Welt-AIDS-Tag
Projekt „FindHIV“ zur Frühdiagnose startet
Warum bekommen einige Patienten mit HIV erst sehr spät ihre Diagnose gestellt? Dieser Frage gehen Forscher zusammen mit niedergelassenen Ärzten im Projekt „FindHIV“ nach.
Veröffentlicht:BERLIN. Die niedergelassenen Ärzte spielen neben den Betroffenen selbst die wichtigste Rolle bei der frühzeitigen Entdeckung einer Infektion mit dem HI-Virus. An dieser Stelle gibt es offenbar aber nach wie vor schwerwiegende Defizite.
Das vom Innovationsfonds geförderte Projekt „FindHIV“ soll nun helfen, Erkenntnisse über die Versorgungsrealität zugewinnen und möglicherweise zu verbessern. Start ist im Januar 2019.
Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird mit 900.000 Euro aus dem Fonds unterstützt. Langfristiges Ziel ist es, darüber dann ein Frühdiagnoseinstrument zu entwickeln.
„Wir sehen schon seit Jahren bei den Erstdiagnosen einen sehr hohen Anteil von Patienten, die sehr spät diagnostiziert werden“, sagte Robert Rüsenberg von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) bei einer Veranstaltung des Berliner „Tagesspiegels“ am Donnerstag in Berlin. Das verursache krankheitsbedingte Kosten und müsse unter Public Health-Aspekten beobachtet werden.
Es sei fatal, dass diese Erkrankten oft schon vor der Diagnose Kontakt zum Gesundheitssystem hatten. Dabei würden offensichtlich Gelegenheiten verpasst, HIV-Infektionen zu entdecken.
Risikofaktoren seien zum Beispiel höheres Alter, Migrationshintergrund und der heterosexuelle Transmissionsweg.
Ausgangsthese von „FindHIV“ sei, dass das Verhalten von Patienten, aber auch in den Versorgungsstrukturen ganz offenkundig zu verzögerten Diagnosen führen, sagte Rüsenberg. Das Projekt wird angeführt von Professor Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Die niedergelassenen Ärzte sind bei „FindHIV“ Konsortialpartner.
Primäres Ziel sei, mehr Wissen über das Diagnosegeschehen zu aufzubauen. Zunächst sollen dazu Daten von 800 Neuinfizierten erhoben werden. Darunter werden, so erwarten es die Projektverantwortlichen, etwa 25 Prozent Spätdiagnostizierte sein.
Unter die Lupe genommen werden sollen auch soziodemografische Daten der HIV-Patienten, ihre Kontakte zum Gesundheitswesen und die Vordiagnosen. 35 HIV-Schwerpunktzentren werden sich daran beteiligen, diese empirische Basis zu schaffen.
Optimismus in der Politik
Deutschland kann die von den Vereinten Nationen ausgegebenen Ziele im Kampf gegen Aids noch erreichen. Darauf hat Ines Perea, im Bundesgesundheitsministerium für übertragbare Krankheiten zuständig, verwiesen.
In einem Zwischenschritt peilen die Vereinten Nationen das 90 – 90 – 90-Ziel an. Das heißt: 90 Prozent Menschen mit HIV-Infektion sollen auch tatsächlich entdeckt sein, 90 Prozent sollen antiretrovirale Therapie erhalten und bei 90 Prozent soll die Viruslast unter die Nachweisgrenze gedrückt worden sein. Derzeit liege Deutschland bei diesem Maß bei 87 – 92 – 95. Großbritannien könne aber bereits 92 – 95 – 97 aufweisen, berichtete Perea.
Montgomery: Licht und Schatten bei HIV-Selbsttests
Im Vorfeld des Welt-AIDS-Tages hob auch Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), hervor, dass Ärzte bei der Aufklärung und Prävention nicht nachlassen dürften – auch wenn die Zahl der HIV-Neuinfektionen insgesamt sinke. Maßnahmen wie die Zulassung von HIV-Selbsttests seien daher „richtig und wichtig“, sagte Montgomery in einer BÄK-Mitteilung. Allerdings böten solche Selbsttests lediglich eine erste Orientierung.
Die Testergebnisse seien für Laien schwer zu interpretieren und zudem nicht zu 100 Prozent zuverlässig, so der BÄK-Präsident. Gerade bei einem Positiv-Test sei es daher ratsam, dass ein Arzt das Ergebnis im Labor nochmals überprüfe.
Er wies in diesem Zusammenhang auf die nach wie vor bestehenden Ängste und Vorurteile im Zusammenhang mit HIV/AIDS hin: „Obwohl die Diagnose HIV-positiv längst kein Todesurteil mehr ist, haftet ihr noch immer ein Stigma an.“ (af/run)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Auf Enttabuisierung setzen