dr. Ingela Hasselqvist-Ax vom Karolinska-Institut in Stockholm.

Da es jedoch keine randomisierten Studien zum Nutzen der Ersten Hilfe bei Herzstillstand gibt und geben kann, werden der Nutzen und das Training von Millionen Ersthelfern immer wieder infrage gestellt.

Mithilfe von schwedischen Registerdaten haben die Ärzte um Hasselqvist-Ax nun versucht, unter anderem über eine quasi-randomisierte Analyse den Nutzen der Ersten Hilfe so gut wie möglich zu erfassen (N Engl J Med 2015; 372: 2307-15).

So füttern sämtliche schwedische Rettungszentren ein nationales Register mit Daten zu den Umständen eines Herzstillstands, der Zeit bis zur Ankunft beim Patienten und Erste-Hilfe-Maßnahmen.

Die Ärzte konnten auf diese Weise Angaben zu über 30.000 außerklinischen Herzstillständen in Schweden auswerten, die zwischen 1990 und 2011 registriert wurden und bei denen eine Person während des Herzkreislaufkollapses zugegen war.

Erste Hilfe bei jedem Zweiten

Bei etwa der Hälfte dieser Patienten hatten Ersthelfer vor Ankunft der Notärzte bereits eine Wiederbelebung versucht.

Von diesen Patienten waren nach 30 Tagen noch 10,5 Prozent am Leben, bei den Patienten ohne Wiederbelebungsversuch durch Ersthelfer nur 4 Prozent.

Allerdings unterschieden sich die Patienten und die Umstände in beiden Gruppen zum Teil deutlich. So waren die von Ersthelfern behandelten Patienten jünger, öfter männlich und hatten häufiger eine defibrillierbare Herzrhythmusstörung als diejenigen, die auf Wiederbelebungsversuche durch professionelle Helfer warten mussten.

Dafür waren die Profis bei Letzteren schneller vor Ort und rascher mit dem Defibrillator zur Hand.

Um solche Verzerrungen zu berücksichtigen, wiesen Hasselqvist-Ax und Mitarbeiter nun jedem Patienten mit Erster Hilfe möglichst einen vergleichbaren Patienten ohne Wiederbelebungsversuch durch Ersthelfer zu, wobei Alter, Geschlecht, Ort und die Zeit bis zur Rettung durch Profis möglichst ähnlich sein sollten.

Das änderte jedoch nichts am Ergebnis: Die Überlebenswahrscheinlichkeit war bei Patienten mit Erster Hilfe trotzdem in etwa doppelt so hoch (Odds Ratio: 2,15).

Mehr Ersthelfer, bessere Überlebenschancen

Interessant ist auch der Verlauf über die Jahre hinweg: So fand 1990 nur bei etwa 35 Prozent der Patienten mit bemerktem Herzstillstand ein Wiederbelebungsversuch durch Laien statt, 2011 lag dieser Anteil in Schweden bereits bei 65 Prozent.

Vorausgegangen war ein weitreichendes Trainingsprogramm. Danach ist inzwischen fast jeder dritte Einwohner Schwedens in Wiederbelebungsmaßnahmen geschult.

Interessanterweise stieg in den vergangenen zehn Jahren auch die Erfolgsquote bei Wiederbelebungen: Lag die 30-Tages-Überlebensrate zu Beginn des Jahrtausends noch bei knapp über 5 Prozent, so beträgt sie nunmehr rund 15 Prozent.

Dagegen gibt es bei den Patienten ohne Erste Hilfe im zeitlichen Verlauf kaum Unterschiede: Hier pendelt der Wert um die 5 Prozent.

Die Notfallmediziner um Hasselqvist-Ax überrascht besonders, dass die Prognose bei den Patienten mit Erster Hilfe so viel besser ist, obwohl es bei ihnen länger bis zur Defibrillation dauert.

Sie vermuten zum einen, dass Zeugen des Kollapses eher gewillt sind einzugreifen, wenn schnelle ärztliche Hilfe nicht in Sicht ist, und dass die Herzdruckmassage dann eine gewisse Zirkulation bis zum Eintreffen der Ärzte aufrechterhält.

Handy übermittelt Positionsdaten automatisch

In einer weiteren Publikation haben sich Notfallmediziner vom Karolinska-Institut Gedanken gemacht, wie sich der Anteil der wiederbelebten Patienten nach Herzstillstand erhöhen lässt.

In einem Modellprojekt konnten sie rund 10.000 geschulte potenzielle Ersthelfer dazu gewinnen, die Positionsdaten ihres Handys automatisch an Rettungsleitstellen zu übermitteln.

Bei einem Notruf wurden Ersthelfer in der unmittelbaren Nähe dann automatisch per SMS und einem computergenerierten Anruf informiert.

In ihrer Studie lag mit diesem System die Rate von Wiederbelebungsversuchen bei 62 Prozent, ohne automatische Information von Ersthelfern nur bei 48 Prozent.

Das Ganze funktioniert allerdings nur, weil bei allen eingehenden Notrufen in Schweden automatisch die Position des Anrufes bestimmt werden kann.

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