Schlaganfall

Fetter Fisch schützt, Fischfett nicht

Es scheint paradox: Wer viel fetten Fisch mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren isst, hat ein geringeres Risiko für einen Schlaganfall. Bloß in Form von Nahrungsergänzungsmittel schützen sie offenbar nicht.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Fetter Seefisch schützt nicht nur die Knochen, sondern auch die Hirngefäße.

Fetter Seefisch schützt nicht nur die Knochen, sondern auch die Hirngefäße.

© Birgit Reitz-Hofmann / panthermedia.net

CAMBRIDGE. Forscher haben 38 Studien analysiert, um den Effekt von Fischöl auf das Schlaganfallrisiko zu ermitteln: Die Metaanalyse umfasste 26 prospektive Kohortenstudien zu Fisch- und Fischölkonsum sowie 12 Interventionsstudien mit Omega-3-Fettsäuren (BMJ 2012; 345: e6698).

Diese Analyse offenbart das gesamte Panoptikum an Fallstricken, das mit solchen Studien einhergeht. Man wird also auch künftig im Trüben fischen, wenn es um die Frage geht, ob sich Schlaganfälle durch Fisch- oder Fischöl verhindern lassen.

Aus den 21 Kohortenstudien, in denen über 675.000 Teilnehmer aus der Allgemeinbevölkerung nach ihrem Fischverzehr befragt wurden, ließ sich zunächst ein klares Votum für den Fischkonsum ableiten.

Bei Fischfans mit mehr als vier Fischmahlzeiten pro Woche war die Rate für zerebrovaskuläre Ereignisse um 12 Prozent niedriger als bei Fischverächtern, berichten Epidemiologen um Dr. Rajiv Chowdhury von der Universität in Cambridge.

Allerdings muss man nach diesen Daten fast täglich Fisch essen, damit das Schlaganfallrisiko signifikant gesenkt wird, denn bei zwei bis vier Mahlzeiten pro Woche gab es kaum noch einen Unterschied zu Personen, die auf Fisch verzichteten.

Entscheidend ist auch, ob der Fisch fett ist: Eine Subgruppenanalyse ergab nur für sehr ölhaltigen Fisch eine reduzierte Schlaganfallrate (minus 16 Prozent).

Umso mehr wundert es, dass es in 14 Studien keinen klaren Zusammenhang zwischen Omega-3-Fettsäurekonsum und Schlaganfallrate gab. In vier der Studien wurden Omega-3-Fettsäuren im Blut gemessen. Teilnehmer mit hohen Blutwerten zeigten dabei sogar eine leicht erhöhte Schlaganfallrate (plus 4 Prozent).

In zehn Studien wurde versucht, den Omega-3-Konsum aus den Ernährungsangaben der Teilnehmer zu berechnen. Hier war die Schlaganfallrate in der Gruppe mit den höchsten Omega-3-Werten um etwa 10 Prozent geringer.

Schutz durch Vitamin D und B?

Noch verwirrender wird es, wenn man sich randomisiert-kontrollierte Studien mit Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln anschaut - sie sollten eigentlich die höchste Evidenz liefern. Insgesamt spürten die Epidemiologen um Chowdhury zwölf solcher Studien mit zusammen 62.000 Teilnehmern auf.

An zwei der Studien nahmen nur Personen ohne bekannte kardiovaskuläre Erkrankung teil. Hier gab es mit Omega-3-Supplementation, meist in Form von Fischölkapseln, so gut wie keine Reduktion der Schlaganfallrate (minus 2 Prozent), in den zehn Studien zur Sekundärprävention war die Rate im Vergleich zu Placebo sogar erhöht (plus 17 Prozent).

Wie lassen sich diese Resultate nun erklären? Die Autoren der Metaanalyse halten es zum einen für möglich, dass nicht nur Fischöl mit seinem hohen Omega-3-Anteil relevant für die niedrige Schlaganfallrate von Fischfans ist, sondern auch andere Fischbestandteile relevant sind, wie Vitamin D und B, essenzielle Aminosäuren oder Spurenelemente.

Eine andere plausible Erklärung ist schlicht die, dass Menschen, die täglich Fisch essen, stattdessen kaum fettes Rind- und Schweinefleisch zu sich nehmen und daher eher über den Verzicht auf ungünstige Fette ihr Schlaganfallrisiko senken. Schließlich kann ein erhöhter Fischkonsum auch nur ein Marker für einen gesünderen Lebensstil sein.

Der fehlende Nutzen in Interventionsstudien lasse sich möglicherweise auch damit erklären, dass viele der Patienten - vor allem in den Studien zur Sekundärprävention - schon optimal medikamentös versorgt wurden, sodass Fischöl möglicherweise keinen Zusatznutzen bringt, schreiben Dr. Janette Goede und Dr. Johanna Geleijnse von der Universität Wageningen in den Niederlanden in einem Kommentar zu der Metaanalyse (BMJ 2012; 345: e7219).

So hatten frühere Metaanalysen stets einen deutlichen Nutzen ergeben, dieser wurde von Analyse zu Analyse über die Jahre hinweg jedoch immer kleiner, zugleich sank aufgrund der besseren medizinischen Versorgung auch die Schlaganfallinzidenz.

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