Spritze gegen Hörverlust

Beim plötzlichen Hörverlust unbekannter Genese empfehlen japanische Forscher, die Standardtherapie durch lokale Steroidinjektionen durchs Trommelfell zu ergänzen.

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KITAKYUSHU (EO). Beim plötzlichen Hörverlust unbekannter Genese können lokale Steroidinjektionen durch das Trommelfell ins Mittelohr ergänzend zur systemischen Steroidgabe hilfreich sein.

In einer japanischen Studie führte dieses Regime häufiger zum Wiedererlangen des Hörvermögens als die Kombination systemische Steroide plus hyperbare Sauerstofftherapie (Laryngoscope 2012; online 23. März).

Die Forscher um Hideaki Suzuki von der Universität Kitakyushu hatten insgesamt 276 Patienten mit plötzlichem idiopathischem Hörverlust (Idiopathic Sudden Sensorineural Hearing Loss, ISSNHL) retrospektiv in zwei Gruppen geteilt.

Die einen (IT-Gruppe) hatten einmal wöchentlich unter Lokalanästhesie Dexamethason-Injektionen ins Trommelfell erhalten, insgesamt viermal.

Die zweite Gruppe, von den Autoren als HBO-Gruppe bezeichnet, hatte über zwei Wochen an jedem Wochentag einstündige Sitzungen in einer hyperbaren Kammer absolviert, wo sie 100-prozentigen Sauerstoff einatmeten.

Alle Patienten hatten zusätzlich Hydrokortison i.v. in abnehmenden Dosierungen erhalten. Als Maßeinheit für das Hörvermögen galt das arithmetische Mittel der Hörpegel bei 250, 500, 1000, 2000 und 4000 Hz.

Zusätzlicher Effekt

In der IT-Gruppe erlangten knapp 80 Prozent ein mindestens akzeptables Maß an Hörleistung zurück, in der HBO-Gruppe nur etwa 68 Prozent. Das Ergebnis variierte, wenn man die Patienten nach Schwindelsymptomen differenzierte.

Bei "schwindelfreien" Teilnehmern blieb die Verbesserung der Hörleistung durch lokale Steroidinjektionen signifikant, nicht aber bei Patienten mit Schwindel.

Legte man die "vollständige Heilung" als Kriterium an, war ebenfalls kaum ein Unterschied zu erkennen. Die Heilungsraten fielen mit 21,6 bzw. 29,3 Prozent sogar geringfügig zugunsten der additiven Sauerstofftherapie aus.

Negativ zu Buche schlugen die Trommelfellperforationen, die bei knapp 9 Prozent der IT-Patienten eine Myringoplastik erforderlich machten.

Umgekehrt musste der Arzt bei fast 7 Prozent der Teilnehmer in der HBO-Gruppe das Trommelfell anstechen, weil sich eine eitrige Otitis media gebildet hatte.

Lokale Steroidinjektionen durchs Trommelfell ins Mittelohr zusätzlich zur systemischen Steroidtherapie haben offenbar einen additiven Effekt.

Das kombinierte Regime könne man daher nicht nur als Salvage-Therapie nach Versagen einer systemischen Steroidtherapie, sondern auch als erste Wahl bei plötzlichem Hörverlust empfehlen, schreiben Suzuki und Kollegen.

Quelle: www.springermedizin.de

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Kommentare
? 18.04.201213:38 Uhr

Trommelfell

Liebe Dres. Schätzler und Popert,

tatsächlich war die Darstellung "ins Trommelfell" zu sehr vereinfacht. Ganz herzlichen Dank für den Hinweis, wir haben die Stellen entsprechend geändert.

Herzlichst,
die Redaktion

Dr. Uwe Wolfgang Popert 18.04.201212:09 Uhr

Schlechte Studie schlecht zitiert

Hier stimmt nun wirklich kaum was:
1) Das Kortison wurde intratympanal, also in das Mittelohr (und nicht in das sehr dünne Trommelfell selbst) injiziert. (Zitierfehler)
2) Mit der HBO wurde eine untaugliche -weil nachgewiesen unwirksame, aber nicht nebenwirkungsfreie- Vergleichstherapie gewählt.
3)Ein präspezifizierter primärer Studienendpunkt wurde nicht angegeben. Von den gewählten 5 Zielen wurden 4 verfehlt - dennoch wird die Studie von den Autoren als Erfolg verkauft. (Natürlich wurde statistisch auch nicht für multiples Testen adjustiert)
4)Im Studienprotokoll ist nicht erkennbar, ob und ggf. wie der häufigste Grund eines plötzlichen Hörverlustes ausgeschlossen wurde: eine Mittelohrinfektion mit Schleimansammlung (Sero-Mukotympanon). Da hierbei ein leichter Unterdruck entsteht, ist eine Trommelfellpunktion mit folgendem Druckausgleich möglicherweise die Erklärung für die leichten Verbesserungen. Korrekterweise hätte also eine Punktion des Trommelfells ohne Kortison-Injektion als Vergleichsgruppe gewählt werden müssen, denn die Kortisongabe in eine Entzündung eines hochkritischen Bereiches birgt ein erhebliches Komplikationsrisiko.
5) Der Kontrollzeitraum von 4 Wochen nach dem Eingriff ist nicht praxisrelevant - es geht ja um langfristigen Hörverlust.
6)Insgesamt die Dokumentation eines sehr mutiges Vorgehens, welches sich durch signifikante 9% schwere operationsbedürftige Infektionen rächte.

Fazit: eine völlig unbrauchbare und gefährliche Studie, mir ist schleierhaft, wie die durch eine Ethik-Kommission konsentiert und auch noch an herausragender Stelle publiziert werden konnte.
Und bedauerlich auch die unkorrekte Darstellung der Studie, die Grundkenntnisse in Anatomie und Studiendesign vermissen lässt.

Dr. Thomas Georg Schätzler 18.04.201211:17 Uhr

Schwindel mit Hörsturz?

(Swindle with Idiopathic Sudden Sensorineural Hearing Loss ISSNHL?)
• Der Evidenzgrad dieser retrospektiven Studie wird von den Autoren mit 2b eingeschränkt.
• Das Trommelfell des Menschen hat als kreisförmige Membran einen Durchmesser von ca. 8 - 10 mm und eine Dicke von etwa 100 µm (0,1 mm).
• Eine gezielte Steroidinjektion nur ins Trommelfell ("intratympanic steroid administration"), also in eine Gewebestruktur von 100 µm Tiefe, ist höchst diffizil. Der Kanülenanschliff bei 27-G-(Gauge)-Kanülen mit 0,4 mm Ø ist länger als 1 mm.
• Dadurch erklären sich die Trommelfellperforationen (9 % Myringoplastik erforderlich) in der IT-Gruppe.
• Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO-Gruppe) mit 14 Stunden Druckkammer Aufenthalt in 2 Wochen provoziert eine Otitis media durch Einpressen von Sekret in die Paukenhöhle.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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