Rote Streifen durch Massage, und nicht durch Misshandlung!
HAMBURG (ner). Ungewöhnliche Hauterscheinungen bei Kindern lassen den Verdacht auf eine Kindesmisshandlung aufkommen. Um unnötige Beschuldigungen zu vermeiden, sollte auch an andere Ursachen gedacht werden, besonders, wenn die Kinder aus nicht-deutschen Kulturkreisen stammen.
Veröffentlicht:So hingen die streifigen Hautrötungen bei zwei kleinen vietnamesischen Jungen mit einer asiatischen Behandlungsmethode zusammen, berichten Pädiater und Rechtsmediziner aus Hamburg. In einer Schule für geistig behinderte Kinder waren bei einem mental retardierten siebenjährigen Jungen mindestens 40 symmetrisch angeordnete und bandförmige Hautrötungen in Form eines Fischgrätenmusters an Schultern, Brustkorb und Rücken aufgefallen.
Es handelte sich um petechiale und teilweise konfluierende Hauteinblutungen, so Dr. Jan Sperhake vom Institut für Rechtsmedizin in Hamburg-Eppendorf und seine Kollegen (Monatsschr Kinderheilkd 156, 2008, 1004). Recherchen ergaben jedoch, dass es sich um die Folgen einer speziellen Massage handelte, die auf Vietnamesisch Cao Gio (chinesisch Gua Sha) heißt. Sie wird zum Beispiel bei fieberhaften Infekten, wie bei dem Jungen der Fall, angewendet.
Das Reiben der Haut mit Cao-Gio-Schabern oder mit Münzen solle dort zur Rötung führen, wo der Blutfluss aufgrund einer inneren Störung stagniere, schreiben Sperhake und seine Kollegen. Mit dem ausgelösten Exanthem, einer "äußere Krise", werde der "inneren Krise" entgegengewirkt, so dass der Organismus wieder in Gleichgewicht gerate. Die Hauterscheinungen verschwinden innerhalb von etwa zwei Tagen spontan. Häufig wird die Haut vor dieser Massage mit ätherischen Ölen oder mit Balsam eingerieben. Je nach Zusammensetzung kann dies allergische oder gar Vergiftungserscheinungen hervorrufen.
Den Hamburger Rechtsmedizinern wurde später noch ein fünfjähriger Junge mit Sprachentwicklungsverzögerung vorgestellt, der strahlenförmig angeordnete Hautrötungen und vereinzelt petechiale Einblutungen zwischen den Schulterblättern sowie entlang der Halsseiten aufwies. Der Verdacht auf Kindesmisshandlung konnte bei dem Jungen rasch ausgeräumt werden.
Dies sei wichtig, so Sperhake, da fälschlicherweise beschuldigte Eltern ansonsten das Vertrauen in die medizinische Versorgung verlieren könnten und ihre Kinder bei Behandlungsbedürftigkeit nicht ärztlich vorstellten. Er empfiehlt, in Zweifelsfällen rechtsmedizinischen Sachverstand in die Beurteilung mit einzubeziehen.
Fehlinterpretationen drohten zum Beispiel auch nach Anwendung des Pflaumenblütenhammers, der zu verbrennungsähnlichen Hautschäden führen kann, nach Moxa-Therapie mit Beifußkraut oder nach chinesischer Massage, deren Folge zum Teil Hämatome und Quetschungen sind.