Neue US-Daten
Schlaganfall schlägt immer früher zu
Nach neuen US-Daten werden Schlaganfallpatienten immer jünger. So liegt das Durchschnittsalter beim ersten Insult nun unter 70 Jahren. Den Grund für den Trend glauben Neurologen zu kennen.
Veröffentlicht:CINCINNATI (mut). Es gibt zumindest eine gute Nachricht aus einer großen populationsbasierten US-Studie: Die absolute Zahl der Schlaganfälle ist seit 1993 in etwa konstant geblieben (Neurology 2012; 79: 1781).
So wurden in einer Region im Mittleren Westen, die Cincinnati (Ohio) und Nord-Kentucky umfasst, im Jahr 1993 genau 1942 Schlaganfälle unter etwa 1,3 Millionen Einwohnern registriert, im Jahr 2005 waren es 1916 Insulte.
Beunruhigend an der Greater Cincinnati/Northern Kentucky Stroke Study (GCNKSS) ist das Durchschnittsalter beim ersten Schlaganfall: Es ist um zwei Jahre gesunken, und zwar von 71,2 Jahren zu Beginn der Untersuchung auf 69,2 Jahre zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts.
Dies ließ sich im Wesentlichen auf einen höheren Anteil der unter 55-jährigen Patienten mit einem ersten Schlaganfall zurückführen: Lag ihr Anteil 1993 noch bei knapp 13 Prozent, war er zwölf Jahre später auf knapp 19 Prozent gestiegen.
Deutlich wird die Verschiebung auch bei der altersspezifischen Inzidenz: Diese sank sowohl bei älteren weißen US-Amerikanern (über 55 Jahre) als auch bei Farbigen (über 65 Jahre) - bei den Hochbetagten über 85 Jahre verringerte sie sich sogar fast um die Hälfte.
Dagegen hat sich die Apoplexieinzidenz bei den 20- bis 55-Jährigen im selben Zeitraum teilweise fast verdoppelt (von 26 auf 48 pro 100.000 weiße Einwohner sowie von 83 auf 128 pro 100.000 farbige Bewohner). Der Anstieg ging weitgehend auf das Konto ischämischer Insulte.
Verzerrte Ergebnisse?
Als Ursache vermuten die Studienautoren um Dr. Brett Kissela eine zunehmende Verbreitung von kardiovaskulären Risikofaktoren bei jüngeren Amerikanern.
So hatten jüngere Schlaganfallpatienten im Jahr 2005 deutlich häufiger auch Hypertonie, Diabetes, Hypercholesterinämie und vor allem KHK als solche aus den Jahren 1993.
Auch ergab sich im nationalen Survey NHANES für den gleichen Zeitraum ein deutlicher Anstieg der meisten Schlaganfall-Risikofaktoren in der Altersgruppe der unter 55-Jährigen.
Zum Teil lässt sich der Anstieg der Schlaganfallinzidenz bei Jüngeren allerdings durch eine bessere Diagnostik erklären, kommentiert Dr. Sally Sultan von der Columbia University in New York.
So sei der Anteil von Schlaganfallpatienten mit MRT-Untersuchung im Studienzeitraum von 18 auf 58 Prozent gestiegen. Vor allem bei jüngeren Patienten verwenden Ärzte heute MRT statt CT, weil sich damit kleinere Infarkte besser darstellen lassen - und dies könnte das Ergebnis verzerrt haben.
Sultan findet es wichtig, herauszufinden, in welchem Ausmaß die Schlaganfallinzidenz bei Menschen mittleren Alters steigt - denn schließlich sind damit oft lebenslange Arbeitsunfähigkeit und Behinderungen verbunden.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Schlaganfall schafft keine Helden