Parodontose
Erst Zahnprobleme, dann Pankreaskrebs
Zahnerkrankungen können dem Bauch Probleme machen: Forscher haben jetzt herausgefunden, dass Parodontose mit einem erhöhten Risiko für Pankreas-Ca verbunden ist. Entscheidet sind offenbar spezielle Keime.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Wer aufgrund einer Parodontose Antikörper gegen bestimmte Keime im Blut hat, der ist möglicherweise stärker als andere gefährdet, an einem Pankreaskarzinom zu erkranken.
Antikörper gegen Kommensalen in der Mundhöhle, die die Vermehrung pathogener Keime unterdrücken, sind dagegen mit einem verringerten Pankreas-CaRisiko assoziiert.
Die Assoziation zwischen Antikörpern gegen Parodontosekeime und Pankreas-Ca haben unter anderem US-amerikanische und deutsche Wissenschaftler bei einer Auswertung der EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) jetzt erstmals aufgedeckt (Gut 2012, online 18. September).
Dazu standen ihnen Blutproben von fast 390.000 der insgesamt 519.978 Teilnehmer zur Verfügung.
Von diesen Teilnehmern erkrankten 578 an einem Pankreaskarzinom, von denen 468 Blutproben für die Antikörperanalyse verfügbar waren. Letztlich konnten die Analysen von 405 Krebskranken und 416 Teilnehmern der Kontrollgruppe in die Auswertung einfließen - ausreichend für eine sichere statistische Aussage.
Im Mittel überblickten die Wissenschaftler fünf Jahre zwischen der Blutabnahme und der Krebsdiagnose.
Es wird geschätzt, dass die Mundhöhle mehr als 700 Bakterienarten beherbergt (J Clin Microbiol 2005; 43: 5721-5732). Bei 35 Prozent von ihnen ist die Kultivierung bisher nicht gelungen.
Kommensale - natürliche Gegenspieler
In der EPIC-Studie kristallisierte sich nach Berücksichtigung von 25 oralen Bakterien heraus, dass hohe Blutspiegel von Antikörpern gegen den pathogenen Keim Porphyromonas gingivalis ATTC 53978 mit einem zweifach erhöhten Risiko für ein Pankreas-Ca assoziiert sind (> 200 ng / ml vs. < 200 ng / ml). Der Keim wird mit der Zerstörung des Parodontalgewebes in Verbindung gebracht.
Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass Teilnehmer mit anhaltend hohen Titern von Antikörpern gegen physiologisch vorkommende Kommensalen ein um 45 Prozent geringeres Pankreas-Ca-Risiko hatten als Teilnehmer mit niedrigen Antikörpertitern.
Diese Bakterien sind quasi Gegenspieler der pathogenen Keime. Die Forscher betonen, dass für die Antikörperbestimmung Blutproben verwendet wurden, die bis zu zehn Jahre vor der Krebsdiagnose genommen worden waren, und somit immunologische Veränderungen aufgrund der Krebserkrankung sehr unwahrscheinlich sind.
Aus mehreren Studien ist bekannt, dass sich einige Bakterienarten der Mundflora auch im Verdauungstrakt wiederfinden. Es wird diskutiert, dass Keime zur Entstehung einer chronischen Pankreatitis beitragen - sie wurden in dem entzündeten Gewebe nachgewiesen - und damit den Weg zur Krebsentstehung ebnen.
Eine krebsfördernde bakterielle Komponente könnte das Lipopolysaccharid in der äußeren Membran gram-negativer Keime sein. Da ihre Studie die erste über den Zusammenhang zwischen Bakterien der Mundhöhle und Pankreas-Ca sei, müssten die Ergebnisse in weiteren Studien überprüft werden, so die Forscher.
Außerdem sei zu klären, ob es einen kausalen Zusammenhang gibt oder Bakterien und Antikörper eher als Marker für eine Immunantwort einzustufen sind.